Der Basler Nationalrat Mustafa Atici will die 2,2 Millionen Ausländer in der Schweiz in die Politik miteinbeziehen und damit «das grosse Demokratie-Defizit» aufheben.
Menschen ohne Schweizer Pass sollen in der Schweiz politisch mitbestimmen und sich einbringen können. Das ist eine Forderung, die schweizweit schon länger im Raum steht. Jetzt hat der Basler SP-Nationalrat Mustafa Atici eine parlamentarische Initiative im Nationalrat eingereicht. Er will, dass Migrantinnen und Migranten, die bereits fünf Jahre in der Schweiz leben, sowohl das passive als auch das aktive Stimm- und Wahlrecht erhalten, und zwar auf Gemeindeebene.
In der Schweiz gibt es bereits Gemeinden, in denen Migranten politische Rechte haben. Laut Atici sind es 605 in acht Kantonen. «Und das sind alles funktionierende Beispiele, deshalb fragte ich mich: Wieso sollte es in allen anderen Gemeinden nicht auch funktionieren?» Es sei ausserdem eine Frage der Rechtsgleichheit: «Niemand käme auf die Idee, den Frauen das Stimm- und Wahlrecht in einigen Gemeinden zu gewähren und in anderen nicht», so Atici.
«Die Schweiz ist im 21. Jahrhundert sehr vielfältig geworden», findet Atici. 2019 lebten hierzulande knapp 2,2 Millionen Menschen mit ausländischem Pass. In Basel waren es 36,6 Prozent der Bevölkerung. «Dass wir diese Menschen einfach übersehen und nicht in Entscheidungen miteinbeziehen, ist ein grosses Demokratie-Defizit», so Atici.
Ein Gegenargument von bürgerlicher Seite zum Thema Ausländerstimmrecht ist, dass sich Menschen, wenn sie mitbestimmen möchten, einbürgern lassen sollen. Atici betont: «Ich bin nicht gegen Einbürgerung, im Gegenteil, als Präsident der SP Migrantinnen und Migranten unterstütze ich Menschen aktiv bei der Einbürgerung. Aber die Hürden sind immer noch enorm hoch.» In der politischen Partizipation sehe er eines der wichtigsten Instrumente für Integration, gerade auf Gemeindeebene, dort, wo die Menschen ihren Lebensmittelpunkt haben.
Nationalratskollege Christoph Eymann sieht das anders. Der Basler LDP-Mann sagt: «Ich bin gegen ein Ausländerstimmrecht und kann deswegen die Initiative auch nicht unterstützen.» Er halte solche politische Partizipation nicht für den richtigen Weg für Integration. «Die Einbürgerung integriert genau so, wenn nicht sogar mehr». Er findet auch den Aufwand einer Einbürgerung legitim: «Das ist schliesslich nicht das Gleiche, wie wenn man ein Zugbillett kauft», so der Basler. Er glaubt auch nicht, dass ein Ausländerstimmrecht in Basel bei einer Abstimmung eine Chance hätte. «Ich glaube vielmehr, dass sich die Linksparteien von den Vorstössen zum Ausländerstimmrecht eine Chance für mehr Wähler erhoffen», so Eymann.
In den Kantonen Basel-Stadt und Zürich laufen derzeit Vorstösse für das Ausländerstimmrecht auf kantonaler Ebene. «Meine Initiative soll diese Vorstösse auch unterstützen», sagt Atici. Falls die Motion von Edibe Gölgeli (SP) in Basel durchkommen sollte, erledigt sich jedoch Aticis Initiative zumindest für seinen Heimatkanton. Gölgeli fordert das Stimmrecht für Migranten auf kantonaler Ebene. Nachdem das Parlament Ja gesagt hat, liegt das Geschäft nun beim Regierungsrat.
Auch auf Bundesebene steht die Initiative von Atici nicht allein. Die Grünen haben im März ebenfalls eine parlamentarische Initiative eingereicht, die das Stimmrecht für Migranten auf Bundesebene fordert. «Unsere Initiativen und Haltungen unterscheiden sich da schon», so Atici mit einem Schmunzeln. «Ich glaube aber, mein Vorstoss ist realistischer, weil wir schon positive Erfahrungswerte aus Gemeinden haben».