Urs Hess
Nach 13 Jahren im Landrat: Der Schnauz tritt ab

Der SVP-Politiker Urs Hess nahm nie ein Blatt vor den Mund. Nach 13 Jahren im Amt verlässt er nun den Landrat. Sogar Linke werden ihn vermissen.

Benjamin Wieland
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«Ego-Player» dominieren im Saal, räsoniert Urs Hess nach 13 Jahren im Landrat. Er bevorzugte die Arbeit hinter den Kulissen.

«Ego-Player» dominieren im Saal, räsoniert Urs Hess nach 13 Jahren im Landrat. Er bevorzugte die Arbeit hinter den Kulissen.

Kenneth Nars

Urs Hess benutzt für den Landrat mitunter eine etwas eigentümliche Bezeichnung. Das Baselbieter Kantonsparlament, dem der Prattler seit 13 Jahren angehört und das er 2011/12 auch präsidierte, ist für ihn die «Ochsenschüre».

Das ist jedenfalls der Landrats-Kolumne zu entnehmen, die Hess für den «Prattler Anzeiger», die Dorfzeitung seines Wohnorts, schreibt. Der SVP-Politiker verabschiedet sich von den Lesern jeweils mit: «Viele Grüsse aus der Ochsenschüre!» Die Bezeichnung habe er vom ehemaligen Landschreiber Walter Mundschin übernommen, erzählt Hess der bz. Mundschin habe ihm gesagt, er wisse nicht genau, was es mit dem Namen auf sich habe. «Mir aber war es sofort klar», sagt Hess. «Wir sind die Ochsen, ganz einfach.»

«Ich werde Befehlsempfänger»

Noch exakt einmal wird Hess aus der Ochsenschüre berichten: Vorgestern Donnerstag nahm der Ingenieur an seiner letzten Sitzung im Landrat teil. Es folgt noch eine Sitzung der Geschäftsprüfungskommission, danach ist Schluss mit Parlament – zuerst in Liestal, bald auch in Pratteln. Denn Hess tritt auch aus dem Prattler Einwohnerrat zurück, dem er seit über zwanzig Jahren angehört, und wechselt die Seiten: Ab 1. Juli, dem Beginn der neuen Legislatur, nimmt er im Prattler Gemeinderat Platz. Auch den Rollenwechsel von Legislative zu Exekutive beschreibt der 61-Jährige auf seine eigene Weise: Er werde nun «vom Befehlsgeber zum Befehlsempfänger».

Man dürfe sich selber nicht immer so wichtig nehmen – man solle auch über sich selber lachen können: Das hat Urs Hess in Interviews immer wieder gesagt, und das betont er auch im Gespräch mit der bz. Er sitzt im Vorzimmer des Landratssaals. Anzug, Krawatte, Baselbieterstab-Pin. Fast alle Vorbeigehenden grüsst er mit Vornamen. Hier ein Lächeln, dort ein Spruch. Er wolle als Politiker auf keinen Fall abgehoben wirken, sondern volksnah, mahnt der Mann mit dem Markenzeichen Schnauz. Es sei wichtig, das Ego zu zügeln. Denn anderes zähle. Sich für die Gemeinschaft einsetzen. Ihr dienen. Auch so will er das mit der Ochsenschüre verstanden wissen.

Die letzte Sitzung im Landrat nach 13 Jahren – «speziell ist das schon», sagt Hess. «Wehmütig bin ich aber nicht, jetzt fängt etwas Neues an». Schon bei seiner Kandidatur für die Prattler Exekutive habe er angekündigt, dass er im Erfolgsfall sein Mandat in Liestal aufgeben werde. Er schaffte die Wahl im Februar. «Für beides, Landrat und Gemeinderat, hätte ich schlicht keine Zeit neben meinem Job. Ich arbeite 100 Prozent.»

Wider die «Ego-Player»

Der Parlamentsbetrieb habe sich nicht gross verändert seit seinem Einzug 2003, sagt Hess – zumindest nicht, was den zeitlichen Aufwand betreffe. Was sich aber unterscheide, sei der Tonfall. «Früher lagen die Wortmeldungen in der Regel immer deutlich über der Gürtellinie. Diese Grenze hat sich nach unten verschoben, leider.» Er sei auch einer, der sage, was er denke. («Gegen hart geführte Debatten habe ich gar nichts.») Aber persönlich gefärbte Angriffe würden nichts bringen, seien deplatziert.

Politik bezeichnet der Vater von zwei erwachsenen Kindern als Hobby. «Ich habe viel Herzblut in meine Mandate investiert.» Die Liste seiner Landrats-Vorstösse kommt bescheiden daher. Ganze 14 Stück haben sich in den 13 Jahren angesammelt, rund einer pro Jahr. Es komme nicht auf die Zahl der Vorstösse an, gibt Hess zu Bedenken: «Entscheidend ist die Arbeit in den Kommissionen. Dort findet das Fein-Tuning statt.» Die Arbeit hinter den Kulissen sei wichtig – was im Landratssaal stattfinde, sei «fast nur Show». Dort würden die «Ego-Player» dominieren. Die habe er aber nicht so gerne. Er sei «eben eine zielorientierte Person».

Bei gewissen Geschäften nahm sich Hess selber aus dem Rennen. 2011 – mitten in seinem Jahr als Landrats-Präsident – verliess er die Privatwirtschaft und trat beim Kanton die Stelle des Strasseninspektors an. Zuvor hatte er angekündigt, sich künftig strikt zu enthalten, sobald es um Strassen gehe, und auch bei den Debatten würde er sich nicht einschalten. Die Diskussion darüber, ob Hess’ Job mit dem Landratsmandat in der Praxis vereinbar ist, verebbte rasch.

Lob von politischen Gegnern

Philipp Schoch von den Grünen, der wie Hess im Jahr 2003 in den Landrat einzog, bedauert den Abgang seines Prattler Ratskollegen. «Ich finde es schade, dass er den Landrat verlässt. Das ist ein Verlust.» Hess sei kein Parteisoldat und kenne keine Berührungsängste. Er habe mit ihm sehr gut zusammenarbeiten können, sagt Schoch, «obwohl er doch aus einem ganz anderen politischen Spektrum stammt». Irritiert habe ihn einzig, dass Hess Einbürgerungsgesuche konsequent abgelehnt habe.

Marc Bürgi von der BDP sass 2011 bis 2015 mit Hess im Landrat. «Urs ist ein Politiker der alten Schule, wie es sie leider nicht mehr allzu häufig gibt», sagt der Prattler, der auch Mitglied des Einwohnerrats ist. «Er ist authentisch und integer. Er vertritt seinen Standpunkt konsequent. Aber er kann zuhören, er lässt andere Meinungen gelten.» Typen wie Hess, die unkompliziert seien und nah am Volk politisieren würden, «sollte es mehr geben».

Als wichtigstes Geschäft in seiner Zeit im Landrat bezeichnet Hess den kantonalen Richtplan. Diesen verabschiedete das Kantonsparlament im März 2009. «Dort geht darum, die grossen Linien zu finden. Es geht um die Frage: Wie sieht der Kanton in zwanzig, dreissig oder sogar vierzig Jahren aus?»

Weitblick sei bei solchen Geschäften gefragt, das gefalle ihm als Ingenieur und Strassenbauer: «Immer nur bis zu den nächsten Wahlen denken, das war wirklich nie mein Ding.»