Ab 2030 will Bentley nur noch Elektroautos bauen. Mit dem Flying Spur Hybrid führen die Briten nun zunächst ein zweites PHEV ein.
Elektro und Luxus – was eigentlich so gut zusammenpasst, hat noch nicht so richtig zueinandergefunden. Mit Ausnahme des Mercedes EQS ist der Elektroantrieb bislang zwar im Hochpreissektor, aber nicht im Luxussegment angekommen. Dabei ist beinahe geräuschloses Vorwärtskommen ein Genuss, der gerade in diesem Bereich auf Gegenliebe stossen dürfte. Immerhin wird nun nach und nach auch die oberste automobile Preisklasse elektrifiziert. Für den neuen Range Rover ist eine Elektrovariante für 2023 angekündigt. Cadillac will noch dieses Jahr die Luxuslimousine Celestiq lancieren – doch ziemlich sicher nicht in Europa. BMW wird mit dem i7 ein Konkurrenzmodell zum EQS auf die Strasse bringen. Und Rolls-Royce stellt seinen ersten Stromer namens Spectre für Ende 2023 in Aussicht. Auch Bentley wird elektrisch. Die Briten haben ihr erstes rein elektrisch angetriebenes Modell (EV) für 2025 terminiert, ein Jahr später sollen dann nur noch EV und Plug-in-Hybride (PHEV) verkauft werden. Und ab 2030 sollen dann im Werk in Crewe nur noch EV vom Band laufen. Doch werden die Bentley-Kunden so einfach von ihren geliebten Acht- und Zwölfzylindermotoren abzubringen sein? «Ich glaube nicht, dass das ein Problem wird», ist Pressesprecher Wayne Bruce überzeugt. «Gerade im Luxusbereich sehen wir, dass die Kunden sehr verantwortungsvoll denken und viel Wert auf Nachhaltigkeit legen.» Nachhaltigkeit ist bei Bentley tatsächlich ein grosses Thema – nur bei der Materialauswahl hapert es noch. Immerhin werden einige wenige Dekormaterialien aus nachhaltiger Quelle angeboten, ein grobporiges Koa-Holz etwa. Doch veganes Leder? «Das gibt es bei uns nicht», winkt Bruce ab. «Wir haben noch kein veganes Leder gefunden, das unserem Standard entsprechen würde.»
Vorbildlich sind die Briten hingegen punkto Effizienz in der Produktion. «In den letzten zwei Jahrzehnten hat Bentley in Crewe eine hochwertige, umweltschonende und hocheffiziente Produktionsstätte geschaffen», sagt Produktionsvorstand Peter Bosch. Das ultimative Ziel sei es, bis 2030 eine klimafreundliche Produktionsbilanz zu erzielen. «Die jüngsten Zahlen, die eine absolute Verringerung der CO2-Emissionen pro Fahrzeug um 81 Prozent zeigen, unterstreichen unser Engagement und die Geschwindigkeit, mit der wir Fortschritte machen.» Als nächsten Schritt auf dem Weg in die CO2-Neutralität folgt nun mit dem Flying Spur Hybrid der zweite PHEV der Marke. Sein Antriebsstrang wurde nicht einfach vom bereits erhältlichen Bentayga Hybrid übernommen. Der 2,9-Liter-V6-Turbobenziner, der zusammen mit einem permanenterregten Synchron-Elektromotor (100 kW) für eine Leistung von 544 PS sorgt, ist eine überarbeitete Variante mit doppelter Turboaufladung und leistet im Flying Spur fast 100 PS mehr. Die Fahrleistungen der über 5,3 Meter langen Luxuslimousine sind so nicht weit von der Variante mit V8 entfernt: Der Hybrid spurtet in 4,3 Sekunden auf Tempo 100, der V8 braucht dafür zwei Zehntel weniger. Dafür ist der Verbrauch des PHEV deutlich tiefer: Die Werte sind noch nicht homologiert, doch Bentley spricht von einem Schnitt von 3,5 Litern. Der V8 steht mit 12,7 Litern in den Büchern. Wie viel der Flying Spur Hybrid tatsächlich verbraucht, hängt wie bei jedem PHEV von der Art der Verwendung ab. Wird die Batterie oft geladen und sind die Fahrdistanzen kurz, ist man ganz ohne Verbrennungsmotor unterwegs – der Bentley schafft 40 km rein elektrisch, was auf unserer Testfahrt bei milden Temperaturen sogar übertroffen wurde. Den Strom liefert eine Batterie mit 14,1 kWh Kapazität, die bestenfalls in 2½ Stunden geladen ist. Die Gesamtreichweite steigt so auf 700 km. Auch das ist Luxus.
Der PHEV fährt sich so ausgewogen und kultiviert, wie man sich das in dieser Preisklasse wünscht. Manche mögen den «Punch» des Zwölfzylinders vermissen, anderen wird der Sound des V8 fehlen. Doch gerade, wenn man im Flying Spur Hybrid rein elektrisch unterwegs ist, verfliegen schnell alle Zweifel – besonders, wenn man sich chauffieren lässt, was die Hälfte der Besitzer tatsächlich tut. «Doch die Kunden werden sich darin nicht nur chauffieren lassen», sagt Baureihenleiter Chris Cole. Davon ist er genauso überzeugt wie vom Fahrzeug an sich: «Das ist ohne Zweifel der weitest entwickelte Bentley.» Doch auch wenn der Flying Spur Hybrid sparsam ist, günstig ist er deshalb nicht. Wohl 220000 Franken muss man dafür investieren – mindestens. Denn bei 56 Milliarden Konfigurationsmöglichkeiten wird es beim Basispreis kaum je bleiben.