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Der Kulturerbe-Tag ermöglichte interessante Einblicke – auch in üblicherweise verborgene Räume. Entsprechend gross war das Interesse.
Den abrupten Temperatursturz und die geöffneten Himmelsschleusen zum Trotz – am Samstagmorgen strömten auffallend viele Leute durch die Strassen von Schneisingen. Weitaus stärker als die Wetterunbill waren Wissensdurst und Neugier. Im Rahmen der Aktion «Den Aargau neu entdecken» hatte das Departement Bildung, Kultur und Sport zu einem Kulturerbe-Tag in den 1400-Seelen-Ort an der Grenze zum Kanton Zürich geladen. Die Pfarrkirche mit ihrer seltenen pneumatischen Orgel, das Dorfmuseum, ein Skandal aus dem 17. Jahrhundert wurden ebenso thematisiert, wie in einem grossen Zelt verschiedene archäologische und geschichtliche Aspekte.
Ein besonderer Anziehungspunkt war das Schlössli. Wie ein Wahrzeichen thront es mit seinem Turm und dem auffallenden Wappen auf der blendendweissen Fassade in Mittel-Schneisingen. Ein paar Blicke ins Innere werfen, ein wenig am Leben der Besitzerfamilie schnuppern – so viel Wunderfitz kann doch niemand verwehren. Und siehe da: Rechtsanwalt Franz J. Meng, der das Schlössli 1971 erworben und in den Folgejahren aufwendig restauriert hatte, öffnete die Tür zu diesem Kulturerbe für einige Stunden.
Erstaunliche Entdeckung
Da der Andrang gross war und damit die Neugier trotzdem möglichst gut gestillt werden konnte, führte Philipp Schneider von der kantonalen Denkmalpflege mehrere Gruppen à 20 Leute zu den Highlights im Schlossinneren. Sie finden sich in drei verschiedenen Räumen jeweils an der Decke. Es gab also weder Bade- noch Esszimmer oder Küche der Familie Meng zu entdecken – aber immerhin ein Schlafzimmer, das allerdings den Eindruck machte, für Gäste reserviert zu sein. Doch weder Doppelbett, noch Nachttischlampe oder Schrank zogen alle Augen auf sich, sondern – eben – die Decke. Ein zartes Fresko, von Stuck eingerahmt zeigt die «Madonna im Strahlenkranz».
Im Zuge der Restaurierungsarbeiten war das Werk des Barockmalers Francesco Giorgioli unter einem grünen Farbanstrich entdeckt worden.
Über ein geräumiges, modern eingerichtetes Sitzungszimmer mit Butzenscheiben an den Fenstern und einem Barocken Buffet als Hingucker, ging es in einen Raum mit wuchtiger hellbeiger Leder-Sitzgruppe, modernem Schreibtisch mit Laptop und einem wunderschönen Barock-Sekretär mit Intarsien. Hier präsentierte sich die «Frau des Potifar» als weiteres eindrückliches Decken-Fresko von Giorgioli. In einem kleineren Raum daneben blickte schliesslich mit «Susanna im Bade» – ebenfalls von Giorgioli – eine weitere biblische Figur auf eine schlichte Couch und einfache Kommoden hinunter.
Die Ausführungen von Denkmalpfleger Schneider zu den Ursprüngen des «Schlössli» waren ebenso informativ und interessant, wie jene zu den biblischen Geschichten hinter den Deckengemälden und den Künstler. 1655 in Meride im Südtessin geboren, hat Giorgioli nebst Spuren in Deutschland und Polen auch solche in der Stadtkirche Baden hinterlassen. Seine berühmtesten Werke aber sind in den Benediktinerklöstern Muri, Pfäfers und Rheinau zu bewundern.
Kulturelle Horizonterweiterung
So wurde denn die offene Tür zum Schlössli für die Besucher – ganz im Sinne vom «Kulturerbe-Tag» – zu einer kulturellen Horizonterweiterung und nicht zu vertieften Einblicken in den Alltag eines Schlossherrn und seiner Familie. Immerhin verrieten zu guter Letzt auf Truhen liegende Wolldecken und Sättel, dass ein dem Bau angemessenes Hobby ausgeübt wird. Badener merket Euch: «Ryte, Ryte Rössli, au z› Schneisige steit es Schlössli».