Das 75-Millionen-Franken-Projekt soll Bad Zurzach vom Durchgangsverkehr befreien. Einige Gewerbler befürchten ein Lädelisterben, andere sehen darin eine grosse Chance.
Das öffentliche Leben steht wegen der Coronakrise so gut wie still. Nicht so die Baustellen. Das gilt auch für das 75-Millionen-Projekt Ostumfahrung Bad Zurzach, dessen Baustart Anfang Januar erfolgte. Die Umfahrung soll ab Sommer 2023 den historischen Ortskern vom Durchgangsverkehr entlasten. Doch was bedeutet das für das Gewerbe − kommt es zum Lädelisterben oder blüht das Zentrum auf?
Bektas Yilmaz vom «Zurzi Imbiss» ist überzeugt: «Weniger Durchgangsverkehr bedeutet weniger Kunden, das hat man schon in Klingnau gesehen.» Mit der Eröffnung der Umfahrung im Herbst 1994 wurde der dortige Verkehrsmoloch zwar verbannt, doch die Kundschaft blieb aus und ein Geschäft nach dem anderen musste in Klingnau schliessen. Yilmaz, der den 14-jährigen Kebab-Laden an der Hauptstrasse vor einem Jahr von seiner Schwester übernahm, befürchtet für Bad Zurzach ein ähnliches Szenario.
Liliane Stöhr teilt die Befürchtungen von Bektas Yilmaz. Seit 33 Jahren führt sie das Bastelzentrum Wundertüte. «Es wird wohl nicht viel besser sein wie jetzt während der Coronakrise», sagt sie. Sie befürchtet zudem, dass wegen der aktuellen Baustelle zur Umfahrung bis 2023 viele Geschäfte schliessen müssen. Diese Sorge teilt auch Judith Weiss, seit 32 Jahren Geschäftsführerin des 1925 gegründeten Geschäfts Mode Weber. «In drei Jahren wird es sicher schön aussehen hier im Flecken.» Die Frage sei nur: «Wie viele Geschäfte gibt es bis dann noch?»
Entspannter sieht es Valentina Daudrich, die seit 2019 ein Nähstudio an der Hauptstrasse betreibt. «Mit der Ostumfahrung wird es leiser, sauberer und sicherer im Flecken», sagt sie. Das bedeute mehr Menschen auf den Strassen und so mehr Kundschaft. Dass sich der fehlende Durchgangsverkehr negativ auswirken könnte, glaubt sie nicht. «Das macht vermutlich nur einen kleinen Teil aus.»
Auch Stefan Haus von Mauchle Getränke sieht die Ostumfahrung als Chance. Der Präsident des Gewerbevereins Rheintal-Studenland sagt: «Die Umfahrung bedeutet für Bad Zurzach ein Gewinn an Lebensqualität.» Das habe Rheinfelden gezeigt. Er sagt aber auch: «Wichtig ist, dass ein Konzept da ist für die Gestaltung des Zentrums, das möglichst zeitnah mit der Eröffnung der Umfahrung umgesetzt wird.» Ansonsten drohe Bad Zurzach ein ähnliches Schicksal wie Klingnau, wo ein solches Konzept fehlte. «In Bad Zurzach hat man das zum Glück realisiert», sagt Stefan Haus im Hinblick auf das Fleckenkonzept, das unter anderem vorsieht, den Verkehr in der Schwertgasse zu reduzieren oder ganz zu verbannen, damit die Passanten dort ungestört flanieren können.
«Veränderungen gehören dazu», sagt Ammann Bernhard Scheuber. Aber der Flecken bereite sich so gut wie möglich darauf vor: «Wenn die Umfahrung 2023 eröffnet wird, möchten wir noch am selben Tag auch die neu gestaltete Schwertgasse einweihen.» Die Chancen stünden gut, dass das Zentrum mit der Ostumfahrung nicht ausstirbt, sondern belebt wird. Das grosse Potenzial sieht Scheuber in den rund 1500 Kurgästen, die 2019 im Schnitt pro Tag das Thermalbad besuchten. «Ziel ist, dass diese Gäste auch im Flecken verweilen.» Hinzukomme, dass das Fleckenkonzept auch von der Bevölkerung mitgetragen werde. «Der Workshop vor einem Monat war mit rund 100 Teilnehmern gut besucht – und sie zeigten einen grossen Ideenreichtum», sagt Scheuber. Zudem bewirke möglicherweise die aktuelle Coronakrise auch etwas Positives, so Ammann Scheuber: «Vielleicht findet aufgrund der geschlossenen Grenze bei Einkaufstouristen ein Umdenken statt, und sie berücksichtigen wieder mehr die lokalen Geschäfte.»