Startseite
Basel
Basel Stadt
Das nennt man Bad Timing: Die vier öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen in Basel-Stadt treiben ihre Steuern ab 2021 nicht mehr selber ein, sondern geben die Aufgabe an den Kanton ab. Einen schlechteren Zeitpunkt für den Wechsel gäbe es kaum.
«Es ist tatsächlich viel Pech dabei, dass die Umstellung gerade jetzt kommt. Aber das konnte niemand ahnen.» Was Matthias Zehnder, Sprecher der Reformierten Kirche Basel-Stadt, für seine Arbeitgeberin sagt, trifft auf sämtliche öffentlichrechtlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften im Stadtkanton zu. Alle vier werden die Coronakrise doppelt zu spüren bekommen. Grund ist eine Systemumstellung bei den Kirchensteuern, die beschlossen wurde, als die Welt anders aussah.
Bislang haben die Evangelisch-reformierte, die Römisch-katholische und die Christkatholische Kirche sowie die Israelitische Gemeinde Basel ihre Steuern selber eingezogen. In diesen Tagen jedoch verschicken sie zum letzten Mal Steuerrechnungen mit ihren Emblemen drauf. Ab kommendem Jahr übernimmt diese Aufgabe die kantonale Steuerverwaltung – mit einem entscheidenden Unterschied.
Der Systemwechsel bringt es mit sich, dass ein Jahr übersprungen wird. Der buchhalterische Kniff wurde nötig, weil die Steuerbüros der Kirchen und des Kantons anders funktionieren. Die Kirchen waren bei ihrer Steuerrechnung jeweils zwei Jahre im Verzug: Sie stützten sich auf die Veranlagung des Kantons des Vorjahres. Das heisst: Die Steuern, welche die Gläubigen 2020 bezahlen müssen, fussen auf der Veranlagung 2018.
Weil nun der Kanton das Zepter übernimmt, ändert sich das. Er treibt die Steuern jeweils für das vergangene Jahr ein. Das bedeutet: Die Kirchensteuern 2021 basieren auf der Steuerrechnung 2020. Und weil das laufende Jahr finanziell für wohl nicht wenige Mitglieder miserabel ausfallen wird, bekommen das die Kirchen bereits kommendes Jahr zu spüren statt mit einem Jahr Puffer dazwischen.
Doch damit nicht genug. Wegen des Regimewechsels wird 2019 übersprungen – ausgerechnet ein Jahr mit üppigen Steuereinnahmen. Der dritte Dämpfer: Der Corona-Lockdown betrifft auch die Osterzeit, in der viel gespendet wird. Dieses Geld fehlt jetzt zu einem grossen Teil.
«Es gibt noch keine Überlegungen dazu, wie wir diesen Ausfällen begegnen können», schreibt Matthias Zehnder von der Evangelisch-reformierten Kirche. Auch sei die Höhe der Ausfälle nicht klar. Kaum anders tönt es von der Römisch-katholischen Kirche. Sprecher Matthias Schmitz schreibt, man könne die Höhe der Fehlbeträge ebenfalls noch nicht abschätzen. Emmanuel Ullmann, Präsident der Israelitischen Gemeinde Basel, sagt auf Anfrage, die aktuelle Situation bereite dem Vorstand Sorgen. «Wir haben die möglichen Ausfälle aber noch nicht detailliert angeschaut.» Der mögliche Fehlbetrag wegen der Umstellung des Steuersystems sei hingegen «überschaubar».
Zuversichtlich gibt sich die Christkatholische Kirche Basel-Stadt. Sie teilt mit, sie habe «ausreichende Rückstellungen getätigt» und sei als kleine Kirche mit rund 700 Mitgliedern flexibel. Sie rechne damit, dass der Einnahmeverlust im «tragbaren Rahmen» bleibe.
Die Kirchen gaben das Inkasso ihrer Steuern dem Kanton ab, weil er seine Software umstellt. Es wären teure Anpassungen notwendig geworden. Eine Besonderheit des Stadtkantons kommt den Kirchen entgegen. Unternehmen leiden besonders stark unter der Coronakrise. Doch Basel-Stadt kennt keine Kirchensteuern für juristische Personen. Somit werden die Basler Kirchen – im Gegensatz zu anderen Kantonalkirchen – zumindest diese Delle nicht spüren.
Beide Basel haben bereits beschlossen, dass sie den Steuerzahlenden entgegenkommen. Wer wegen der Coronakrise knapp bei Kasse ist, kann sich in beiden Kantonen länger Zeit lassen, die Steuerschulden zu begleichen, in Basel-Stadt haben natürliche Personen bis Ende Mai statt bis Ende März Zeit, im Baselbiet bis Ende September statt bis Ende März. Baselland verzichtet zudem auf Verzugszinsen.
Nun hat auch die Evangelisch-reformierte Kirche Basel-Stadt entschieden, den Mitgliedern einen Zahlungsaufschub zu gewähren. In der Regel muss die Kirchensteuer in zwei Tranchen beglichen werden, im Frühling und im Herbst. Dieses Jahr jedoch kann der gesamte Betrag erst im Herbst geleistet werden, also per 30. September.
Die Römisch-katholische Kirche Basel-Stadt wiederum teilt mit, bei ihr seien schon zuvor beide Tranchen Ende September fällig gewesen. Aufschubgesuche würden jedoch «so kulant wie möglich behandelt».
Die ERK nahm 2018 total 15,7 Millionen Franken an Kirchensteuern ein, die RKK rund 11 Millionen. (bwi)