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Zurzibiet
Vor fünf Jahren kam es zur bisher letzten Gemeindefusion im Bezirk Zurzach, jener zwischen Endingen und Unterendingen. Wie präsentiert sich die Stimmung heute, was hat die Heirat gebracht und wie steht es um einen möglichen Zusammenschluss mit den übrigen Surbtaler Gemeinden? Wir haben nachgefragt.
Kälte, Schnee, vereiste Strassen. Der Winter hat die Region in diesen Tagen nochmals im Griff. Der Berufsverkehr schlängelt sich an diesem Morgen wie gewohnt durchs Surbtal. Wir passieren die Ortstafel, auf der gross Unterendingen und in Klammer klein Endingen steht. Seit 2014 sind die beiden Gemeinden offiziell vereint.
Was im ersten Moment – passend zu den Temperaturen – auf ein frostiges Verhältnis hindeuten könnte, erweist sich als Tauwetter-Stimmung.
Gut fünf Jahre nach der Fusionsabstimmung legen die Unterendinger zwar nach wie vor Wert auf die Erwähnung ihres Ortsteils, ansonsten sind die Diskussionen über Zweck und Nutzen der Heirat weitgehend vom Tisch. In einer Zeit, in der Fusionen einen schweren Stand haben, keine Selbstverständlichkeit. Auch nicht im Zurzibiet.
In Döttingen erteilten die Stimmberechtigten der Liaison mit Klingnau ebenso eine Absage (2013), wie Schneisingen den Siglistorfern (2001). Keinen Erfolg hatten auch Fusionsgespräche zwischen Bad Zurzach und Rietheim.
Mit Spannung wird darum die Entwicklung des Projekts «Rheintal+» beobachtet, wo gerade zehn Gemeinden einen möglichen Zusammenschluss in einer vertieften Prüfung ausloten.
In Endingen sieht sich Lukas Keller heute darin bestätigt, was er im Vorfeld der Abstimmung verkündete. Im September 2012 tat der damalige Ammann etwas, was er sonst tunlichst vermied: Er wagte eine Prognose zu einem Urnengang. Keller erwartete eine Zustimmung von bis 85 Prozent zur Fusion – und verschätzte sich prompt. Über 91 Prozent der Endinger sagten schliesslich Ja.
Das Erfolgsrezept vor fünf Jahren: «Transparenz und Ehrlichkeit», sagt Keller, der von 2007 bis 2016 Ammann war. «Die Fusion wurde so klar angenommen, weil die Bevölkerung gemerkt hat, dass die Gemeinderäte voll und ganz hinter dem Projekt stehen.»
Um auch Skeptiker zu überzeugen, war sich Keller nicht zu schade, Klinken zu putzen. «Es gehört zur Führungsaufgabe des Gemeinderats und eines Ammanns, bei der Bevölkerung für Goodwill zu sorgen», sagt er.
Es war nicht so, dass Keller und den Befürwortern kein Widerstand entgegenschlug. Zu den heftigsten Fusions-Gegnern gehörte damals der Unterendinger Franz Senn. «Ich habe mich fügen müssen, wie die anderen Skeptiker auch», sagt der heute 86-Jährige. Senn stiess sauer auf, dass die Unterendinger wenige Jahre vor dem Ja an einer Gmeind noch beschlossen hatten, eigenständig zu bleiben.
«Innert kürzester Zeit hat der Wind dann gedreht», schüttelt Senn den Kopf. Dem früheren Gemeinderat und Landwirt ist noch heute anzumerken, dass ihm wohler wäre, wenn es nie zur Fusion gekommen wäre.
Wichtig für das Ja zur Fusion war der Erhalt der jeweils eigenen Identität, lautete die überwiegende Meinung. «Vor allem für das kleinere Unterendingen war das wichtig», sagt Lukas Keller.
Auf dem neuen Wappen wuchsen die beiden halben Lilien zu einer ganzen zusammen. Auch die alte Postleitzahl Unterendingens ist erhalten geblieben (5305, Endingen: 5304). «Das sind wichtige Symbole», betont Peter Keller.
Er war vor dem Zusammenschluss Unterendinger Gemeinderat und ist heute Vizeammann. «Wir wurden nicht geschluckt», sagt er, «ich wohne in Endingen, im Ortsteil Unterendingen.»
Für das ansässige Gewerbe und die Vereine war der Zusammenschluss ein logischer Schritt.
Ein Alleingang von der Grösse unserer Gemeinde hätte keinen Sinn gemacht», sagt Thomas Werder von der Dorfmetzgerei stellvertretend. Christoph Spuler, der Präsident vom TV Endingen, sieht es ähnlich. «Zumal die beiden Dörfer vorher bereits eng zusammen arbeiteten.»
Das widerspiegelt sich auch in der jetzigen Zusammensetzung des Gemeinderates. Die Exekutive setzt sich aus zwei Unterendingern und drei Endingern zusammen. Auch in Kommissionen wird dieses Verhältnis angestrebt.
Mit 2/3 hat man so etwas wie die Endinger Zauberformel gefunden, auch wenn sie nirgends festgeschrieben steht. «In der letzten Legislaturperiode kamen zeitweise sogar drei Gemeinderäte aus Unterendingen», sagt der aktuelle Ammann Ralf Werder.
«Entscheidend ist: Es braucht im Gemeinderat das Wissen aus beiden Ortsteilen.» Ziel der Fusion sei es auch gewesen, dass Ämter leichter besetzt werden können, sagt Lukas Keller. «Früher gab es in der Schulpflege Vakanzen, heute dagegen Kampfwahlen.»
Trotzdem wurde bei den letzten Gesamterneuerungswahlen erst nachträglich ein fünftes Gemeinderatsmitglied gefunden. «Selbst nach der Fusion ist es von der Gemeindegrösse her immer noch schwierig, Kandidaten für den Gemeinderat zu finden», sagt Ralf Werder.
Mittlerweile ist die Anpassung und Vereinheitlichung aller Reglemente abgeschlossen. «Für die Behörden war das der grösste Aufwand», sagt Werder. Die Beteiligung an Gemeindeversammlungen sei, im Vergleich zu anderen Gemeinden, relativ hoch. «Es wird in beiden Ortsteilen aktiv mitpolitisiert.»
Und: Endingen habe sich seither gut entwickelt. «Der Zusammenschluss hat uns stärker gemacht, auch wenn der aktuelle Steuerfuss höher sei als damals in Unterendingen.» Er stieg von 108 auf 111 Prozent. Befürworter und Skeptiker hätten sich heute gefunden, ist Werder überzeugt. «Aber es ist gut, dass es kritische Stimmen gab.»
Diese würden mutmasslich bei einem weiteren, ungleich grösseren Projekt, von dem im Surbtal die Rede ist, auf den Plan treten. Schon seit Jahren wird in der «Perspektive Surbtal» die Zusammenarbeit zwischen Endingen, Tegerfelden und Lengnau gefördert. An der nächsten Sommergmeind stimmen die drei Ortschaften über gemeinsame Reglemente ab. Es ist dies ein weiterer Mosaikstein in einer auf vielen Ebenen vertieften Zusammenarbeit.
Daraus ergibt sich die Frage, ob die Zeit für den nächsten grossen Schritt gekommen ist. «Für eine weitere Fusion müsste ein klarer Mehrwert erkennbar sein», sagt Alt-Ammann Lukas Keller. Da die Zusammenarbeit bereits so eng sei, ist es schwer, einen solchen Mehrwert zu finden. «Die Zeit ist noch nicht reif», glaubt er.
Allenfalls sei es eine Aufgabe für die nächste Generation. Der amtierende Ammann Ralf Werder stösst ins gleiche Horn: «Wir arbeiten auf vielen Ebenen eng zusammen, sei es bei der Schule, der Steuerverwaltung oder der Feuerwehr.»
Was bei den Behörden in der Agenda noch nicht eingetragen ist, ist an den Stammtischen sehr wohl ein Thema. Für Metzger Thomas Werder steht der nächste Schritt ausser Frage. Er geht sogar noch weiter: Er würde einen Schulterschluss bis nach Schneisingen begrüssen.
Zurückhaltender stellt sich zu dieser Frage sein Namensvetter und Cousin Ralf: «In der aktuellen Legislatur sind Fusionsgespräche sicher kein Thema.» Dessen ungeachtet: Das Thema Fusion wird das Surbtal und die Familie Werder auch fünf Jahre nach der letzten Heirat weiter beschäftigen.