Hinrichtung
So lebte es sich als Basler Henker: Oft gebraucht, manchmal verehrt, aber meistens verachtet

Der Henker war eine fast mystische Figur am Rande der Basler Gesellschaft. Das Töten war längst nicht sein einziger Job.

Benjamin Rosch
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Das Bild von Henker Theodor Mengis hängt in Rheinfelden.

Das Bild von Henker Theodor Mengis hängt in Rheinfelden.

zvg

Der Henker war eine fast mystische Figur am Rande der Basler Gesellschaft. Das Töten war längst nicht sein einziger Job.

Im Historischen Museum Basel steht eine schmucke bemalte Truhe. Darin befinden sich die Werkzeuge für Folter und Tod. Rund anderthalb Meter ist sie hoch, darum herum liegen Galgenstricke, ein Brenneisen und eine grobe Schere. In der Kiste aber lehnt lässig das Basler Richtschwert, mit dem der Henker den bedauernswerten Dieben, Unzüchtigen und Mördern den Kopf abschlug. Es ist eine mächtige Waffe, geziert von Reichsadler und Habsburger-Löwe. Als Reichsvögte hatten die Habsburger zumindest bis 1386 die hohe Gerichtsbarkeit in Basel. Später dürfte ein anderes Schwert zur Anwendung gekommen sein.

Zumindest auf dem Papier lässt es sich als Henker gut leben. Er verdient in einer Woche ohne Hinrichtung doppelt so viel wie der Schulmeister, sonst schnell mehr. Der Basler Scharfrichter oder auch Nachrichter wohnt in einem ihm zur Verfügung gestellten Haus am Kohlenberg; selbst Lebensmittel und Kleidung stellt ihm der Stadtrat zur Verfügung. Doch der Preis dafür ist hoch.

«Der Beruf des Henkers ist unehrlich, das heisst, er muss am Rande der Gesellschaft leben», sagt Historiker Dominik Sieber von der Stadtgeschichte Basel. Wortwörtlich: Am Kohlenberg hausen lange jene, denen die Basler Bürger nicht über den Weg trauen. Spielmänner, Prostituierte, Dolenreiniger – und eben der Henker. Er ist so verfemt, dass er auf die Erlaubnis aller anderen Gäste angewiesen ist, will er eine Gaststube betreten.

Dort muss er sich auf einen speziellen dreibeinigen Hocker setzen und aus einem eigens für ihn bereitstehenden gedeckelten Krug trinken. In der Kirche hat er gesondert zu sitzen, das Abendmahl nimmt er als Letzter in Empfang. Bis ins 19. Jahrhundert gilt es als Malefiz, den Sohn oder die Tochter eines Henkers zu heiraten. Da erstaunt es nicht, dass die Familie oft unter sich blieb und sich so ganze Dynastien von Urteilsvollstreckern herausbilden.

Eine solche ist die Familie Mengis. In der halben Schweiz sind sie als Scharfrichter dokumentiert, in der Region seit 1582. Peter Mengis ist es, der die letzte Hinrichtung auf Basler Boden ausführt und die Missetäter am Galgen aufknüpft. Wobei: Es ist falsch, den Henker nur auf seinen Namen zu reduzieren.

Er erfüllt eine breite Palette von Aufgaben, die sonst keiner übernehmen will, darunter alle körperlichen Bestrafungen, die nicht zum Tod des Verurteilten führen. Die peinliche Befragung davor – mehr Folter als Verhör – fällt ebenfalls ihm zu. Dazu legt er den Frauen die Daumenschrauben an und befestigt den Männern die Gewichte an den Beinen.

Der Henker ist als Wasenmeister auch derjenige, der tote Tiere von der Strasse räumt. 1474 muss er sogar einen Basilisken verhindern: Ein Hahn habe ein Ei gelegt und man vermutete darin einen «wurm». Bei der Obduktion des massakrierten Geflügels kamen sogar zwei weitere Eier hervor.

Arzt Felix Platter schätzt die Gesellschaft des Scharfrichters

Es ist nicht einfach die Bereitschaft zum Töten für Geld, die den Henker in Verruf bringt, wie Historiker Valentin Lötscher schreibt. Vielmehr ist es ein ehrfürchtiges Gruseln, eine Verehrung für fast magische Fähigkeiten, die den Scharfrichter umgeben. Das rührt daher, dass der Henker über ein gewisses Wissen der menschlichen Anatomie verfügt und damit sogar in den Stand eines Arztes gelangt.

Es ist belegt, dass der berühmte Basler Arzt Felix Platter sich gerne mit dem Henker unterhielt, der auch sein Patient war. Nachts schleichen sich deshalb die Verzweifelten zum Kohlenberg, um eine Tinktur oder den Rat des Henkers zu erbeten, wenn die Mediziner mit ihrem Latein am Ende sind. Henkersgemahlinnen hingegen verstehen sich auf das Brauen von Liebestränken.

Grösstes Berufsrisiko des Henkers ist es, die Hinrichtung zu verpatzen. Dann kann es vorkommen – mehrere Fälle sind belegt – dass der Scharfrichter selbst zum Gerichteten wird, während der Verurteilte gehen darf. Mit der Begründung, die Todesangst bereits ausgestanden zu haben. Wie wenig das Leben eines Scharfrichters zählt, illustriert auch eine Geschichte aus dem Jahr 1445.

Der Stadtrat leiht seinen Henker nach Delsberg aus, doch auf dem Rückweg überfallen ihn Raubritter. Sie foltern ihn und fordern ein Lösegeld von Basel. Dort scheren sich die hohen Herren jedoch nicht um ihren Diener. Als die Henkersfrau schliesslich den Bürgermeister um Hilfe bittet, schlägt er sie ins Gesicht und sagt, der Stadt würde wohl wenig Ehre zuteil, wenn sie den Richter rettete. Worauf der Henker seinen Verletzungen erliegt.

Lötscher beschreibt die Folgen der Episode so: «Das Gesuch der Witwe um ein Pfund Pfennig für ein christliches Begräbnis wurde abgeschlagen, ja man zwang sie sogar, mit ihren zwei unmündigen Waisen die Amtswohnung zu räumen.»