Im Januar verstarb René Bacher im 92. Lebensjahr in seiner Wohngemeinde Binningen. Die Nachricht von seinem Tod kam schlicht daher. Das passte zu René Bachers Wesen. Er, der zeitlebens grosse Verantwortung trug und diese vorbildlich wahrnahm, wollte nie im Mittelpunkt stehen. René Bachers berufliche Laufbahn ist eindrücklich. Er hatte, in seinen Worten, das Studium der Jurisprudenz «im Ausschlussverfahren» gewählt. Da er sich ein Leben als Pfarrer nicht vorstellen konnte, entschied er sich für das Recht und gegen die Theologie, die ihn ebenfalls stark interessierte.
Nach dem Anwaltsexamen trat er seine erste Stelle in der Baselbieter Justizdirektion an. Damals kümmerten sich nur drei Juristen um die ganze Staatsverwaltung. 1957 wurde er als Gerichtsschreiber am neuen Verwaltungsgericht gewählt. 1968 erfolgte die Wahl zum Präsidenten des Obergerichts, das bis 2002 die höchste Baselbieter Instanz in Zivil- und Straffällen war. Dieses Präsidium übte er 24 Jahre lang aus. 1992 ernannte ihn der Bundesrat im Rahmen der Aufarbeitung der «Fichenaffäre» zum Sonderbeauftragten für Staatsschutzakten. Bis 1996 sichtete Bachers Team 820000 Fichen und behandelte 5500 Anträge auf Dossiereinsicht. Später leitete er im Auftrag der Landesregierung mehrere Administrativuntersuchungen, so etwa im Fall Nyffenegger.
Der Verstorbene war zudem als Schiedsrichter tätig, etwa im stark beachteten Streit zwischen der Fluggesellschaft Swiss und Crossair-Piloten. Eine wichtige Aufgabe in einem sensiblen Bereich übertrug der Bundesrat René Bacher 1997 mit der Wahl in den Beirat des «Spezialfonds zu Gunsten bedürftiger Opfer des Holocaust/Shoa». Der von Schweizer Banken und anderen Firmen mit fast 300 Millionen Franken alimentierte Fonds kam zu Stande, nachdem die Kontroverse über die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg im Zusammenhang mit den nachrichtenlosen Bankkonti weltweit heftig entbrannt war.
René Bacher war auch politisch aktiv. Bis zu seinem Tod gehörte er der FDP an und vertrat die Partei von 1963 bis 1967 im Landrat. Die Unvereinbarkeit mit dem Obergerichtspräsidium verunmöglichte die Fortsetzung dieses Mandats. In den 1960er-Jahren war er Binninger Gemeinderat, mit Zuständigkeit Tiefbau. In jener Zeit des raschen Aufschwungs, der Binningen innert weniger Jahre von 7000 auf 15000 Personen anwachsen liess, arbeitete man im Gemeinderat überparteilich eng zusammen und verstand sich über die Sitzungen hinaus ausgezeichnet. Während zehn Jahren wirkte René Bacher ausserdem als ehrenamtlicher Präsident der Freien Evangelischen Schule Basel (heute: Freies Gymnasium).
Ausnahmslos alle, die René Bacher kannten, an den Gerichten, im Bund, in Anwaltskreisen, in der FDP und in der Gemeinde Binningen, in der Nachbarschaft und natürlich in seiner Familie, schätzten ihn als integren Juristen mit hoher Kompetenz, Weitsicht und einem sicheren Urteilsvermögen. René Bacher verband dies mit einem bescheidenen Auftreten und einer grossen Affinität zu den Menschen. Ihnen begegnete er gerade als Gerichtspräsident stets respektvoll, im Wissen um die Grenzen der richterlichen Rechtsfindung und unser aller Schwächen und Fehler. Gerichtsentscheide, so schrieb René Bacher 2004, seien «bestenfalls Regulatoren, keine Glücksspender».
René Bacher, der gut wusste, wie tiefgreifend Schicksalsschläge ein Leben verändern können, hatte bis zu seinem Ableben ein fest verankertes, positives Menschenbild. Er konnte es vielen von uns weitergeben. Dafür sind wir ihm sehr dankbar. Unser tief empfundenes Beileid geht an René Bachers Frau und seine Familie.