Laut dem «World Gender Gap Report» des Weltwirtschaftsforums gibt es bis zur vollständigen Gleichstellung zwischen Mann und Frau noch einiges zu tun. Die Schweiz steigt zwar in der Rangliste auf – macht aber gleichzeitig ein paar Schritte zurück.
Es hapert an der Chancengleichheit: Laut einer Gleichstellungsstudie des Weltwirtschaftsforums (WEF) ist die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder leicht angestiegen.
Die Geschlechterkluft, auch Gender Gap genannt, sei zwar wie im letzten Jahr zu 68 Prozent geschlossen. Aber: Bei den vier untersuchten Gebieten wirtschaftliche Chancen, politische Teilhabe, Bildungsniveau und Gesundheits- und Überlebenschancen konnte nur im ersten Bereich eine Verbesserung festgestellt werden. Aber auch da gibt es Grund zur Sorge: Der Frauenanteil an der weltweiten Erwerbsbevölkerung ging zurück. Schuld daran ist die zunehmende Automatisierung: Diese wirkt sich unverhältnismässig stark auf Berufe aus, die traditionell eher von Frauen besetzt sind. Handlungsbedarf sieht das WEF bei technischen Berufen, insbesondere bei Arbeiten rund um das immer wichtiger werdende Thema künstliche Intelligenz, wo dreimal weniger Frauen als im branchenübergreifenden Durchschnitt arbeiten (22 Prozent).
Im internationalen Vergleich zwischen 149 Ländern führt Island die Rangliste in Sachen Gleichberechtigung an. Kein Wunder: Das Land hatte Anfang Jahr Pionierarbeit auf dem Gebiet geleistet, indem es gleiche Löhne für Frau und Mann als erstes Land gesetzlich verankerte. Die nordischen Länder schneiden allgemein gut ab: Auf Island folgen Norwegen, Schweden und Finnland. Auch Afrika ist mit Ruanda (6.), Namibia (10.) und Südafrika (19.) gut vertreten. Auf Letztere folgt dann die Schweiz auf Platz 20, die damit hinter den Nachbarländern Frankreich (12.) und Deutschland (14.) liegt, aber weit vor Österreich (53.) und Italien (70.).
Obwohl sich die Schweiz im Vergleich zum Vorjahr um einen Platz gesteigert hat, kann man sich darüber nur mässig freuen. Schweizer Frauen sind zwar mehr im politischen Geschehen des Landes involviert, dafür haben sich ihre wirtschaftlichen Chancen verschlechtert. Im Bereich Lohngleichheit fällt die Schweiz gar um zehn Plätze auf Rang 44 zurück. Hier wurde aber erst letzte Woche Gegensteuer gegeben: Das Parlament verabschiedete Anfang Monat ein neues Gleichstellungsgesetz. Firmen mit über 100 Angestellten müssen demnach Lohnanalysen erstellen, was zu mehr Transparenz führen soll. Das Gesetz wurde von der Gewerkschaft Unia scharf kritisiert: Fehlbare Unternehmen würden dadurch weder sanktioniert, noch müssen sie die Lohnungleichheit beheben. Sie müssen lediglich ihre Mitarbeiter darüber informieren.
Ein weiteres Problem ist die mangelnde Kinderbetreuung in der Schweiz. Oft fehlt es an Tagesstrukturen oder Arbeitsmodellen, welche Familie und Karriere vereinbaren lassen.
Gemäss WEF wird es noch 108 Jahre dauern, bis der Gender Gap weltweit geschlossen wird – und das auch nur in den 106 Ländern, die seit der ersten Ausgabe der Studie im Jahr 2006 gemessen wurden. Auch wird diese Entwicklung in Westeuropa, Südasien und Südamerika schneller beendet werden als beispielsweise in Ostasien, dem Nahen Osten oder in Nordamerika. Der Prozess könne aber mit den richtigen Massnahmen um einiges beschleunigt werden.
WEF-Gründer und -Chef Klaus Schwab ruft deshalb im Vorwort der Studie dazu auf, aus den Ergebnissen zu lernen. Länder, die wettbewerbsfähig bleiben wollen, sollen die Gleichstellung der Geschlechter in ihrer Nation nicht vernachlässigen, denn die «Massnahmen zur Geschlechterparität und sozialen Inklusion sind für eine gesunde Weltwirtschaft und zum Wohle der Gesellschaft unabdingbar», wird Schwab zitiert.