Baldingen
Sie ist die jüngste Gemeinderätin im Bezirk Zurzach — und spielt mit dem Feuer

Die Altersgruppe unter 30 ist in der Politik schwach vertreten – erst recht Frauen. Sheela Süess zählt zu den Ausnahmen. Die 26-Jährige aus Baldingen ist die jüngste Gemeinderätin im Bezirk Zurzach.

Daniel Weissenbrunner
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Sheela Süess passt definitiv nicht ins typische Polit-Raster. Wer heute in der Schweiz ein politisches Amt ausübt, ist durchschnittlich über 50 Jahre alt und in der Regel männlich. Sheela Süess ist weder das eine noch das andere.

Im Nationalrat in Bundesbern beträgt der Frauenanteil knapp über 30 Prozent, im Ständerat kommen die weiblichen Mitglieder gerade einmal auf 15 Prozent. Ähnlich sieht es in der Aargauer Regierung aus. Der Altersschnitt liegt hier bei 54 Jahren.

Im Fünferkollegium sitzt mit Franziska Roth nur eine Frau. Die Exekutiven im Bezirk Zurzach reihen sich nahtlos in dieses Schema ein: Von den 120 Exekutivmitgliedern sind nur 28 weiblich. Davon ist nur eine jünger als 30, eben Sheela Süess.

Wie lässt es sich erklären, dass neben dem geringen Frauenanteil auch die jüngere Generation kaum aktiv ihre Rolle am politischen Geschehen wahrnimmt? «Politisches Engagement wird in der Schweiz unter den 16- bis 25-Jährigen nicht nur als unwichtig taxiert, es ist tatsächlich auch wenig verbreitet», kommt die Jugendbarometerstudie der Credit Suisse in Zusammenarbeit mit dem Befragungsinstitut GFS zum Schluss.

Nur gerade 6 Prozent der Jugendlichen geben an, Mitglied einer Partei zu sein. Für 48 Prozent gelten Parteien als «out». Unter den Jungen herrscht Politverdrossenheit.

Junge sind überfordert

Eine, die das im Rahmen ihrer Möglichkeiten gerne ändern möchte, ist die parteilose Sheela Süess aus Baldingen. Sie ist mit 26 Jahren die jüngste Gemeinderätin im Zurzibiet und so etwas wie die politische Senkrechtstarterin in ihrem Wohnort.

Sie schaffte bei den Gesamterneuerungswahlen vergangenen Herbst auf Anhieb den Sprung in den Gemeinderat. Süess erzielte das beste Ergebnis der neu Kandidierenden. Dass sich Junge kaum für Politik interessieren, bedauert sie ebenfalls, kommt für sie aber nicht überraschend.

Ihr Befund: Zu kompliziert und zu trocken, hört sie immer wieder aus ihrem Umfeld. Die Politik erreiche die Jüngere zwar, sie berührt sie aber zu wenig und bindet sie ungenügend ein. «Dabei ist es wichtig, dass unsere Anliegen Gehör finden», so Süess.

Ähnlich beurteilt das Verhalten die Expertin für Jugend und Generationen, Beate Grossegger. «Junge Menschen sind vor allem dann bereit, sich zu engagieren, wenn sie aus ihrem Engagement einen konkreten persönlichen Nutzen ziehen können.

Ersichtlich wird das auch beim Abstimmungsverhalten. Ein prägnantes Beispiel: Nur 17 Prozent der unter 30-Jährigen hatten 2014 über die Masseneinwanderungsinitiative abgestimmt.

Im Männerklub bereits integriert

Wohl nicht zufällig stand auf Sheela Süess’ Wahl-Flyer der Satz: «In Dir muss brennen, was Du in anderen entzünden willst.» Die gebürtige Wettingerin liebt das Spiel mit dem Feuer. Sie arbeitet als Assistentin der Geschäftsleitung in einer Firma, die Cheminées und Öfen verkauft sowie Kunden in Brandschutzangelegenheiten, Feuerungstechnik und Kamin- und Cheminéesanierung berät.

Es ist mutmasslich ihrer direkten Art zuzuschreiben, dass sie das Feuer auch in Baldingen entfacht hat – was nicht selbstverständlich ist. Mit ihrem Ehemann zog sie erst vor zwei Jahren in das Zurzibieter Dorf oberhalb des Surbtals.

In der kleinen Gemeinde mit ihren gut 250 Einwohnern, wo jeder jeden kennt, gelang es Süess Argumente zu liefern, um die Menschen zu überzeugen. Anpassungsschwierigkeiten sind ihr offensichtlich fremd. Auch als neue Gemeinderätin inmitten eines Männerklubs. Für ihre Kollegen ist sie voll des Lobes: Nach den ersten beiden Sitzungen fühlt sich Süess schon bestens integriert.

Wohin ihr politischer Weg führen soll, darüber macht sich Süess keine Gedanken. Erst einmal Erfahrungen sammeln und nötigenfalls eingreifen wenns brennt, sagt sie. Sheela Süess ist nicht nur Gemeinderätin, sondern leistet auch Dienst in der örtlichen Feuerwehr.