Theater
Herre-n-Owe Milhüsa – Hier sind Männer noch unter sich

Der Herre-n-Owe in Mulhouse ist nicht irgendein Herrenabend. Es ist ein Freudenfest auf Elsässisch.

Felix Rudolf von Rohr
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Herre n owa
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Herre n owa

Guy Buchheit

Es ist paradox. Oder ist es gerade logisch? Im Dreiland blühen die Mundart-Theater ganz besonders im Elsass, vielleicht eben für die unentwegte Pflege des vielerorts fast totgesagten «Elsässer Ditsch». In jedem zweiten Dorf, vom Sundgau bis weit ins Unterland, zwischen Vogesen und Rhein, werden Jahr für Jahr Dialekt-Stücke aufgeführt, meistens fröhliche Schwänke, aber auch ernste historische Themen, Kindermärchen oder Weihnachts-Aufführungen. Allein in Mulhouse sind es vier Truppen, die seit Jahren Mundart und Laientheater pflegen. Der älteste Verein, das E.T.M. (Elsasser Theater Milhüsa) oder T.A.M. (Théâtre Alsacien de Mulhouse) ist nun bereits seit 111 Jahre alt und präsentiert seine Aufführungen seit langer Zeit im wunderschönen alten Stadttheater, das am 6. Januar 1868 eingeweiht wurde und nun also seinen 150. Geburtstag feiert, in Plüsch, mit Orchestergraben und Kronleuchtern wie eh und je.

Gleich nebenan entdeckt man das Hausschild «Théâtre Lucien Dreyfus». Lucien Dreyfus, Officier de la Légion d’Honneur und Grand Officier de l’Ordre National du Mérite, nach dem in Mulhouse auch ein öffentlicher Platz benannt ist, war viele Jahre Präsident des T.A.M. . Im ersten Stock des alten Hauses an der Rue de la Sinne 41 befindet sich der Theatersaal. Es ist ein Saal, wie ihn manche in Jugendzeiten noch in den oberen Etagen oder als Nebensäle ordentlicher Gaststätten gekannt haben. Nicht gerade hoch, aber mit einer heimeligen Bühne und genügend Raum um ein paar hundert Stühle hineinzupferchen für eine ausverkaufte Vorstellung. Hier wird geprobt, kleinere Theaterstücke werden dargeboten, und vor allem geht hier jedes Jahr vom Januar bis im März der legendäre «Herre-n-Owe» über die Bretter.

Alte Traditionen

Rückblende: 1899 kamen ein paar Protagonisten des T.A.M. auf die glorreiche Idee, in der Fasnachtszeit einen Schnitzelbank zu singen. Ob sie vom aufkeimenden Schnitzelbankwesen in Basel dazu animiert waren? Man weiss es nicht. Für den Auftritt wählten sie einen richtigen Herrenabend im intimen Kreis im noch heute bekannten «Café Moll» an der Wildmann-Strasse in Mulhouse. Für «Herre mit Schlips», wie man es nannte. Man erschien in Smoking und Frack.

Man genoss zum Schnitzelbank Champagner und Kaviar. Der Anlass hatte auf Anhieb Erfolg und wurde gleich zur Tradition. Nach und nach, leider unterbrochen durch die beiden Weltkriege, entwickelte sich der Spass zu einer alljährlichen satirischen Bühnen-Schau für ein breiteres Publikum mit Sketchs, vielen Versen, Liedern und auch Musikbegleitung.

Immer mehr Humor

Nach dem Krieg, 1946, war es Robert Petit, der den Herre-n-Owe mit seinem Humor und Ideenreichtum zum endgültigen Durchbruch verhalf. Dann kamen die Jahrzehnte mit Tony Troxler und Freddy Willenbucher alias «Fladribarsch, le Magnifique» und «Profásser Fláscheputzer». Die beiden Urgesteine, begleitet von Albert Schnell und Seppele Schmitt mit seinen sechs- oder siebenhundert Liedertexten, waren nicht nur die geistigen Väter unzähliger Herre-n-Owe, sondern auch unentwegte Kämpfer für Pflege und Erhalt des Elsässer Deutsch.

Und heute? Der Herre-n-Owe folgt unentwegt der über 100-jährigen Tradition und erfreut sich grösster Beliebtheit. Christian Ketterlin animiert, führt Regie, schreibt Texte, Verse und Lieder mit Daniel Pfister. Auf der Bühne wird kein Blatt vor den Mund genommen. Kaum jemand aus der Prominenz in Politik und Gesellschaft wird geschont. «Elsásser Ditsch» wird gepflegt, dass es eine Freude ist. Und es darf auch immer wieder einmal unter die Gürtellinie gehen, da es sich ja schliesslich um einen Herre-n-Owe handelt. Auf der Bühne spielen selbstverständlich nur Männer, natürlich auch in den Frauenrollen (allerdings ist das Schminken, Kostümieren und Soufflieren ihren Damen überlassen).

Und im Publikum sind konsequent nur Herren zugelassen. 1928 waren es noch zwei Vorstellungen. Heute wird der Saal an 16 Abenden so ausverkauft und vollgestopft, dass manch einer keine Chance mehr hat, eine Karte zu ergattern.

Ein Telefonanruf hilft

Wer sich als Basler den Besuch an der Sinne leisten will, der muss sich schon zum verschworenen Zirkel herantasten, der dank freundschaftlichen Beziehungen zum französischen Nachbarn seit 24 Jahren mit einer auf hundert Mannen limitierten Gruppe eine Vorstellung geniessen darf. Oder man ruft einmal die Telefonnummer 0033 642 334582; vielleicht hat Mann dann eine Chance.

Zum Schluss gehört aber auch dem holden Geschlecht der Mülhauser ein Kranz gewindet. 2002 ergriff Huguette Dürr die Initiative, Gegenrecht zu halten. Und seither gibt es als Pendant auch den Dame-n-Owe im «Herre-n-Owe Saal». Was die Couplets und Chansons unter der Gürtelline betrifft, so stehen die Damen den Herren in Nichts nach. Es soll gelegentlich noch deftiger sein.
Honni soit qui mal y pense.