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Unter der Coronakrise leiden viele. So auch eine Familie im Landkreis Waldshut ennet der Zurzibieter Grenze: Wutausbrüche, Kinder mit Schlafstörungen und finanzielle Nöte prägen den Alltag.
«Mama ich möchte mein altes Leben zurück», sagte ihr Fünfjähriger und der Grosse verkriecht sich im Zimmer. Sorgen um die Kinder, Existenzängste und Stimmungsschwankungen prägen den neuen Alltag der Familie ennet der Zurzibieter Grenze, der jedoch schon lange keiner mehr ist.
«Jetzt durch die Coronapandemie fühle ich mich sehr depressiv», erzählt die 31-jährige Mutter Carola S. (Name der Redaktion bekannt) aus dem Kreis Waldshut. Der gewohnte Tagesablauf fehlt, die Struktur fehlt. Alles ist anders. Und das seit einem Jahr: «Ich stehe morgens auf und es ist nicht die gleiche Routine wie zuvor.» Dies macht der Mutter besonders zu schaffen.
Der erste Lockdown sei für die Familie die schwierigste Zeit gewesen. Alle – Vater, Mutter, der Fünfjährige und der 15-Jährige – waren daheim, acht Wochen lang. «Das Aufeinanderhocken sorgte für viel Streit», erzählt sie. «Das war ganz schlimm für mich, da hatte ich schon das Gefühl, dass bei mir bald eine Depression ausbricht», so die 31-Jährige. Man habe niemanden treffen können, nichts unternehmen können.
Der Kleine habe viel geweint. «Mama, ich möchte mein altes Leben zurück», sagte er. «Das war schrecklich, hat mir mein Herz gebrochen, denn ich konnte meinem eigenen Kind nicht helfen.»
Es sei schwierig, den Kindern das ganze Ausmass der Corona-Pandemie zu erklären. Alltagsfragen ihrer Kinder wie «Wann ist Corona vorbei?», «Wann kann ich wieder mit meinen Freunden spielen?» habe die Mutter nicht beantworten können. Am schlimmsten sei es für die Mutter gewesen, den Kleinen über Monate hinweg täglich zu beschäftigen, sie liess sich immer etwas Neues einfallen. Doch irgendwann sagte der Fünfjährige:
«Mama, ich mag nicht mehr.»
Ihr jüngerer Sohn habe sich komplett verändert, hatte viele Wutausbrüche, schlafe schlecht. «Die sozialen Kontakte fehlen», sagt Carola S. Er habe den Kindergarten sehr vermisst.
Nun, da er endlich wieder in den Kindergarten gehen darf, blühe er so langsam wieder auf. «Ich habe meinen Jungen wieder», freut sich die Mutter.
Auch der 15-Jährige liess sich hängen. Das Homeschooling funktioniere nur mässig, die Technik so gut wie gar nicht. «Er befindet sich in der Null-Bock-Phase», sagt die Mutter. «Die Motivation fehlt total.» Seine Freunde wohnen alle weiter weg. Ein Treffen sei kaum möglich gewesen. Im nächsten Jahr hat er Abschlussprüfungen.
Meist verkrieche er sich in seinem Zimmer, zockt an der Konsole. Wenn die Familie sonntags mal etwas unternimmt, dann sei er kaum bis gar nicht zu motivieren, mitzukommen. Doch die Mutter wisse nicht, wie sie ihn unterstützen könne. Er lasse sie nicht an ihn heran.
Zu all den Sorgen um die Kinder kamen die finanziellen Nöte hinzu. Im vergangenen Jahr habe sie die Arbeitsstelle verloren, ihr Vertrag wurde nicht verlängert. Nach einem Monat ohne Arbeit, habe sie dann im November eine neue Stelle gefunden.
«Doch ich verdiene dort viel weniger als zuvor, habe ständig Angst, ob wir monatlich über die Runden kommen.» Kurz darauf kam die coronabedingte Schliessung des Einzelhandelsgeschäfts, in dem sie arbeitet. Die Mutter kam in Kurzarbeit. Sie erzählt von starken Stimmungsschwankungen.
«Ich bin schon überfordert mit dieser Situation – die Lebensqualität leidet. Die Ungewissheit macht einen verrückt.»
Deswegen schlafe sie auch sehr schlecht. Eine diagnostizierte Depression habe sie nicht, sie könne auch noch Freude empfinden. Sie geniesse einen Spaziergang, wenn er zeitlich mal möglich sei, sagt sie. Doch gut gehe es ihr nicht.
Wie viele andere Familien auch hoffe sie auf eine baldige Normalität. Sie sehnt sich nach einem Sommerurlaub. Doch geplant habe sie diesen nicht. Es sei einfach nicht möglich etwas zu planen, «weil man nicht weiss, was die Zukunft bringt».