Gebietsreform
Das Elsass wehrt sich gegen geplante Gross-Fusion

Paris will das Elsass mit Lothringen und der Champagne zusammenlegen – der Widerstand wächst. Die Elsässer befürchten, ihre Identität im neuen Gebilde von 5,5 Mio. Einwohnern zu verlieren.

Peter Schenk
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Die Elsässer sind mehrheitlich gegen die geplante Gebietsreform, ein prominenter Gegner ist Charles Buttner (links), Präsident des Generalrats des Departements Oberelsass – hier mit anderen Politikern an einer Medienkonferenz vom 25. August in Colmar.

Die Elsässer sind mehrheitlich gegen die geplante Gebietsreform, ein prominenter Gegner ist Charles Buttner (links), Präsident des Generalrats des Departements Oberelsass – hier mit anderen Politikern an einer Medienkonferenz vom 25. August in Colmar.

Keystone

Das Elsass wehrt sich mit Händen und Füssen dagegen, mit den Regionen Lothringen und Champagne-Ardenne fusioniert zu werden. Die linke französische Regierung erhofft sich durch die Gebietsreform eine schlankere Bürokratie und so die Senkung der Staatsausgaben. Die Entscheidung, aus 22 Regionen deren 13 zu machen, war im Juli in der Pariser Nationalversammlung gefallen, vergleichbar dem Nationalrat.

Mittlerweile haben fast 54'000 Elsässer im Internet eine fusionskritische Petition des bürgerlichen Maire von Mulhouse, Jean Rottner, unterzeichnet. Darin werden die Elsässer aufgerufen, «ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen», um dieses nicht weiter zu «erleiden». Die Petition drückt die Sorge aus, dass das Elsass seine Identität im neuen Gebilde von 5,5 Millionen Einwohnern verlieren könnte.

Widerstands-Nest Sundgau

Kritisch sehen auch die drei Parlamente des Unter- und Oberelsass sowie der Region Elsass die geplante Fusion. Am 22. September sprachen sich 101 von 122 Gewählten stattdessen für ein Gegenprojekt aus: Die beiden Departements und die Region sollen in einer Struktur zusammengefasst werden, die sich auf das Elsass beschränkt.

Der sogenannte «Conseil Unique» war in einem Referendum vom 7. April 2013 schon einmal vom Volk abgelehnt worden. Damals hatte sich insbesondere Charles Buttner, Präsident des Generalrats Oberelsass, gegen das neue Einheits-Elsass ausgesprochen. Wuchtig verworfen wurde die Strukturreform vor allem im Süden des Elsass. Heute erscheint sie als Gegenprojekt zur drohenden Grossfusion mit Lothringen und Champagne-Ardenne und damit als mögliche Bewahrerin der elsässischen Identität – und somit als das kleinere Übel.

Demonstration in Strassburg

Morgen Samstag wird sich zeigen, ob die Kritik an den Pariser Plänen auch massentauglich ist. Dann soll in Strassburg gegen das Vorhaben der Regierung demonstriert werden. Aufgerufen dazu haben neben den Präsidenten der drei elsässischen Parlamente auch Organisationen wie die Handels- und Gewerbekammern.

Die Ausgangslage ist ähnlich wie in den achtziger Jahren. Obwohl die Elsässer im Gegensatz zu anderen französischen Regionen selten auf die Strasse gehen, um ihre Interessen zu vertreten, hatten 1984 10 000 Personen gegen die Entscheidung der Pariser Regierung protestiert, einen Teilchenbeschleuniger nicht – wie versprochen – in Strassburg anzusiedeln. Damals wie heute war in Paris die Linke an der Macht und wurde das Elsass bürgerlich regiert.

In Fusionsfrage gespalten

Die linken elsässischen Politiker sind in der Fusionsfrage gespalten. Ein Teil hat für den elsässischen «Conseil Unique» gestimmt. Andere setzen sich für eine Fusion mit Lothringen ein, die ihnen – trotz Loyalität zur eigenen, linken Regierung – organischer erscheint, als das grosse Gebilde mit der Champagne-Ardenne.

Im Herbst kommt die Gebietsreform noch in die zweite französische Kammer, den Senat, vergleichbar dem Ständerat, wenn auch mit weniger Kompetenzen. Bei den Neuwahlen zum Senat im September hatte die Linke ihre Mehrheit verloren. Von den neun elsässischen Senatoren sind neun bürgerlich und zwei Sozialisten.

Trotz der Vorherrschaft der Bürgerlichen war die Sozialistin Patricia Schillinger, ehemalige und abgewählte Bürgermeisterin von Hégenheim, in ihrem Amt bestätigt worden. Ihr Argument, dass das Südelsass einen direkten Zugang zur linken Pariser Regierung brauche, mag verfangen haben. Die Senatoren werden nicht vom Volk gewählt, sondern von 4700 «grands électeurs», gewählten elsässischen Politikern.

Empfang beim Parteifreund

So zählte Patricia Schillinger zu den sechs linken elsässischen Politikern, die diese Woche von Premierminister Manuel Valls in Paris empfangen wurden. Valls sicherte ihnen zu, dass Strassburg – bei welcher Form von Fusion auch immer – zur Hauptstadt der neuen Struktur gekürt werden würde.

Ob diese Zusage die Elsässer davon abhalten wird, am Samstag zu demonstrieren, ist fraglich. Die bürgerlich regierte Region Elsass, die auch für den öffentlichen Verkehr zuständig ist, tut ihrerseits alles, um die Bürger in ihrem Sinne zu mobilisieren. So kostet die Retourfahrt zur Demonstration nach Strassburg von jedem elsässischen Bahnhof aus am Samstag lediglich fünf Euro – Tram- oder Busticket inbegriffen.