Bevor der erste Hybrid-Mustang kommt, tobt sich Ford mit dem Shelby GT350R nochmals aus.
Der Ford Mustang ist wohl die Freiheits-Ikone auf vier Rädern schlechthin. Trotzdem: Auch der Klassiker muss mit der Zeit gehen und sich anpassen. Dass es das Pony-Car inzwischen nicht mehr nur mit dem blubbernden V8-Triebwerk, sondern auch mit einem Turbo-Vierzylinder zu kaufen gibt, nehmen die Fans naserümpfend zur Kenntnis.
Der nächste Schritt, der bei den eingefleischten Fans auf kaum mehr Gegenliebe stossen dürfte, folgt 2020: Der Mustang mit Hybrid-Antrieb. Der soll zwar, so verspricht Ford, auch mit einem kleineren Verbrennungsmotor die gewohnte Leistung eines V8 bieten. Ob das den Liebhabern aber genügt?
Bevor es aber so weit ist, scheint es, toben sich die Ford-Ingenieure noch mal so richtig aus – was nun im Shelby Mustang GT350 R gipfelt. Ein Mustang, wie er extremer nicht sein könnte, streng limitiert auf 37 Stück, die in den USA bereits alle verkauft sind.
Eine Hommage an den GT350 Competition von 1965 – und daher nur auf eines ausgerichtet: Höchstleistung auf der Rundstrecke, trotz Strassenzulassung. Die besitzt der wilde Hengst in den USA, für Europa noch nicht. Warum? Das wird beim Druck auf den Startknopf klar: Zwar kann der Klang aus den vier armdicken Endrohren am Heck per Klappensteuerung auch gedämpft werden, ein Leisetreter ist der V8 aber nie.
Neues Herz
Ein markantes, gleichmässiges Brummen geht durch die Luft, während sich der Shelby im belgischen Lommel auf dem Ford-Testgelände warmläuft. Kein gleichmässig getaktetes Wummern, wie man es gemeinhin von amerikanischen Achtzylindern kennt; der Mustang klingt eher nach italienischem Sportwagen. Kein Zufall, denn der Motor im 350er ist eine komplette Neukonstruktion. Der 5,2-Liter-Sauger mit gut 530 PS verfügt über eine sogenannte «flat-plane»-Kurbelwelle. Dies verändert, vereinfacht erklärt, den Takt, indem die Zylinder arbeiten, und ermöglicht dadurch höhere Drehzahlen. Seine Maximalleistung erreicht er bei 7500 Umdrehungen.
Auf dem Testgelände in Flandern sind die Bedingungen ideal, um dem gleichermassen schnellen wie seltenen Rennpferd auf den Zahn zu fühlen. Auf dem riesigen kreisrunden Asphaltplatz gibt es viel Auslauf und keine gefährlichen Hindernisse. Also: Leinen los!
Geschaltet wird, wie es sich für ein solches Urtier gehört, über eine 6-Gang-Handschaltung. Präzise und auf kurzen Wegen und nicht zu leichtgängig, das passt perfekt.
Für den radikalsten aller Mustangs lag der Fokus vor allem auf schnellen Rundenzeiten; er soll also nicht nur geradeaus schnell sein. Der Antrieb blieb also im Vergleich zum GT350 identisch; das seltene «R»-Modell wurde dafür einer radikalen Diät unterzogen: Klimaanlage, Soundsystem, Rücksitze, Rückfahrkamera und zahlreiche Schallisolierungen flogen raus und drücken das Gewicht auf 1650 Kilo, gut 50 Kilo weniger als bei der Ausgangsbasis.
Nebst Spoilern und Anbauteilen sind beim GT350R auch die Felgen aus leichtem Carbon gefertigt; sie sind mit besonders griffigen Michelin-Cup-Reifen bezogen, was den Amerikaner wie Kaugummi auf dem Asphalt kleben lässt.
Nicht nur, weil die Reifen aus besonders weicher Gummimischung gefertigt sind, sondern auch aufgrund der gigantischen Dimensionen: 305-Walzen sind es an der Vorderachse, hinten sogar 315er. Zum Vergleich: Ein herkömmlicher VW Golf fährt auf 205 Millimeter breiten Reifen.
Die breiten Walzen machen sich, vor allem, wenn sie auf Temperatur sind, klar bemerkbar – und erfordern deshalb auch etwas Feingefühl am Lenkrad. Der wilde Mustang kann zwar enorme Kurvengeschwindigkeiten erzielen, gibt sich dann im Grenzbereich aber alles andere als zahm. Reisst der Grip ab, geschieht dies blitzartig und erfordert wache Reflexe – oder die Fahrt endet in einem Dreher. Man muss sich auf den GT30R einlassen, ihn kennen lernen und sich sachte an das Potenzial des Spitzensportlers rantasten. Dann kommt das grosse Aha-Erlebnis. Hart und bestimmt anbremsen, zart und gefühlvoll einlenken, sodass die Vorderachse nicht überfordert wird. Und schliesslich mit Druck und viel Traktion wieder aus der Kurve preschen, während der V8 seine imposante Melodie singt. Purer Fahrspass, der dem Fahrer noch einiges abverlangt.
Starker Wendepunkt?
Damit dürfte der Shelby GT350R dem Idealbild eines wilden Muscle-Car schon sehr nahe kommen; man darf ihn als Gipfel einer gut 50-jährigen Evolution sehen, bevor der Mustang in eine neue Zukunft startet. Eines zeigt der Shelby GT350R zweifellos: Ford weiss, wie man Fahrspass auf die Räder stellt. Das wird sich auch für die kommenden Mustang-Generationen nicht ändern. Das dürfte die Puristen optimistisch stimmen; der Hybrid wird bestimmt nicht das Ende der Fahrfreude sein.