Drei Angeklagte, eine Frau und zwei Männer. Die Frau allerdings war in einer Doppelrolle anwesend – als Beschuldigte und zugleich als Opfer.
Rosmarie Mehlin
Die Männer waren der Vergewaltigung beschuldigt. In der Anklageschrift jedoch war, gleich neben dem Straftatbestand, die Bemerkung «evtl. Freispruch» zu lesen. das ist selten, sehr selten. In der Anklageschrift gegen die Frau wegen mehrfacher falscher Anschuldigung und falschen Zeugnisses stand keine solche Bemerkung.
Die 33-jährige Hata (alle Namen geändert) wollte ihre Mitangeklagten nicht sehen, weshalb im Gerichtssaal eine Trennwand aufgestellt war. Hata stammt, wie die beiden Männer, aus dem Kosovo. Wann genau sie in die Schweiz gekommen war, wurde bei ihrer Befragung nicht ganz klar: Hatas Antworten waren diffus, sie wirkte fahrig, sprach von psychischen Problemen, von «zerbrochener Seele» und die meiste Zeit konnte die Übersetzerin keine andere Aussage von Hata als «daran kann ich mich nicht erinnern» zu Protokoll geben.
Mitten ins Liebesspiel geplatzt
Die Befragung des 34-jährigen Maliq und des zwei Jahre jüngeren Asllan erbrachte Folgendes: Beide, die im selben Dorf aufgewachsen und seither befreundet sind, hatten Hata in einem albanischen Chatroom kennen gelernt - unabhängig voneinander und ohne es gegenseitig zu wissen. Sie waren vor 14 respektive 13 Jahren in die Schweiz gekommen, beide sind hier verheiratet aber - wie sie selbst freimütig bekennen - keine Kostverächter in Sachen ausserehelichem Sex.
So hatten sie denn auch mit Hata intime Beziehungen gepflegt. Eines Abends im Oktober 2007 hatte Asllan Hata am Bahnhof Lenzburg abgeholt (woher Hata gekommen war respektive wo sie damals gewohnt hatte, konnte sie nicht sagen) und war mit ihr zu einem Albaner-Klub gefahren. Der war zwar geschlossen, aber Asllan hatte einen Schlüssel. Auf dem Weg dorthin hatte Maliq ihn angerufen und Asllan hatte gesagt, er sei zwar mit einer Freundin unterwegs, aber Maliq solle später doch auch in den besagten Club kommen.
Das hatte der auch getan und war mitten ins Liebesspiel von Asllan und Hata geplatzt, worauf Hata zu schreien anfing. Sie habe, so die beiden Männer übereinstimmend, überhaupt nicht mehr mit Schreien aufhören wollen. Plötzlich hatte die Polizei vor der Tür gestanden. Ein Anwohner, beunruhigt durch die Schreie, hatte sie alarmiert.
Widersprüchliche Aussagen
Hata hatte zu den Beamten gesagt, sie sei von beiden Männern vergewaltigt worden; diese ihrerseits hatten eine ganz andere Version erzählt - siehe oben. Tatsache war, dass Hata zwar Rötungen und Schürfungen am Körper aufwies und im Genitalbereich eine Verletzung, dass aber in ihrer Vagina lediglich DNA-Spuren von Asllan, nicht aber von Maliq festgestellt wurden.
Auch hatte sie sich in den Einvernahmen in Widersprüche verwickelt sowie unter anderem ausgesagt, Maliq nicht gekannt zu haben - obwohl auf dessen Handy nicht nur SMS und Anrufe von und auf Hatas Natel gefunden wurden, sondern auch ein Foto von ihr und Maliq gespeichert war, aufgenommen eine Woche vor dem Geschehen im Club.
Widerwillig angeklagt
Die Staatsanwältin musste die Anklage vor Gericht nicht persönlich vertreten, da sie für Asllan, auf dessen Konto mehrere Vorstrafen wegen grober Verletzungen des Strassenverkehrsgesetzes und Schlägerei zu Buche schlugen, nur 18 Monate Freiheitsstrafe bedingt und für Maliq 16 Monate beantragt hatte - also geradezu lächerlich geringe Strafen.
Weil Vergewaltigung ein Offizialdelikt ist, hatte sie - offensichtlich wider ihre Überzeugung - die beiden Männer anklagen müssen. Weil sie diese aber für unschuldig erachtete, hat sie folgerichtig Hata der erwähnten Vergehen angeklagt und für die 33-jährige eine 8-monatige bedingte Freiheitsstrafe beantragt.
Alle drei Verteidiger forderten - logo - Freisprüche und das Gericht unter Vorsitz von Peter Thurnherr folgte ihnen. Aus Mangel an objektivierbaren Beweismitteln wurden Asllan und Maliq nach dem Grundsatz «in dubio pro reo» einstimmig freigesprochen. Bei Hata hingegen waren sich die zwei Richterinnen und drei Richter nicht einig. Eine Mehrheit entschied sich ebenfalls für einen Freispruch. Eine Minderheit hingegen hätte Hata gemäss Anklage schuldig gesprochen, weil sie Hata die Opferrolle nicht abnahmen, sondern der Meinung waren, dass eindeutig keine Vergewaltigung stattgefunden habe.