Mehr denn je versucht der BMW M5 Gegensätze zu vereinen. Ob es klappt, zeigt die Sportlimousine im Test.
Auf den ersten Blick ist alles wie eh und je: Der M5 wirkt in der neuesten Generation frisch und modern, folgt jedoch einem bewährten Rezept. Mit grösseren Lufteinlässen, grösseren Rädern, schärfer geformten Karosserieteilen und vier Endrohren am Heck wirkt die Fünfer-Limousine muskulöser und sportlicher, ohne dabei jedoch übertrieben dick aufzutragen. Auch im Interieur greift dieselbe Formel. Gewohnte Einrichtung, aufgewertet mit sportlichen Sitzen, neuem Lenkrad und eigenständiger Tacho-Grafik.
Man muss schon etwas genauer hinschauen, wenn man erkennen will, dass der Neueste in der langen M5-Tradition im Grunde ein echter Revolutionär ist. Erstmals rollt der M5 nämlich mit Allradantrieb auf die Strasse. Das ist einerseits erstaunlich, schliesslich waren die sportlichen Limousinen aus München bis anhin ausschliesslich mit reinem Hinterradantrieb erhältlich. Nicht etwa, weil sich die Bayern nicht mit moderner Allradtechnik auskennen würden. Vielmehr gilt BMW, insbesondere bei den sportlichen M-Modellen, als Verfechter des Hinterradantriebs, der für das gewünscht sportliche Fahrverhalten sorgt.
Es braucht viel Gefühl
Kaum erstaunlich ist der Wechsel zum Allradantrieb allerdings, wenn man einen Blick auf die Leistungsdaten wirft: Der 4,4-V8 mit doppelter Turboaufladung wurde im Vergleich zum Vorgänger nochmals überarbeitet und leistet nun 600 PS (+40 PS) und 750 Nm (+70 Nm). Dass das die Hinterachse heillos überfordern kann, kann man sich im neuen M5 nicht nur vorstellen, man kann es – genügend Platz und ein sicheres Umfeld vorausgesetzt, auch erfahren. Per Knopfdruck wird der Allradantrieb ausgeschaltet und damit auch gleich sämtliche Fahrhilfen. Zwar ist der M5 weiterhin beherrschbar, jedoch ist viel Gefühl gefragt. Zu viel Gas, und das Heck schert gnadenlos aus.
Es wird die Traditionalisten unter den M5-Fans beruhigen, dass diese spektakulären Manöver weiterhin möglich sind. Es wird sie aber auch interessieren, dass man mit aktiviertem Allradantrieb nicht nur sicherer, sondern vor allem auch schneller unterwegs ist. Das fein abgestimmte System bietet überragende Traktion, indem es die Kraft blitzschnell zwischen den Rädern verteilt; es ist aber auch sehr fahraktiv ausgelegt, sodass das Heck in Kurven angenehm mitlenkt, ohne auszubrechen. Die Kombination aus Allradantrieb und Allradlenkung macht die immerhin fast fünf Meter lange und zwei Tonnen schwere Limousine erstaunlich kurvenwillig. Ein weiteres Novum für ein M-Modell ist die verbaute 8-Gang-Automatik, anstelle eines Doppelkupplungsgetriebes. Die Angst, dass diese Wahl die Sportlichkeit des Bayern einschränken könnte, ist absolut unbegründet. Auf Wunsch schaltet die Wandlerautomatik blitzschnell und knackig. Die Fahrleistungen, die daraus resultieren, sind schlichtweg atemberaubend: Der Sprint auf 100 km/h dauert gerade mal 3,4 Sekunden; gut 7 Sekunden später liegen schon 200 km/h an. Die Höchstgeschwindigkeit ist elektronisch begrenzt – auf 305 km/h.
Viele Set-up-Möglichkeiten
Natürlich kann man diese Fahrleistungen fast nie auskosten; es ist aber auf jeden Fall ein erhabenes Gefühl, zu wissen, dass man jederzeit könnte, wenn man dürfte. Zumal sich der neue M5 trotz enormer Leistung sehr zivilisiert gibt. Der Schlüssel liegt hier in den sehr ausgiebigen Set-up-Möglichkeiten. Man muss sich schon eine Weile mit dem Auto befassen, um diese zu verstehen und zu nutzen. Fast alles lässt sich getrennt voneinander einstellen: Fahrwerk, Lenkung, Gaspedal-Kennlinie, Allrad-Abstimmung, ESP. Zwei Kombinationen können auf den zwei «Kurzwahltasten» am Lenkrad abgespeichert werden, sodass sie immer griffbereit sind. So kann der M5 mit einem Knopfdruck vom brachialen Sportgerät zur gediegenen Reiselimousine umfunktioniert werden. Die Automatik schaltet sanft, der Motor läuft leise und bei tiefen Drehzahlen und das Fahrwerk wird komfortabler.
Bei tiefen Geschwindigkeiten kann die Sportlimousine ihr wahres Wesen allerdings nur schwer verstecken; auf kurzen Querfugen und Unebenheiten wirkt die Federung straff. Erst bei etwas höheren Geschwindigkeiten fühlt sich der M5 dann gediegen und komfortabel an. Dank genügend Platz, exzellenten Sitzen mit Massagefunktion und dem herausragenden Audiosystem ist der M5 so ein perfekter Reisewagen, vor allem für lange Autobahnetappen.
Gemessen an der vorhandenen Leistung, gibt er sich dabei erstaunlich sparsam: Auf Schweizer Autobahnen kann man problemlos mit rund 9,5l/100 km unterwegs sein und damit die Werkangabe von 10,8 l/100 km locker unterbieten. Im Testschnitt waren es schlussendlich gut 11 l/100 km.
Dass das versierte Allround-Talent mit 139900 Franken Basispreis nicht günstig ist, ist dagegen wenig überraschend.