Baselland
Der Landrat streitet über die Reichen: Mehrheit für tiefere Vermögenssteuern

Im Baselland sollen wie im Nachbarkanton Basel-Stadt die Vermögenssteuern gesenkt werden: Der Landrat hat die Reform am Donnerstag mit 49 zu 30 Stimmen gutgeheissen. Das letzte Wort hat aber das Stimmvolk. Dieses entscheidet am 27. November.

Hans-Martin Jermann 1 Kommentar
Drucken
Im Geldregen: Die Juso protestierten am Rande der Landratssitzung gegen «Steuergeschenke für die Reichsten.»

Im Geldregen: Die Juso protestierten am Rande der Landratssitzung gegen «Steuergeschenke für die Reichsten.»

Nicole Nars-Zimmer (15. September 2022)

330: Das war in der ausgesprochen emotionalen Debatte über die Senkung der Vermögenssteuern gestern im Landrat die am häufigsten genannte Zahl. Im Baselbiet leben 330 Steuerpflichtige mit einem Vermögen von über 10 Millionen Franken. Sie leisten mehr als ein Drittel (55 Mio. Fr.) an den jährlichen Vermögenssteuer-Ertrag des Kantons von 154 Millionen.

«Diese 330 Personen zahlen eure unbegrenzten Wünsche», schmiss SVP-Fraktionschef Peter Riebli der SP entgegen und verwies auf deren Initiative für Gratis-Kitas. Der Kanton könne es sich nicht leisten, jene Personen, die staatliche Leistungen massgeblich mitfinanzieren, zu vergraulen. «Wenn nur einige dieser Reichen wegziehen, dann muss der Mittelstand die Zeche bezahlen», sagte Riebli. Die Vermögenssteuern, die im Vergleich der Kantone zu den höchsten zählen, müssten daher sinken.

7,45 Millionen Franken pro Jahr alleine für die 330 Reichsten

Diametral anders argumentierte SP-Landrätin Ronja Jansen: «Wir reden hier nur über die Befindlichkeit der reichsten Personen im Kanton.» Die vorgeschlagene Steuersenkung führt alleine beim Kanton zu jährlichen Mindererträgen von 27 Millionen Franken. Davon werden allein die 330 Personen mit 7,45 Millionen entlastet – macht 22600 Franken pro Steuerpflichtigen und Jahr. Hinzu kommen Entlastungen auf Gemeinde-Ebene. Summa summarum erhalte jeder dieser Superreichen ein Steuergeschenk in der Höhe eines Jahreslohns einer Coiffeuse. Das widerspreche sämtlichen Gerechtigkeitsvorstellungen, sagte Jansen und forderte:

«Wir müssen weg kommen von der Politik, die den Reichsten das Geld in die Tasche schaufelt.»

Es war eine kuriose zweite Lesung zur Steuerreform: Änderungsanträge wurden keine mehr gestellt, nachdem in erster Lesung vor zwei Wochen sowohl die SP-Forderung nach Rückweisung als auch eine aus der FDP nach stärkeren Steuersenkungen abgelehnt wurden. Dafür führten die Parlamentarier nochmals eine Grundsatzdebatte über Für und Wider von Steuersenkungen, obwohl Eintreten bereits am 1. September beschlossen worden war. Der inhaltliche Erkenntnisgewinn blieb gestern in dem Schlagabtausch zwischen links und rechts überschaubar.

Es gebe keine wissenschaftlichen Belege für die These, dass Steuersenkungen durch den Zuzug zu höheren Staatseinnahmen führen, sagte Adil Koller (SP). SVP-Fraktionschef Riebli widersprach und verwies auf seine alte Heimat Obwalden. Dort seien die Steuereinnahmen im vergangenen Jahrzehnt nach Steuersenkungen um 30 Prozent gestiegen:

«Obwalden, früher das Armenhaus der Schweiz, zahlt mittlerweile in den Finanzausgleich ein.»

Steuerreformen hätten eben doch eine Wirkung.

Alle ehemals pauschal Besteuerten sind aus dem Baselbiet weggezogen

Rolf Blatter (FDP) fügte an, dass höhere Steuern sehr wohl negative Konsequenzen hätten. Baselland hat 2013 die Pauschalbesteuerung für Superreiche abgeschafft: «Mittlerweile sind alle 17 Personen weg – und mit ihnen die Steuererträge», sagte Blatter. Adil Koller stellte dazu kritische Nachfragen. Interessant wäre zu wissen, wer in deren Häuser eingezogen sei und wie viel Steuern diese Personen zahlen.

Nach 90 Minuten Debatte forderte Marco Agostini (Grüne), die Rednerliste zu schliessen. Der Ordnungsantrag wurde bei je 37 Stimmen von Präsidentin Lucia Mikeler Knaack (SP) per Stichentscheid gutgeheissen. In der Abstimmung über die Änderung des Steuergesetzes standen 49 Ja- 30 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen gegenüber. Da das Vierfünftelmehr verfehlt wurde, entscheidet das Volk abschliessend. Dies bereits am 27. November. Die Regierung hatte, um ein Inkraftsetzen per 1. Januar 2023 zu ermöglichen, den Abstimmungstermin vor der Landratsdebatte festgelegt.

1 Kommentar
aslmur

Was die Linke nicht sehen will: Es ist nicht so, dass die guten Steuerzahler in Form einer gut sichtbaren Karawane aus BL flüchten. Nein, das geht etwas länger. Aber irgendwann wird für die meisten Leute ein Umzug anstehen und dann ist es Zeit sich die passende(n) Gemeinde(n) für die Wohnungssuche herauszupicken. Die Steuerlast ist dabei nur ein Faktor. Personen die ein gutes Einkommen haben (werden) und / oder Vermögen aufbauen wollen werden diesem Punkt mehr Gewicht einräumen als Leute die mit Aushilfsjobs in den Tag hineinleben. Es werden also viele zukünftige "Millionäre" gar nicht erst nach BL ziehen. Die Gemeinden im Fricktal haben von der bisherigen, verfehlten Steuerpolitik der beiden Basel gut profitiert. Beispiel gefällig? Ein Ehepaar, 2 Kinder, Konfessionslos, Jahreseinkommen 250.000.--, Vermögen 1 Mio. zahlt in Augst BL ~40.000.-- für Gemeinde und Kanton, 100 Meter weiter in Kaiseraugst reichen 22.000.--. Die Bundessteuer ist in beiden Fällen natürlich gleich. Bei 2 Mio Vermögen sind die Werte mit 58K vs 25K noch weiter auseinander. Und Nein, ein Vermögen von 1 oder 2 Mio ist nicht superreich, das ist heute Mittelstand. Und bevor der übliche Einwand kommt: Nein, AG ist kein Steuerparadies, AG ist im Mittelfeld der Kantone. Es ist vielmehr so, dass für Wohlhabende BL eine Steuerhölle ist.