Bad Zurzach
Skelette und Wasserleichen: Die «Kriminacht» in der Fleckenbibliothek kommt beim Publikum gut an

Die Lesung von drei Krimiautoren in Bad Zurzach weckte die Neugierde der Zuhörer. Gleichzeitig wurde klar, die Ansprüche der Krimiliebhaber sind gestiegen.

Rosmarie Mehlin
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Markus Bundi hatte in der Fleckenbibliothek quasi ein Heimspiel.

Markus Bundi hatte in der Fleckenbibliothek quasi ein Heimspiel.

Rosmarie Mehlin

Seit den frühen Neunzigerjahren sorgen Kommissarinnen und Kommissare aus allen Herren Ländern bei Millionen von Leserinnen und Lesern für Adrenalin-Schübe: Mankells Wallander zum Beispiel, Leons Brunetti, Lehtolaines Maria Kallo, Camilleris Montalbano, Klüpfel und Kobrs Kluftinger ... Wer nennt die Namen, zählt die Toten?

Parallel zur rasanten Zunahme von Krimiautorinnen und -autoren sind die Ansprüche der Leser gestiegen – nicht nur an Thrill und Spannung, auch an den literarischen Gehalt. Ein Berner, ein Aargauer und ein süddeutscher Schriftsteller haben dies am Samstagabend an der von der Fleckenbibliothek organisierten Bad Zurzacher «Kriminacht» unüberhörbar unter Beweis gestellt.

Im Gasthaus zur Waag fand sich kein leerer Stuhl mehr und die angeregte Stimmung wich gespannter Ruhe, als Mirko Beetschen ans Lesepult trat.

Der 46-jährige Berner Oberländer hatte – nach «Schattenbruder» – seinen zweiten Kriminalroman «Bel Veder» mitgebracht. Das Rätsel um den Titel löst sich rasch, steht im Mittelpunkt der Geschichte doch ein altes Hotel, das bezeichnenderweise auf der «Finsteralp» steht: Das «Belvedere» ist seit 1927 geschlossen, als sich 1946 darin rätselhafte Dinge zutragen, angefangen bei der Entdeckung von vier Skeletten.

«Dies kein klassischer Krimi, sondern ein Schauerroman», verrät Beetschen. Bereits bei einigen Seiten aus dem Vorwort wird klar, dass der Autor den Leser mit wortgewaltigen Schachtelsätzen packt und die nicht linear verlaufende Handlung ihm einiges an Konzentration abverlangt. «Das Umfeld des Geschehens anno 1946 ist nicht Fiktion, sondern authentisch und war für mich entsprechend mit äusserst aufwendigen Recherchen verbunden.»

Humor und Philosophie

Locker und humorig stellte sich der 51-jährige Markus Bundi als Beinahe-Einheimischer vor: «Meine Eltern hatten sich in Zurzach kennen gelernt.» Aufgewachsen im Bezirk Baden, unterrichtet er heute Deutsch und Philosophie an der Kanti Aarau.

Seit 2001 veröffentlicht Bundi regelmässig Bücher – Essays, Gedichtbände, Romane, Theaterstücke. «Ich hatte mir geschworen, nie ein Buch mit mehr als 140 Seiten und nie einen Krimi zu veröffentlichen.»

Mit «Alte Bande» liegt nun beides, knapp 500 Seiten stark, auf dem Tisch. Die «amuse bouches» mit Wasserleiche Frieda, Hauptkommissar Troller und Kommissarin Jette, die Bundi lesend serviert, machen klar: Ein «cooler» Roman mit Witz und Ironie erzählt in knappen Sätzen und mit mitreissenden Wortschöpfungen.

Nach kurzer Lesung verteilte Bundi aus seinem entsprechenden Buch «Welten» Postkarten mit philosophischen Sätzen wie «Vielleicht sind die Männer von der Müllabfuhr die aufrichtigsten Kulturträger». Typisch Bundi!

Abenteuerlich und furchterregend

Der 67-jährige Baden-Württemberger Thomas Erle – bis 2014 Lehrer an der ersten Waldorfschule Deutschlands – veröffentlicht seit 2008 Kurzkrimis und ab 2013 Kriminalromane um den Privatermittler Lothar Kaltenbach. Er las aus seiner Trilogie «Das Lied der Wächter», die Erle als «modernen Abenteuerroman» bezeichnet.

Als «leidenschaftlicher Schwarzwald-Fan» beschreibt er die Gegend um den Feldberg farbig und realistisch, was sich darin zuträgt, zeugt hingegen mitnichten von seiner Liebe zum Schwarzwald: Dass im August plötzlich Schnee fällt, ist nur ein winziges Detail der unerklärlichen, gespenstischen, furchterregenden Vorkommnisse, die sich hier über Jahre hinweg abspielen.

Erles klare, eingängige Sprache setzt interessante Kontrapunkte zum äusserst mysteriösen, spannenden Geschehen. Der leise Schalk, den der Autor als Mensch ausstrahlt, dürfte auch in den rund 1200 Seiten der Trilogie ihren Niederschlag gefunden haben.