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Nach vermehrten Unfällen in den letzten Wochen: Gehören Sportwagen auf die Strasse?

Unfälle mit PS-starken Autos werfen die Frage auf, ob Sportwagen von den Strassen verbannt gehören. Ein Ausflug mit dem Porsche 911 GT2 RS auf die Rennstrecke zeigt, dass Handlungsbedarf besteht.

Philipp Aeberli
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Im Windschatten des Profis: Richard Lietz (vorne am Steuer) führt die Kunden sicher über den Kurs. Bild: Frank Ratening
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Edel: das Interieur eines Sportwagens. Bild: Frank Ratening.
Richard Lietz gibt unserem Autor Tipps, wie man sich am Steuer richtig verhält. Bild: Frank Ratening

Im Windschatten des Profis: Richard Lietz (vorne am Steuer) führt die Kunden sicher über den Kurs. Bild: Frank Ratening

CH Media

«Ich habe aufs Gas gedrückt, dann ist das Heck einfach ausgebrochen», solche Sätze konnte man in den letzten Wochen immer wieder lesen. Unfälle mit leistungsstarken Fahrzeugen auf unseren Strassen haben sich regelrecht gehäuft.

Bei fast allen liegt die Vermutung nahe, dass die Fahrer nicht mit der enormen Leistung zurechtkamen, sich selbst überschätzten und zudem die Stabilitätskontrolle ausgeschaltet hatten. Soll man nun Altersgrenzen für leistungsstarke Wagen festlegen? Oder sie gar gänzlich verbieten, wie es viele Kommentarschreiber unter den Online-Artikeln fordern?

Sinnvoller wäre es wohl, sich nicht mit der Maschine, sondern mit dem Menschen am Steuer zu befassen. Denn: Wer ein Auto mit Hunderten von PS bewegt, trägt eine Verantwortung – und sollte dieser gewachsen sein. Dazu zählt auch, dass man das Auto zu beherrschen lernt.

Das Angebot an Fahrsicherheitstrainings ist gross. Porsche beispielsweise bietet vom einfachen Antischleuderkurs bis hin zur kompletten Rennfahrer-Ausbildung fast alles an. Ziel ist es, den Kunden auf der Rennstrecke die Möglichkeit zu geben, Fahrspass zu erleben – und damit gleichzeitig das eigene Fahrkönnen zu verbessern.

Dazu zählt auch der jährlich ausgetragene Porsche Sports Cup Suisse, bei dem sich Neulinge und erfahrene Amateurpiloten auf der Rennstrecke messen können. Als Einstieg empfiehlt sich die «Introduction to Racetrack», wo Kunden mit ihrem eigenen Auto mithilfe professioneller Instruktoren die Grundsätze des Fahrens auf einer Rennstrecke erlernen können.

Das Einmaleins mit erfahrenem Piloten erlernen

Routiniertere Fahrer können sich in der «Drivers Challenge» in Gleichmässigkeitsprüfungen messen – oder schliesslich im «Sports Cup» in verschiedenen Kategorien mit Renn- oder Strassenautos um den Sieg fahren. Die Saison wird auf Rennstrecken im angrenzenden Ausland ausgetragen.

Zum Saisonfinale in Misano gewährt Porsche nicht nur einen Einblick in den Rennalltag, sondern stellt mit Profi-Rennfahrer Richard Lietz auch gleich einen erfahrenen Instruktor zur Seite. Und der ist auch nötig: Um die Rennatmosphäre hautnah zu erleben, geht es ab auf die Strecke – am Steuer eines Porsche 911 GT2 RS mit 700 PS.

«Wir lassen es langsam angehen. Zuerst machen wir uns mit dem Auto und der korrekten Linie vertraut», meint Lietz über Funk aus dem vorausfahrenden Auto. «Erst dann steigern wir das Tempo, beschleunigen früher und bremsen später, aber härter.»

Gesagt, getan. Und alles andere als leicht. Denn auf der Strecke sind zahlreiche Piloten mit mehr Erfahrung unterwegs. Es braucht viel Umsicht, um den Überholenden nicht im Weg zu stehen und gleichzeitig selbst auf der richtigen Linie zu bleiben. Erschwerend kommt der Gummiabrieb auf der Strecke, die oft für Motorradrennen genutzt wird, hinzu.

Die Sportreifen des GT2 RS sind, wenn sie warm gefahren sind, richtig klebrig und ziehen diese Gummistücke regelrecht an

, erklärt der Rennfahrer. Durch diesen Schmutz findet der Reifen viel weniger Grip, das Auto fährt sich deutlich unruhiger. Doch selbst unter diesen Umständen bleibt der 700-PS-Hecktriebler mühelos beherrschbar. Die Stabilitätskontrolle unterstützt den Fahrer unauffällig, aber effektiv. Auch bei zügigen Runden greift das System nie voreilig oder übervorsichtig ein – und muss nicht einmal da deaktiviert werden.

Fehlerfreie Technik

Die Runden mit dem GT2 RS samt Instruktor auf der Rennstrecke zeigen, dass ein moderner Sportwagen keineswegs gefährlicher sein muss als ein «normales Auto». Der 911er mit rennstreckentauglicher Abstimmung, Sportreifen und 700 PS ist etwas vom Schnellsten, was man auf öffentlichen Strassen legal bewegen darf.

Und trotzdem ist er dank ausgeklügeltem Set-up und perfekter Regelelektronik auch für einen Laien ohne Tücken beherrschbar. Hinzu kommen die unermüdlichen und immens starken Bremsen, die auf der Rennstrecke Zeit sparen und auf der Strasse Sicherheit bringen.

Ein Tag auf der Rennstrecke ist die ideale Gelegenheit, einen Sportwagen kennen zu lernen und die Faszination daran gefahrlos erleben zu können. Zudem kann man sich als Fahrer weiterentwickeln. Korrekte Blicktechnik erlernen, das Lenken verfeinern und das Maximum an Bremsleistung erzielen. So lernt man nicht nur das Limit des Autos kennen – sondern auch die eigenen Grenzen besser einzuschätzen, ­ was schliesslich hilft, das Auto im Strassenverkehr verantwortungsvoller zu bewegen.

Denn: Das Heck bricht nicht «einfach» aus. Dafür sind moderne Autos und insbesondere Sportwagen viel zu zuverlässig. Wenn es auf der Strasse zu Unfällen führt, ist oft Leichtsinn, mangelndes Verständnis für die Technik und zu wenig Erfahrung im Spiel. Statt Verboten oder Einschränkungen bräuchte es also mehr Training für Autofahrer; insbesondere, wenn man einen PS-Boliden bewegen möchte.