Wislikofen
Weshalb die Blume so wichtig ist: Das ist das neue Wappen von Mellstorf

Der Ortsteil von Wislikofen hat nun ein eigenes Signet mit einer seltenen Blume. Auf keinem Wappen der Schweiz ist die Gemeine Küchenschelle bisher zu sehen. Und: Bei der Auswahl des Siegerwappens durften alle Dorfbewohner mitbestimmen – auch Kinder und Ausländer.

Stefanie Garcia Lainez
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Seit 1899 gehört Mellstorf (im Vordergrund) zu Wislikofen. Im Hintergrund: Siglistorf.

Seit 1899 gehört Mellstorf (im Vordergrund) zu Wislikofen. Im Hintergrund: Siglistorf.

Nadja Rohner/Archiv

Eine Küchenschelle in Blau und zwei Winkelbalken in Grün auf gelbem Hintergrund: Das ist das neue Wappen von Mellstorf. Der Wislikofer Ortsteil schliesst sich mit weiteren acht Ortsteilen am 1. Januar 2022 zur Gemeinde Zurzach zusammen – und war bis jetzt der einzige ohne Wappen.

Mit einer Zustimmung von 51.2 Prozent wählten die Mellstorferinnen und Mellstorfer dieses Wappen zum Sieger.

Mit einer Zustimmung von 51.2 Prozent wählten die Mellstorferinnen und Mellstorfer dieses Wappen zum Sieger.

zvg

Der Grund: Seit 1899 gehört das zuvor eigenständige Mellstorf zur politischen Gemeinde Wislikofen. Die meisten Schweizer Gemeinden legten sich aber erst 40 Jahre später für die Landesausstellung in Zürich ein Wappen zu. Dies, um bei der offiziellen Beflaggung mit Schweizer Gemeindewappen nicht abseitszustehen. Auch Wislikofen bemühte sich erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts um ein eigenes Wappen.

Weder die Trotte noch die Kapelle kamen gegen die Blume an

Damit Mellstorf in der neuen Gemeinde Zurzach nicht abseitssteht, entschied sich der Wislikofer Gemeinderat im vergangenen Jahr, noch vor dem Zusammenschluss ein Ortswappen zu erstellen. Beauftragt wurde der Heraldiker Rolf Kälin, der bereits das neue Zurzacher Wappen mit den acht Wellen auf weissem Hintergrund entworfen hatte.

Oft stehen Sagen, Legenden oder historische Begebenheiten hinter einem Wappensymbol. Wie beispielsweise die im Jahr 1671 erbaute Trotte in Mellstorf oder die wenige Schritte entfernte Sebastians- und Fridolinskapelle aus dem Jahr 1789.

Diese beiden Sujets schlug der Heraldiker denn auch vor. Gemeindeammann Heiri Rohner brachte aber die Gemeine Küchenschelle ins Spiel:

Die Küchenschelle auf dem Gweslig in Mellstof.

Die Küchenschelle auf dem Gweslig in Mellstof.

Nadja Rohner

Die Blume mit dem lateinischen Namen Pusatilla vulgaris kommt nur an sehr wenigen Orten in der Schweiz vor, unter anderem in Mellstorf.

Die Küchenschelle löst in Mellikon Völkerwanderungen aus

«Schon in meiner Kindheit war die Küchenschelle eine Attraktion für uns und die Umgebung», sagt der Urmellstorfer. Es schwinge auch Stolz mit, dass diese seltene Blume gerade hier in dieser Fülle wachse:

Heiri Rohner, Gemeindeammann Wislikofen.

Heiri Rohner, Gemeindeammann Wislikofen.

Severin Bigler
«Noch heute gibt es regelrechte Völkerwanderungen, wenn die Küchenschelle Anfang Frühling am Sonnenhang des Gweslig blüht.»

Die Blume mag wie Weinreben kalkhaltige Böden und eher mildes Klima und steht in der Schweiz unter Naturschutz. Die Heilpflanze wird heute in der Homöopathie bei Erkältungen, Husten, Verdauungsproblemen und gynäkologischen Beschwerden verschrieben.

Der Heraldiker habe die Küchenschelle vorher gar nicht gekannt und sei von der Idee begeistert gewesen, sagt Heiri Rohner. «Die Blume ist noch auf keinem Wappen in der Schweiz als Symbol zu sehen.» Zusammen mit einer Arbeitsgruppe erstellte Rolf Kälin vier verschiedene Versionen.

Alle Mellstorferinnen und Mellstorfer konnten via Flugblatt abstimmen, welches Wappen ihnen am besten gefällt. Für einmal waren dabei auch Kinder sowie die ausländischen Einwohnerinnen und Einwohner stimmberechtigt. Zur Auswahl stand die Variante mit Küchenschellen auf drei Hügeln, die den Belchen, die Fluh und den Gweslig symbolisieren. Ein anderer Vorschlag zeigte nur die Blume, ein weiterer gleich drei Küchenschellen.

Die Zustimmung von links: 23,3 Prozent, 16,3 Prozent und 9,3 Prozent.

Die Zustimmung von links: 23,3 Prozent, 16,3 Prozent und 9,3 Prozent.

zvg

Das Rennen machte mit einer Zustimmung von 51,2 Prozent aber jener Vorschlag, der eine Küchenschelle über einem grünen Doppelsparren oder Winkelbalken zeigt. Dieser weist auf die hügelige Topografie von Mellstorf hin und zeigt den Anfangsbuchstaben des Ortsnamens. Der Sparren ist in der Heraldik ein sogenanntes Heroldsbild, ein geometrisches Wappenbild, das die Schildfläche in verschiedenfarbige regelmässige Flächen aufteilt.

Die Blasonierung, also die fachgerechte Beschreibung, lautet: in Gelb über einem erniedrigten abgeflachten grünen Doppelsparren eine blaue Küchenschelle, in der gelben Besamung belegt mit sieben blauen Fruchtgefässen.

An der Gemeindeversammlung stellte der Gemeinderat das neue Mellstorfer Wappen der Bevölkerung vor. Es sei durchweg positiv und mit Beifall aufgenommen worden, sagt Heiri Rohner. «Sowohl von der Mellstorfer als auch von der Wislikofer Bevölkerung.» Das Wappen wird nun dem Staatsarchiv vorgelegt, welches das ausgewählte Wappen begutachtet und prüft.