Startseite
Aargau
Zurzibiet
Die Ausstellung «Kein schöner Land» im Kunstraum Baden zeigt die Schweiz mit ihren Vorzügen aber auch Widersprüchen. Die Ausstellung setzt sich mit dem Begriff «Heimat» auseinander. Sieben Aussteller konfrontieren die Besucher mit grundlegenden Fragen.
Zwei Boote treiben friedlich auf der Reuss dahin. Doch die Idylle auf Mira Hartmanns 5 Meter breiten Panoramabild, das die Besucher im Kunstwerkraum Baden empfängt, trügt. Während im Vordergrund die Kinder der in Freienwil lebenden Fotografin auf einem entspannten Wochenendausflug mit Papa zu sehen sind, ist das Schlauchboot im Hintergrund voller Flüchtlinge. Ob Schweizer Familie oder Vertriebene, alle tragen dieselben orangen Sicherheitswesten. Sie sind sich auf den ersten Blick ähnlich, wenn auch ihr Schicksal unterschiedlicher nicht sein könnte. «Während wir in unserer behüteten Welt zur Entspannung etwas ‹Böötlen›, müssen andere Familien ihre Heimat verlassen und ums Überleben kämpfen. Immer wieder wird mir das bewusst, und ich fühle mich ohnmächtig», sagt Hartmann nachdenklich.
«Kein schöner Land» heisst die neue Ausstellung im Kunstraum Baden, die sich mit dem Begriff «Heimat» auseinandersetzt. Dabei geht es allerdings nicht um Klischees, sondern die real existierende, heutige Schweiz, die «trotz aller Abstriche, Querelen und immer mehr aufkommender Ängste ein schönes Land bleibt», wie Kunstraum-Kuratorin Claudia Spinelli betont.
Sieben Kreativtätige nehmen diese Schweiz in ihren Blick und konfrontieren den Betrachter mit grundlegenden Fragen. Welche Werte sind für uns in der Heimat zentral? Wie tolerant sind wir? Und wo hört das Verständnis auf? Provokativ und emotional berührend sind die Filme, Fotografien, Malereien sowie Papierarbeiten, die dazu entstanden sind. Istvan Balogh lässt einen Engländer mit starkem Tourette-Syndrom die 30 Artikel der Menschenrechte runterlesen. Durch seine vokalen Tics werden sie total zerstückelt. Für den aus Zürich stammenden Balogh Sinnbild dafür, wie Gesetze, die jedem Menschen Freiheit und Gleichheit garantieren, auch in Realität tagtäglich mit Füssen getreten werden.
Die überquellenden Einkaufswagen von Malerin Pat Noser aus Biel stechen ins Auge. «Mit all dem Warenüberfluss könnte man gut noch ein paar Leute mehr versorgen», meint sie. Von ihr stammt auch die «Flüchtlingswillkommensschokolade», auf deren Verpackung einen ein dunkelhäutiges Kind anlächelt. Spinelli in ihrer Eröffnungsrede dazu: «Wir sehen uns alle gerne als grosszügige Menschen, die spenden und geben. Aber irgendwo kommt die Grenze. Nämlich dann, wenn man wirklich teilen muss.»
Gabi Vogt aus Mellingen fotografierte die Panzersperre in Frick. Seit 1950 werden die Relikte des Widerstands aus dem Zweiten Weltkrieg als Garten genutzt und sind pflanzenüberwuchert. Der in filigraner Handarbeit hergestellte Stacheldraht von Papierschnittkünstlerin Ursula Rutishauser aus Baden wirft bedrohliche und abweisende Schatten an die Wand. Und dann sind da noch die biederen, beengenden Einfamilienhäuschen-Szenarien des Aargauer Fotografen Oliver Lang. Oder der Film von Lena Maria Thüring, die Jugendliche mit Migrationshintergrund befragte, wie sie sich in der Schweiz ihre Zukunft aufbauen wollen. Spinelli bezeichnet die Schweiz als «Land voller Widersprüche» und fügt hinzu: «Es gilt, mit ihnen umzugehen und nicht irgendwelchen Klischeebildern nachzuhängen. Das ist Ziel dieser Ausstellung.»
Die Ausstellung «Kein schöner Land» im Kunstraum Baden an der Haselstrasse 15 dauert kann noch bis zum 3. Juli und dann wieder ab 17. August bis 2. Oktober 2016 besichtigt werden. Öffnungszeiten: Mi bis Fr, 14 bis 17 Uhr und Sa/So 12 bis 17 Uhr.