Seit kurzem ist der Golf Variant auch als 300 PS starkes R-Modell mit Allradantrieb auf dem Markt – und kann im Test in jeder Hinsicht überzeugen.
Selbstverständlich darf man sich die Frage stellen, ob fast 70'000 Franken (um genau zu sein: 67'780 Franken kostete der komplett ausgestattete Testwagen) für einen VW Golf nicht doch ein bisschen viel Geld sind. Auch ein Golf Variant R ist schliesslich einfach ein Golf. Der ewige Bestseller in der Schweiz, er steht quasi an jeder Ecke – und für dieses Geld könnte man sich auch einen hübschen Alfa 4C kaufen oder einen schon anständigen Audi oder Mercedes.
Und doch: Er ist schon etwas ganz Besonderes, der Golf Variant R. Erfreulich ist, dass VW bei diesem Top-Modell der Baureihe die Schminke nicht zu dick aufträgt, vier Auspuff-Endrohre künden zwar von der bärigen Kraft, doch solches sieht man ja auch an manch einem getunten Bruder des Kombi. Auch in Sachen Sound ist der R, angetrieben von einem 300 PS starken 2-Liter-Benziner, eher zurückhaltend, erst bei höheren Drehzahlen wird er sportlicher in Sachen Lautstärke. Ein angenehmer Ton, übrigens, für einen Turbomotor erstaunlich sonor, tief, kein wildes Kreischen. Bleibt der Pilot brav, dann gefällt der schnellste Golf im Innenraum mit angenehmer Ruhe. Und ist auch an der Tankstelle kein besonders durstiger Trinkgeselle: Bei einigermassen zurückhaltender Fahrweise lag der Durchschnittsverbrauch im Test bei knapp über 8 Litern (gemäss Norm: 7,0 Liter/100 km). Das ist jetzt nicht unbedingt vorbildlich, aber auch nicht übertrieben viel. Schöpft man dann allerdings die Kraftreserven des R ein bisschen aus, dann steigt der Verbrauch auch schnell in den zweistelligen Bereich. Und damit befindet man sich dann schon bald auf dem Niveau eines Porsche, der ja nicht unbedingt langsamer ist als dieser Über-Golf. Die Höchstgeschwindigkeit des Variant R beträgt elektronisch begrenzte 250 km/h, den Paradesprint von 0 auf 100 km/h will der Kombi mit einem maximalen Ladevolumen von 1620 Litern (bei abgeklappten Rücksitzen) in nur gerade 5,1 Sekunden absolvieren.
Doch darum geht es bei diesem Fahrzeug eigentlich gar nicht. Das grosse Thema ist: Souveränität. Es ist beeindruckend, wie locker der R seine Leistung (und 380 Nm maximales Drehmoment) aus dem Ärmel schüttelt, er wirkt nie angestrengt, auch dann nicht, wenn man ihn auf der deutschen Autobahn oder einer schön kurvigen Passstrasse fordert. Dazu tragen das zwar sportlich, aber nicht unkomfortabel abgestimmte Fahrwerk, die adaptive Fahrwerkregelung DCC sowie der Allradantrieb, der die Kraft wirklich auch auf den Boden übertragen kann, viel bei. Bremsen: ausgezeichnet. Getriebe: das 6-Gang-DSG gehört zu den besten seiner Art auf dem Markt. Und dann ist ja da auch noch das Wissen, dass man mit dem absolut alltagstauglichen Auto nach Feierabend gut ins Möbelhaus fahren und neue Büchergestelle einpacken kann. Oder ein paar Kisten Bier für die Grill-Party. Oder mit der ganzen Familie samt üppigem Feriengepäck in den Stau am Gotthard.
Auch als Variant R bleibt dieser Golf aber in erster Linie ein Golf. Er verfügt also über alle Qualitäten dieser Baureihe, über eines der besten Infotainment-Systeme überhaupt, einfachste Bedienung, ausgezeichnete Ergonomie, haptische Erlebnisse auf Oberklasse-Niveau samt einer ebensolchen Verarbeitung. Mit der Einführung des modularen Quer-Baukastens (MQB) haben die Wolfsburger da einen grossen Schritt nach vorne getan, der Konkurrenz bleibt nur das Staunen mit offenem Mund. Ja, als Variant R ist dies sicher nicht nur der schnellste, sondern vor allem der beste Golf aller Zeiten. Er ist Wolf und auch Schaf und vor allem die eierlegende Wollmilchsau, denn er kann wirklich alles, brav durchs Dorf zum Einkaufen, wild übers Land für den Adrenalinschub. Und: Er hat diesen absolut sexy Status von «habenwollen». Was bei einem VW Golf ja bisher nur bedingt der Fall war. Das rechtfertigt irgendwie auch den hohen Preis. Denn ein Porsche – ohne Laderaum – kostet ja noch viel mehr.