Leihgabe
Kunstsammlung Grether: Gastspiel im Basler Kunstmuseum heizt Spekulationen an

Das Kunstmuseum ergänzt seine Dauerausstellung zurzeit mit surrealen Meisterwerken aus der Privatsammlung der Basler Kosmetik-Unternehmerin Esther Grether. Dahinter steckt Kalkül: Es geht um die Zukunft einer der weltweit bedeutendsten Kunstsammlungen.

Christian Mensch
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Esther Grethers Privatmuseum
7 Bilder
Auch er wird ausgeliehen: «Homme qui chavire» von Giacometti.
Ansichten aus Esther Grethers Privatmuseum in einem Hinterhaus der Firma Doetsch Grether AG bei der Basler Heuwaage.
Ansichten aus Esther Grethers Privatmuseum in einem Hinterhaus der Firma Doetsch Grether AG bei der Basler Heuwaage.
Ansichten aus Esther Grethers Privatmuseum in einem Hinterhaus der Firma Doetsch Grether AG bei der Basler Heuwaage.
Ansichten aus Esther Grethers Privatmuseum in einem Hinterhaus der Firma Doetsch Grether AG bei der Basler Heuwaage.
Ansichten aus Esther Grethers Privatmuseum in einem Hinterhaus der Firma Doetsch Grether AG bei der Basler Heuwaage.

Esther Grethers Privatmuseum

ProLitteris, Bildpunkt, Robert Bayer

Bei der Basler Heuwaage, in dem Hinterhaus, das einst eine Druckerei beherbergte, verbirgt sich ein Schatz. Rund 600 Kunstwerke von Weltgeltung sind in einem musealen Umfeld arrangiert. Ihr Wert wird auf mehrere hundert Millionen Franken geschätzt. Es ist kein klassisches Privatmuseum, sondern der Lebensraum der Sammlerin Esther Grether.

19 Werke aus dieser Sammlung sind nun für ein halbes Jahr im Basler Kunstmuseum zu sehen. Ein impressionistisches Gemälde von Paul Cézanne ist darunter, dazu charakteristische Zeichnungen und Skulpturen von Alberto Giacometti, ein Set skurriler Werke von René Magritte, ein surrealistisches Bild von Salvador Dalí. Allesamt sind sie Bereicherungen der ohnehin reichen Basler Kunstsammlung, auch wenn sie nicht zu den spektakulärsten Exponaten der Sammlung Grether zählen, die nun gezeigt werden.

Mehrfaches Bemühen um die Sammlung Grether

Direktor Josef Helfenstein spricht von einem «Gastspiel», das die Familiensammlung im Kunstmuseum habe. Doch welches Spiel der Gast damit betreibt, ist offenkundig auch ihm verborgen. Seit Jahren wird über die längerfristige Zukunft der Sammlung gerätselt. Die Nachkommen der Sammlerin zeigen kein erkennbares Interesse, das Kunstprojekt weiterzuführen. Unzählige Male haben das Kunstmuseum wie die Fondation Beyeler hofiert, um bei einer Schenkung in der Poleposition zu stehen. Vergeblich. Auch frühe Versuche, die Werke in eine Stiftung einzubringen, sind gescheitert.

Aus der Geschichte heraus hat die Fondation Beyeler die besseren Karten, die Sammlung übernehmen zu können. Hans Grether, der einstige Patron des Kosmetik- und Heilmittelkonzerns Doetsch Grether, war nicht nur ein guter Kunde beim Galeristen und Museumsgründer Ernst Beyeler, er agierte zeitweise auch als dessen Bank. Als Beyeler für grosse Deals auf Barmittel angewiesen war, half Grether aus. Als die Fondation zudem den Bau eines zweiten Hauses ankündigte, galt dessen Konzept auf die Sammlung Grether zugeschnitten; es sei für die Präsentation weiterer Privatsammlungen konzipiert.

Auch er wird ausgeliehen: «Homme qui chavire» von Giacometti.

Auch er wird ausgeliehen: «Homme qui chavire» von Giacometti.

Bildpunkt, Robert Bayer

Das Kunstmuseum stand unter diesen Voraussetzungen in der zweiten Reihe. Helfenstein musste bei der Medienpräsentation tief in der Geschichte graben, um eine Verbindung zwischen den Sammlern und dem Museum herzustellen. Er fand sie, weil Hans Grether einst massgeblich zur Gründung der Giacometti-Nachlassstiftung beigetragen hatte und die einen Viertel des Bestands in Basel ausgestellt hat. Helfenstein hätte auch anfügen können, Esther Grether habe dem wieder entschlafenen Patronatskomitee angehört, das versprochen hatte, dem Museum jährlich Millionen zuzutragen.

Familie will nicht «den grossen Auftritt»

Es war denn auch eher überraschend, als vor einem Jahr, wie Helfenstein erzählt, die Sammlung auf das Museum zugekommen sei mit dem Angebot, Werke ausstellen zu können. Längere Gespräche habe es gegeben. Das Resultat könnte unsicherer nicht sein. Schon das Datum, wann die Bilder zurückgebracht werden müssen, ist unklar. Ebenso, ob das Museum frei auswählen konnte.

Hätte die Familie Grether den grossen Auftritt im Kunstmuseum gewollt, hätte sie ihn bekommen. Helfenstein hätte ganze Etagen leergeräumt, um die bisher verborgenen Blockbuster der Kunstgeschichte zeigen zu können. Alleine mit der Sammlung mehrteiliger Werke des Briten Francis Bacon hätte er eine eindrückliche Ausstellung bestücken können. Das wollte die Familie nicht. Aber was will sie dann?

An der Medienpräsentation war der Leihgeber nicht vertreten. Als Sprecher der Sammlerin agiert der Basler Anwalt Benedikt Suter. Er sagt auf Anfrage: «Die Medienkonferenz stand alleine im Ermessen des Kunstmuseums. Die Eigentümer der ausgeliehenen Kunstwerke waren nicht involviert.» Auf die Frage, welche Pläne die Familie mit der Sammlung habe, sagt Suter: «Es handelt sich um Privatangelegenheiten, die ich weder beantworten noch kommentieren kann.»

Oliver Wick kümmert sich um die Sammlung

Mehr könnte Oliver Wick sagen. Er ist vom Familienvertreter Suter beauftragt, sich um die Sammlung zu kümmern. Doch Wick, der in Basel als Berater arbeitet und Kunstdeals einfädelt, ist nicht zu sprechen. Immerhin erklärt seine Person, weshalb die «Appetizer»-Show nicht in der Fondation Beyeler stattfindet; mit ihr verbindet sich eine unschöne Geschichte.

Wick war Angestellter der Fondation und kuratierte die grosse Ausstellung des amerikanischen Künstlers Mark Rothko. Es stellte sich jedoch heraus, dass er als Rothko-Experte bei Beyeler eine Fälschung ausgestellt hatte, die nach der Show für Millionen der Hilti Stiftung verkauft wurde. Mehr noch. Wick hatte auch ein anderes, ebenfalls gefälschtes Rothko-Bild einem Käufer vermittelt und dafür 450'000 Dollar erhalten. In Basel wurde er dafür 2016 vom Vorwurf der Geldwäscherei freigesprochen. Ein Strafverfahren, das in New York geführt wurde, endete 2017 in einem Vergleich.

Sammlung wieder im Fokus des Kunstmarktes

Wick hatte bereits vor einigen Jahren der Grether-Familie einen Käufer für ein Bild aus der Sammlung präsentiert, erzählte ein Familienmitglied. Der Verkauf kam nicht zustande. Sollte die Sammlung jedoch nicht zusammenbleiben, sondern die Werke einzeln verkauft werden, so ist Wick der richtige Mann mit der richtigen Strategie: Mit dem Gastspiel im Basler Kunstmuseum setzt er die Sammlung Grether, um die es in den vergangenen Jahren sehr ruhig geworden ist, wieder wuchtig auf die Agenda des internationalen Kunsthandels. Die ausgeliehenen Stücke werden zudem nicht als Teil einer Sammlung präsentiert, sondern vielmehr als kostbare Solitäre. Wollte jemand den besten Preis auf dem Kunstmarkt erzielen, würde er dieses Vorgehen wählen.

Die Hoffnung, vielleicht eines Tages doch noch die Sammlung Grether beheimaten zu können, stirbt aber zuletzt. Direktor Helfenstein sagt: «Wir würden bei einer Dauerleihgabe nicht Nein sagen.»