Klingnau
Viehzüchter steigen auf Fischzucht um – im eigenen Bauernhof

Bernhard Kaufmann und Jan Fröhlin aus Klingnau haben eine vielversprechende Technik für die Zanderzucht entwickelt: Leerstehende Gebäuden werden zur Zanderzucht genutzt. Für Landwirte eröffnet sich so die Möglichkeit zu einem Zusatzverdienst.

Angelo Zambelli
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Zanderzucht in Klingnau
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In die Zuchtanlage kommen die Zander mit einem Gewicht von 10 Gramm.
Nach fünf Monaten wiegen sie 500 Gramm.

Zanderzucht in Klingnau

Angelo Zambelli

Einen Namen gemacht hat sich Bernhard Kaufmann (63) als Züchter und Verkäufer japanischer Koi-Fische. «Dieser Bereich stagniert; der Markt gibt nicht mehr viel her», sagt Kaufmann. «Überspitzt könnte man sagen, die Koi-Zucht sei ein Auslaufmodell.»

Auf diese Veränderung im Markt musste sich der Klingnauer Fischkenner – er ist selbst passionierter Fischer und Präsident der Pächtervereinigung unteres Aaretal – so schnell wie möglich einstellen. Vor 2 Jahren startete er mit der Suche nach Alternativen zur Koi-Zucht und zum Hauptgeschäft, dem Verkauf von Artikeln für die Wassertechnik (Schläuche, Teichfolien, Pumpen etc.).

Bernhard Kaufmann stiess zusammen mit seinem Angestellten und gelernten Fischwirt Jan Fröhlin (24) per Zufall auf eine vielversprechende Nische: Als zwei Bauern seinen Betrieb im Klingnauer Industriegebiet «Zelgli» besichtigten, realisierte Kaufmann plötzlich, dass die Kombination «Landwirt und Fisch» Zukunft haben könnte.

«Die Idee war, nach der Aufgabe der Milchwirtschaft oder der Schweinezucht leerstehende Gebäude mit Fischzuchtanlagen zu bestücken», sagt Kaufmann. Dies eröffne Landwirten einen Zusatzverdienst ohne übermässige finanzielle Risiken.

Der Zander: Nachtaktiver Jäger und Kannibale

Der Zander (Sander lucioperca), auch Schill, Hechtbarsch oder Fogosch (Ungarn) genannt, ist der grösste unter den barschartigen Süsswasserfischen Europas. Die in kleinen Schwärmen lebenden Fische halten sich im Vergleich mit dem Hecht weiter weg vom Ufer auf. Zander können dank einer reflektierenden Pigmentschicht im Auge auch nachts hervorragend sehen und sind in der Lage, ihre Beute auch bei sehr schwachem Licht zu entdecken. Der frei lebende Zander wird ungefähr 15 Jahre alt.

Unter idealen Lebensbedingungen kann er bis 130 Zentimeter lang und 20 Kilo schwer werden. Der dämmerungs- und nachtaktive Zander ist bevorzugt in grossen Flüssen und Seen mit hartem, sandigem Grund und planktontrübem Wasser zu finden, wo er meist einzeln in der Nähe markanter Bodenformationen (Felsen, Wurzeln usw.) steht und auf Beute lauert. Bei klarem Wasser zieht er sich in Tiefen von mehr als 5 Meter zurück. Der Zander ist ein Raubfisch, der sich vorwiegend von kleinen Beutefischen wie kleinen Rotaugen und Barschen ernährt. Er verschmäht aber auch Angehörige seiner eigenen Art nicht.

(Quelle: Fischlexikon der Süsswasserfische)

Doch auch bei den Fischzüchtern haben die Götter den Schweiss vor den Erfolg gestellt. Zuerst galt es, eine Anlage zu entwickeln, mit der die schwierige Zanderzucht erfolgreich betrieben werden kann.

Seit Anfang August sind zwei schlüsselfertig gelieferte Anlagen im Kanton Luzern in Betrieb. Bei einem Landwirt schwimmen die jungen Zander auf der ehemaligen Heubühne, beim anderen im ausgedienten Lagerraum neben der Hühnermasthalle. Sie verfolgen das Ziel, pro Jahr je 6 Tonnen des gefragten Speisefischs zu produzieren und auf dem Markt zu verkaufen.

Herzstück der Anlage ist ein Biobecken. Darin schwimmen unzählige, an Lockenwickler erinnernde Plastikteilchen. An deren Oberfläche haften Mikro-Organismen, die das Wasser reinigen und mit Sauerstoff anreichern.

Weitere Reinigungsstufen im Wasserkreislauf sind ein UV-Filter sowie ein mechanischer Trommelfilter. Dadurch erhalten die Zander zweimal pro Stunde frisches Wasser. Dies sei das A und O einer erfolgreichen Fischzucht, sagt Bernhard Kaufmann. Pro Tag sind nur gerade 5 Prozent der gesamten Wassermenge zu ersetzen.

Anlage wird überwacht

Die von Bernhard Kaufmann und Jan Fröhlin entwickelte Anlage bereitet das Wasser in einem Kreislauf auf. Das frische Wasser, genügend Sauerstoff und optimal auf die Fische abgestimmtes Futter sorgen dafür, dass sich die Zander optimal entwickeln können. Ein Computer überwacht die Anlage und löst Alarm aus, sobald der Sauerstoffgehalt unter einen bestimmten Wert fällt.

Für die Zanderzucht hat sich Bernhard Kaufmann aus zwei Gründen entschieden: Erstens ist er ein begehrter Speisefisch, der in den Schweizer Seen immer weniger gefangen wird.

Zweitens ist der Zander ein sehr guter Futterverwerter, was ihn für die Zucht ausserordentlich interessant macht: Ein Kilo Futter führt zu einer Gewichtszunahme von 1 Kilo. Bei Rindern liegt das Verhältnis bei 8:1, beim Geflügel bei 3:1.

In die Becken kommen die Jungzander mit einem Gewicht von 10 Gramm. Nach einem Jahr haben sie das Schlachtgewicht von 1,1 Kilo erreicht. Fischwirt Jan Fröhlin erklärt, weshalb Zander schwierig zu züchten sind: «Die Hauptschwierigkeit ist die Umstellung vom Lebendfutter auf Trockenfutter. Wird das nicht korrekt gemacht, steigt die Sterblichkeitsrate.»

«Herausfordernd und spannend»

Bernhard Kaufmann ist zuversichtlich, dass sich der neue Geschäftszweig gut entwickelt. «Die Aufgabe ist herausfordernd, reizvoll und spannend.» Bleibt die Frage, wie viele Bauern in der Schweiz den Mut aufbringen, von der Viehzucht auf die Fischzucht umzusteigen.