Regionalwahlen
Erster Wahlgang: Fast jeder Dritte im Elsass wählt den Front National

Der rechtsextreme Front National liegt im ersten Wahlgang der Regionalwahlen im Elsass mit 32,3 Prozent vorn. Dennoch schneiden die Rechtsextremisten im Elsass am schlechtesten ab im Vergleich zu den anderen Departementen der Grossregion.

Peter Schenk
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In Strassburg musste sich der Front National (FN) mit Platz drei begnügen. Der Maire der Europastadt ruft die Demokraten auf, den FN-Sieg zu verhindern.

In Strassburg musste sich der Front National (FN) mit Platz drei begnügen. Der Maire der Europastadt ruft die Demokraten auf, den FN-Sieg zu verhindern.

Getty Images/iStockphoto

Mit 32,3 Prozent der Stimmen liegt der rechtsextreme Front National (FN) im Elsass im ersten Wahlgang der Regionalwahlen 1,2 Prozent vor dem Bürgerlichen Philippe Richert, der mit seinen Républicains auf 31,1 Prozent kam. Damit stimmt zwar fast jeder Dritte Elsässer für die Rechtspopulisten von Marine Le Pen, im Vergleich zur neuen Grossregion Elsass/Champagne-Ardenne/Lothringen aber ist der Vorsprung des FN gering.

Heimvorteil für Bürgerliche

Dort nämlich distanzierte Fabian Philippot, Vizepräsident des FN, den derzeitigen bürgerlichen Präsidenten der Region Elsass, Philippe Richert, um mehr als zehn Prozentpunkte und erreichte 36,1 Prozent. Im Departement Bas-Rhin aber konnte Richert, der früher auch Präsident des unterelsässischen Generalrats war, seinen Heimvorteil ausspielen. Als einziges von zehn Departements in der Grossregion lag er hier mit 33,9 Prozent der Stimmen 2,6 Prozent vor dem FN. In Strassburg, das vom linken Maire Roland Ries regiert wird, musste sich die extreme Rechte hinter Richert und dem Sozialisten Jean-Pierre Richert mit 18,7 Prozent mit dem dritten Platz begnügen.

Besser lief es für den FN im südelsässischen Departement Haut-Rhin, das an Basel grenzt. Hier lag er mit 34,7 Prozent 6,7 Prozent vor Richert. Trotz dieses guten Abschneidens war dies das zweitschlechteste Ergebnis des FN in den zehn Departements der neuen Grossregion – ein Paradox, wurden doch die Regionen Lothringen wie auch Champagne–Ardennes bisher von der Linken regiert.

FN lange in Mulhouse stark

In den grösseren Städten Mulhouse und Colmar blieb Richert kurz vor dem FN – insbesondere in der alten Arbeiterstadt Mulhouse ist die extreme Rechte seit Jahrzehnten stark. 1989 konnte nur ein Front Républicain zwischen dem vorherigen bürgerlichen Maire Joseph Klifa und dem damaligen Sozialisten und seinem Nachfolger Jean-Marie Bockel die Übernahme der Stadt durch den FN verhindern. Diesmal lagen die Bürgerlichen mit 30,5 Prozent gegenüber 29 Prozent für die Rechtspopulisten um 291 Stimmen vorne.

Regionalwahlen Elsass 2015

Regionalwahlen Elsass 2015

bz

Eine grosse Überraschung war das Abschneiden der autonomistischen Partei Unser Land, die im gesamten Elsass 11,1 Prozent erzielte und ihre Hochburg mit 12,7 Prozent der Stimmen im Haut-Rhin hat. Die regionalistische Bewegung ist aus dem Widerstand gegen die Gebietsreform entstanden, die insbesondere im Elsass viele Gegner hat. Sie setzt sich für mehr Selbstständigkeit gegenüber dem Zentralstaat ein.

Im Wahlkreis Saint-Louis erzielte Spitzenkandidat Jean-Georges Trouillet sogar 20,5 Prozent der Stimmen. Viele politische Beobachter waren davon ausgegangen, dass die regionalistische Bewegung nach den Massendemonstrationen gegen die Gebietsreform und den Departementswahlen vom März 2015 wieder in der Versenkung verschwinden würden. Stattdessen aber haben sie sich als dritte politische Kraft im Elsass etabliert, auch wenn sie aufgrund der fehlenden Verankerung in den Regionen Champagne–Ardennes und in Lothringen insgesamt in der Grossregion mit 4,7 Prozent die Fünfprozenthürde verfehlten. Diese ist Voraussetzung für die Fusion mit anderen Listen und für die Wiedererstattung eines Teils der Wahlkampfkosten.

«Das war ein Erdbeben. Nach den Attentaten von Paris haben die nationalen Themen wie die Sicherheit den Wahlkampf bestimmt.» Philippe Richert, Spitzenkandidat der Bürgerlichen «Les Républicains»

«Das war ein Erdbeben. Nach den Attentaten von Paris haben die nationalen Themen wie die Sicherheit den Wahlkampf bestimmt.» Philippe Richert, Spitzenkandidat der Bürgerlichen «Les Républicains»

zVg/Philippe Stalder

Autonomisten dritte Kraft

Die Regionalisten liessen sogar die Sozialisten hinter sich, die in Paris immerhin die Regierung stellen. Diese erzielten im Elsass gerade noch 10,3 Prozent – ein regelrechtes Debakel, auch, wenn man berücksichtigt, dass das gesamte Elsass nie eine linke Hochburg war und als einzige der französischen Regionen durch die Bürgerlichen regiert wurde. Ganz schlimm kam es im Haut-Rhin, wo die Sozialisten 9,5 Prozent erzielten und somit das schlechteste Ergebnis in der gesamten Grossregion einfuhren. Im Wahlkreis Saint-Louis, wo der Front National auf 30,5 Prozent kam, mussten sie sich gar mit 7,3 Prozent zufriedengeben. Die Zeiten, als im industrialisierten Südelsass und auch in Mulhouse die Arbeiter traditionell die Linke unterstützten, sind gründlich vorbei. Im gesamten Elsass stimmten 63 000 Personen für die Sozialisten, das sind noch zwei Drittel der letzten Regionalwahlen.

Obwohl die Grünen gegenüber den letzten Regionalwahlen 2010, als sie 15,6 Prozent der Stimmen erreichten, erhebliche Verluste einfuhren, konnten sie dennoch mit den erreichten 7,9 Prozent zufrieden sein. 2010 war ein ausserordentlich gutes Ergebnis, ausserdem war es dieses Jahr zu einer Spaltung gekommen, weil zum Beispiel die altgediente, erfahrene Grünen-Politikerin und Regionalrätin Andrée Buchmann auf der Liste der Sozialisten angetreten war. Spitzenkandidatin Sandrine Bélier schnitt dabei im Bas-Rhin mit 8,2 Prozent etwas besser ab als im Haut-Rhin mit 7,5 Prozent.