Züzi
«Alle drei bis vier Stunden beginnt sie zu weinen»

Unbekannter belästigt 19-jährige Behinderte auf dem Nachhauseweg aus einer Behindertenwerkstatt im Zürcher Oberland.

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Wald

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Limmattaler Zeitung

Stefan Jäggi

Am vergangenen Freitag war Tochter Marina* auf dem Heimweg von Uster nach Seegräben. Die 19-Jährige leidet an Trisomie 21 (Down-Syndrom) und arbeitet in einer Behindertenwerkstatt in Uster. Ihrer Familie und der Polizei berichtete sie Folgendes: Kurz nach 11 Uhr vormittags kommt sie mit der S14 am Bahnhof Aathal an und nimmt im Regen den Weg in den Seegräbner Ortsteil Sack unter die Füsse. Gleichzeitig mit Marina verlässt auch ein etwa 30-jähriger Mann die S14. Er hat einen dunklen Teint, einen Dreitagebart und die Haare streng nach hinten gekämmt. Er trägt ein kurzärmliges Hemd und hat einen blauen Schirm in der Hand.

Ein 15-jähriger Schüler hat gemäss Marinas Vater beobachtet, wie der Mann hinter seiner Tochter eine Treppe zur Strasse hinaufging. Seine Beschreibung des Manns deckt sich mit derjenigen von Marina.

Zehn Franken für Pizza angeboten

Auf einem schmalen Waldweg, der vom Bahnhof Aathal steil den Hang hinauf ins Wohnquartier Grossweid führt, holt der Mann Marina ein. Er spricht sie in gebrochenem Deutsch an. Dann berührt er sie im Genitalbereich. Marina geht weiter, der Mann folgt ihr.

Als sie aus dem Wald herauskommen, sagt er ihr, sie solle seinen Schirm halten. Sie gehorcht, er nimmt sein Portemonnaie hervor und bietet ihr eine Zehnernote an - «um eine Pizza essen zu gehen». Danach öffnet er seinen Hosenschlitz und will seinen Penis herausholen.

Marina erschrickt; sie ruft «jetzt ist fertig» und rennt nach Hause. Der Mann flieht in die andere Richtung, in den Wald hinein. Nach wenigen Minuten kommt Marina zu Hause an.

Sie erzählt ihrer 13-jährigen Schwester, was passiert ist. Diese ruft sofort Vater Heinz* an, der zwanzig Minuten später daheim eintrifft. Er verständigt die Kantonspolizei, dann setzt er sich wieder ins Auto und sucht den Exhibitionisten auf eigene Faust. Doch er hat kein Glück, und auch die Bauarbeiter, die zurzeit in der Gegend die Strasse sanieren, können ihm nicht weiterhelfen.

Am Nachmittag erstattet er zusammen mit seiner Tochter bei der Kantonspolizei eine Anzeige gegen Unbekannt. Cornelia Schuoler, Mediensprecherin der Kantonspolizei Zürich, bestätigte eine entsprechende Anzeige wegen sexueller Belästigung. Vom Täter fehle noch jede Spur, hiess es gestern bei der Polizei.

«Das ist jetzt alles zum Teufel»

«Meiner Tochter geht es nicht gut», sagt Vater Heinz. «Alle drei bis vier Stunden beginnt sie zu weinen, sie ist völlig verstört.» Die Familie versuche die Tat nun zu verarbeiten, indem sie häufig darüber spricht. «Marina tut es gut, darüber zu reden.»

Noch weiss die Familie nicht, wie tief die seelischen Wunden bei Tochter Marina sind. An ihrer Arbeitsstätte gibt es einen Sexualtherapeuten; den wird Vater Heinz nun kontaktieren. Ob man auch noch externe Hilfe herbeiziehe, wisse man noch nicht. Vater Heinz sagt, man dürfe den Vorfall nicht herunterspielen, man müsse aber auch darauf achten, dass man Marina nicht noch mehr Angst einflösse. «Der Weg durch den Wald gehört zu ihrem Arbeitsweg, den sie seit vielen Jahren selbstständig absolviert. Das ist jetzt wohl alles zum Teufel.» Zumindest vorerst werde die Familie Marina an den Bahnhof begleiten.

Von ähnlichen Ereignissen in der Region haben die Buchers nichts gehört, doch eines ist ihnen ein besonderes Anliegen: «Wenn jemand eine ähnliche Erfahrung macht, soll er oder sie sich unbedingt bei der Polizei melden. Auch wenn es einem wie eine Bagatelle vorkommt.»

*Namen von der Redaktion geändert