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Für seine letzte Ausstellung als Kurator im Zurzacher Mauritiushof hat Sebastiano Vittorio Bucca die Zwillingsbrüder «ANRA» gewählt.
Der Eyecatcher in der Galerie Mauritiushof ist eine üppig gedeckte, fast überladene Tafel mit zwölf Stühlen, die zum Dinieren einlädt. Aber beim genauen Hinsehen vergeht dem Betrachter der Appetit. Die kostbaren Porzellanschalen sind nicht mit kulinarischen Delikatessen gefüllt, sondern mit Pillen, Dollarscheinen und Militärspielzeug.
Auf einem Gedeck liegt zwischen Messer und Gabel eine Pistole, auf einem anderen ein toter Krähenschädel. Das ganze Szenario wird mit einem Baldachin aus Plastikmüll überdeckt, der schier zusammenbricht.
Die Zwillingsbrüder Andreas und Ralph Hilbert aus Lottstetten sind bekannt für ihre Installationen, die von bizarrer Schönheit sind. Spielerisch und doch sehr direkt sprechen sie gesellschaftskritische Themen an, die unter den Nägeln brennen. Die Machenschaften der Global-Player, Gier, Macht und Unterdrückung, die Zerstörung unseres Planeten.
Trash-Art nennen die beiden Kreativen ihre Kunst, in der sie als Ausgangsmaterial für ihre Collagen und Installationen Fundstücke, Massenprodukte und Wohlstandsmüll verwenden. Galerieleiter Sebastiano Vittorio Bucca hat für die letzte Ausstellung unter seiner Federführung ein optisches Spektakel mit nachhaltiger Wirkung in Szene setzen lassen. «from tRash to tReasure» nennen ANRA ihre Ausstellung voller trügerischer Schönheit, die noch bis zum 22. Mai 2022 besichtigt werden kann.
Im Februar 2019 hat Bucca die Galerieleitung des Mauritiushofs von Vorgängerin Laura Wurster übernommen. Davor lag sie über 40 Jahre in den Händen von Alois Hauser. Der Badener wuchs in Bad Zurzach auf und hat ein grosses Beziehungsnetz in der Region. «Ich wollte frischen Wind in den Kunstbetrieb bringen», bekundet er. Es reiche heute nicht mehr, einfach ein schön gemaltes Bild an die Wand zu hängen. «Kunst muss zum Erlebnis werden, aussagekräftig sein, überraschen oder gar provozieren.»
Die meisten von Buccas 13 Ausstellungen, die er während seiner Wirkungszeit organisierte, griffen in den Raum ein und veränderten ihn auf überraschende Weise. Oft wurde auch der schöne Garten des Mauritiushofs in das Geschehen miteinbezogen. Mit seinen Happenings zog der 56-Jährige auch vermehrt junges Publikum an und nahm ihm die Schwellenangst vor der Kunst.
«Die Galerieleitung hat wesentlich mehr Zeit in Anspruch genommen, als vorgesehen», sagt Bucca. Er stellte 2018 selber dort aus, zusammen mit der Badenfahrt-Festgestalterin Antonina Businger. «Damals wurde mir die Führung in einem Teilzeitpensum angeboten und ich sagte zu.» Doch der vorgesehene Aufwand war weit grösser. Nicht zuletzt wegen des ständigen Umdisponierens während Corona.
Bucca musste seine eigenen künstlerischen Tätigkeiten zurückstellen. Und genau diesen möchte er sich dank seines Rücktritts wieder mehr widmen. Für den Broterwerb betreibt er eine Fineprint-Druckerei mit Rahmenatelier und stellt hochwertige Kunstdrucke für andere Kunstschaffende her.
Seine grosse Leidenschaft gehört aber der historischen Fotografie. In einem Kollodium-Nassplattenverfahren stellt er Porträts wie anno 1851 her. «Damals wurde die Fotografie demokratisiert. Mit einfachen Mitteln aus der Apotheke konnte jeder selber Bilder machen.» Rund eine dreiviertel Stunde dauert es, bis ein Bild fertig ist. Bucca liebt dieses Prozedere und seine Augen leuchten, wenn er davon erzählt.
Er arbeitet an neuen Experimenten und hat einen Pfeil im Köcher, über den er aber noch nicht sprechen will. Ausser, dass es sich um ein Grossprojekt handelt.
Als Galerieleiter des Mauritiushofs hatte Sebastiano Vittorio Bucca von der Stiftung Gesundheitsförderung Bad Zurzach sozusagen eine Carte blanche für die Gestaltung der Ausstellungen bekommen. Dafür ist er dankbar. Auch für die Kontakte, die er über die deutsche Grenze hinaus zur Kunstszene knüpfen konnte. «Ich bin nicht froh, dass ich aufhöre», sagt er, «aber ich schaue niemals rückwärts. Sondern freue mich auf alles, was auf mich zukommt.» Die Galerie Mauritiushof wird bis auf Weiteres von Rachela und Roy Oppenheim geleitet.
Die Ausstellung der Zwillingsbrüder «ANRA» mit dem Titel «from tRash to tReasure» dauert noch bis am 22. Mai 2022. Mauritiushof, Hauptstrasse 41, 5330 Bad Zurzach. Öffnungszeiten Mi bis Sa, 14 bis 17 Uhr; So 11 bis 17 Uhr.