Brasilien
Als Rios Christus fast den Kopf verlor: Die berühmte Statue wird heute 90 – und hat noch immer nie geklatscht

Der 38-Meter-Koloss ist zwar nicht der grösste seiner Art – aber mit Abstand der berühmteste. In São Paulo macht man sich gerne lustig über ihn.

Philipp Lichterbeck, Rio
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Gigantisch: Der Cristo Redentor thront seit 90 Jahren hoch über Rio.

Gigantisch: Der Cristo Redentor thront seit 90 Jahren hoch über Rio.

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Einmal verlor der Christus von Rio de Janeiro sogar den Kopf. Es war am 3. Oktober 2012 und Schuld hatten die Deutschen. Das Konsulat liess zum Tag der Wiedervereinigung die Christusfigur in den deutschen Nationalfarben anstrahlen. Das sah toll aus – bis die Dunkelheit hereinbrach und der obere, schwarz angeleuchtete Teil der Statue vom Nachthimmel verschluckt wurde.

Es ist nur eine Episode in der Geschichte des «Cristo Redentor» («Christus der Erlöser»), die heute 90 Jahre alt wird. Einst war die riesige Statue als Symbol für die Dominanz des Katholizismus in Brasilien gedacht, heute ist sie das Wahrzeichen von Rio de Janeiro. Kein Ort in Brasilien wird häufiger von Touristen besucht als die Aussichtsplattform zu Füssen der Figur.

Der böse Witz aus São Paulo

Die Cariocas – so heissen die Bewohner Rios – haben ein fast inniges Verhältnis zu der Statue entwickelt. Die ausgebreiteten Arme spenden vielen Trost in einer Stadt, in der ein Grossteil der Menschen täglich ums Überleben kämpft. In São Paulo aber witzelt man nur über die Statue. Die «Paulistas» behaupten, dass der Christus mit den ausgebreiteten Armen nur darauf warte, zu applaudieren, wenn der erste Carioca endlich einmal arbeiten gehe.

Gebaut wurde die Statue zwischen 1922 und 1931 für 250'000 Dollar. Die Idee kam ursprünglich von einem katholischen Geistlichen, der der Prinzessin Isabel, die eine wichtige Rolle bei der Abschaffung der Sklaverei gespielt hatte, die Ehre erweisen wollte. Rios Christus wäre also fast eine Frau geworden.

Gefertigt hat die Statue der französisch-polnische Bildhauer Paul Landowski. Das Gesicht wiederum entwarf der rumänische Bildhauer Gheorghe Leonida. Damit ist Rios Christus wie die Freiheitsstatue in New York – die zweite grosse emblematische Figur Amerikas – eine internationale Koproduktion.

Der Grösste seiner Art aber ist der «Cristo Redentor» auch mit 90 noch immer nicht. Im polnischen Świebodzin und in Cochabamba, Bolivien, gönnte man sich noch höhere Statuen.