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Erwin Baumgartner spricht im Interview über seinen angekündigten Rücktritt als Grossrat fünf Monate nach der Wiederwahl.
Erwin Baumgartner: Mir fehlt die Zeit, um die Firma und die Politik unter einen Hut zu bringen. Die Ansprüche an mich als Geschäftsführer und Mitinhaber der Heinz Baumgartner AG sind vielfältig. Diese Verantwortung will und muss ich wahrnehmen.
Nein, im Herbst war das noch nicht der Fall. Erst nach den Wahlen habe ich realisiert, dass sich die Situation zuspitzt. Es kam in den letzten Monaten zu einschneidenden personellen Veränderungen im Unternehmen. Die Geschäftsleitung wurde neu besetzt, wir haben einen neuen Betriebsleiter. Ich habe gesehen, dass es meinen Support mehr benötigt, als angenommen. Wobei das nichts mit der Qualität der Leute zu tun hat.
Die Firma ist sehr gut aufgestellt. Mein Rücktritt aus der Politik ist kein Indiz dafür, dass es der Firma schlecht geht. Aber das Umfeld in der Maschinenbaubranche ist allgemein sehr schwierig geworden. Um zu bestehen, braucht es Ressourcen. Ich will mich für unsere 50 Mitarbeitenden einsetzen.
Der Tegerfelder ist am 2. September 1965 geboren. Drei Jahre zuvor gründete sein Vater Heinz das Familienunternehmen, das sich vom Einmannbetrieb zum 50 Mitarbeiter starken Zulieferbetrieb der Maschinenbaubranche entwickelte. 2010 gewann die Heinz Baumgartner AG den KMU-Unternehmerpreis der AKB. Von 2002–2013 war der FDP-Politiker Gemeinderat in Tegerfelden, davon 6 Jahre als Ammann. Im Grossen Rat ist der dreifache Familienvater Mitglied der Kommission für Bildung, Kultur und Sport.
Auf gar keinen Fall. Wie gesagt, wir stehen sehr gut da. Wir haben einen langjährigen Liefervertrag mit unserem Hauptkunden. Dennoch: In der heutigen Zeit braucht es einen Effort, um als Unternehmer bestehen zu können.
Den Kundenstamm ausbauen, Zeit ins Marketing, den Verkauf und die strategische Ausrichtung investieren. Der operative Teil des Familienunternehmens funktioniert hingegen auch ohne mich.
Das war vor etwa drei Wochen. Ich wollte den Entscheid fällen, solange ich dies aus freien Stücken tun kann und nicht erst dann, wenn ich durch die Umstände dazu gezwungen werde. Ich lebe vom Geschäft, ich bin Unternehmer.
Natürlich! Ich trage die Verantwortung für 50 Mitarbeitende, davon neun Lernende. An erster Stelle kommt aber die Gesundheit, dann die Familie, dann das Unternehmen. Erst danach folgt die Politik. Wenn die zeitlichen Ressourcen knapper werden, beginnt man auf der Hierarchie-Liste von unten zu streichen.
Nein, überhaupt nicht. Ich hätte niemals kandidiert, wenn ich gewusst hätte, dass ich wenige Monate später den Rücktritt bekannt gebe. Natürlich war mein Grossrats-Mandat nicht für die Unendlichkeit ausgelegt. Aber ich bin ganz klar mit dem Ziel angetreten, bis zum Ende der neuen Legislatur im Amt zu bleiben. Denn schliesslich haben mir die Stimmenden ihr Vertrauen ausgesprochen, und es war meine Absicht, diesem Vertrauen gerecht zu werden.
Sie war ja die Nummer 2 auf der FDP-Liste. Somit ist es folgerichtig, dass sie nachrückt. Bei mir war das 2014 ja auch der Fall, als ich Franz Nebel im Grossen Rat beerbt habe. Ich denke, es war für sie eine einfache Entscheidung, zum Amt Ja zu sagen. Ich habe es vorgängig mit ihr besprochen, so haben wir uns auch auf den 16. Mai als Termin geeinigt. Am Dienstag haben wir an der Geschäftsleitungssitzung der Bezirkspartei alle über den Schritt informiert.
Claudia Hauser wird das sehr gut machen. Genauso gut, wie Sie den Nationalratswahlkampf der Aargauer FDP geleitet hat. Sie bringt Erfahrung mit, geniesst in der Partei viel Rückhalt und ist bestens vernetzt.
Ich bin das am Dienstag auch gefragt worden. Ich habe angekündigt, dass ich mich komplett aus der Politik zurückziehen werde. Aber fragen Sie mich bitte nicht, ob ich zu einem späteren Zeitpunkt nicht doch wieder zurückkehre. Wer weiss schon, was in ein paar Jahren sein wird. Jetzt bin ich in erster Linie Vollblut-Unternehmer, das ist mein Job, meine Aufgabe. Ich habe Ideen, die ich umsetzen will.
Ich werde vor allem die positiven Begegnungen vermissen, dessen bin ich mir bewusst. Andererseits ist die Halbwertszeit im Politbetrieb sehr gering. Klar wird man den einen oder anderen Ex-Kollegen mal treffen, einen kurzen Schwatz halten. Aber ich habe keine Mühe damit, mich aus diesem Geschäft zurückzuziehen. Ich werde mich auch davor hüten, mich in irgendeiner Form einzumischen. Ich kann loslassen.