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Strenge Sunniten und Schiiten betrachten die Aleviten als Ketzer. In der Türkei werden sie nach wie vor nicht als eigene Religionsgemeinschaft anerkannt. Die Basler Regierung sieht das ganze etwas anders.
Die Aleviten haben sich, gemäss gängiger Lehrmeinung, aus der Schia entwickelt, der zweitgrössten Konfession innerhalb des Islam.
Wie die Schiiten sehen sie den Imam Ali als rechtmässigen Nachfolger des Propheten Mohammed. Die Aleviten unterscheiden sich aber massiv von den Hauptströmungen des Islam. Sie beten nicht in Moscheen und lehnen auch andere äusserliche Zeichen des Islam ab.
Selbst sehen sich viele Aleviten nicht als Teil des Islam. Dazu seien die Einflüsse des Zoroastrismus und anderer Religionen auf ihren Glauben zu gross.
Im Zentrum des Alevitentums steht der wiedergeborene Mensch, nicht Gott. (dre)
Die Regierung schlägt dem Grossen Rat vor, die 5000 bis 6000 Aleviten im Kanton anzuerkennen. Damit würde ihnen der gleiche Status zuteil, wie ihn bereits die Christengemeinschaft und die Neuapostolische Kirche geniessen.
Wichtige symbolische Handlung
Ein Status, der weitgehend symbolisch ist. Die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften erhalten Zugang zu den Einwohner- und Steuerdaten des Kantons und einen kleinen Beitrag an die Gefängnis- und Spitalseelsorge.
Diese Rechte könnten auch die anerkannten privatrechtlichen Gemeinschaften beantragen. Gemacht hat es laut dem Finanzdepartement aber noch keine. Ihnen geht es um das Zeichen, Teil der Gesellschaft zu sein.
Die Anerkennung habe eine integrative Wirkung. Dies betont auch Basta-Grossrätin Sibel Arslan, die selber Alevitin ist: «Es ist gut, dass, insbesondere angesichts der negativen Entwicklung in der Türkei, die Aleviten hier Anerkennung erfahren.»
Rund 60 Prozent der in Basel ansässigen Türken sind Aleviten, so die Schätzung des SP-Grossrats Atilla Toptas. Er ist die treibende Kraft hinter der Anerkennung seiner Religion.
Und entsprechend erfreut über die Zustimmung des Regierungsrates: «Die Aleviten zeigen seit zwanzig Jahren, dass sie anpassungsfähig und kooperativ sind. Wir respektieren die hiesigen Regeln und andere Glaubensgemeinschaften».
Dass die Anerkennung keine eigentlichen Vorteile bringe, lässt er nicht unwidersprochen. Für die Aleviten sei gerade der symbolische Aspekt enorm wichtig:
«Die Aleviten sind unter den Osmanen unterdrückt worden und werden in der türkischen Republik unterdrückt. Darum ist es für uns enorm wichtig, dass wir hier in unserer Wahlheimat Basel Anerkennung erfahren.»
Ein verwaltungsrechtlicher Akt
Warum die Aleviten gerade jetzt und vor anderen Religionsgemeinschaften anerkannt werden sollen, erklärt der Sprecher des Finanzdepartementes, Kaspar Sutter, mit verwaltungstechnischen Abläufen:
«Das Gesuch an den Grossen Rates wurde dem Regierungsrat überwiesen. Und nachdem das Gesuch der Neuapostolischen Kirche zunächst zurückgewiesen wurde, haben wir nochmals vertieft mit den Fraktionen und den Religionsgemeinschaften die Anerkennungspraxis und der Inhalt der Überprüfung besprochen.»
Denn anerkannt wird eine Gemeinschaft erst, wenn sie gewisse Auflagen erfüllt. Diese sind vor allem juristischer Natur, so müssen klare Ansprechpersonen und Strukturen vorhanden sein.
Ausserdem muss eine Buchhaltung vorliegen. Eine Prüfung der religiösen Inhalte ist rechtlich nicht vorgesehen.
Die Freude an der Identität
Für Atilla Toptas sind diese rechtlichen Themen zweitrangig. Er freut sich vor allen Dingen über eines «In Zukunft kann ich mich in allen Dokumenten als ‹Alevit› bezeichnen.
Ich bin offiziell nicht Angehöriger einer religiösen Splittergruppe, sondern einer anerkannten Religion.» Vor der Diskussion im Grossen Rat hat er keine Angst, dort sei schon viel Vorarbeit geleistet worden:
«Am Anfang der ersten Debatte über meinen Vorstoss zur Anerkennung wussten viele nur wenig über die Aleviten.» So merkte zum Beispiel ein Ratskollege erst, dass Toptas kein Muslim ist, als sie zusammen ein Bier tranken.