Fernwärme
Mit dem AKW-Beznau-Ausfall hat auch die Refuna ihre Unschuld verloren

Weil das AKW Beznau still steht, läuft die Regionale Fernwärme Unteres Aaretal (Refuna) im Notfallbetrieb – und verbraucht viel Heizöl. Zudem bezieht die Refuna erstmals Energie aus der Kehrichtverbrennungsanlage Turgi.

Hans Lüthi
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Ob Beznau 1 seinen Betrieb schon in Kürze wieder aufnehmen kann, ist unklar. Das Ensi rechnet frühestens im ersten Quartal 2016 damit. Alex Spichale

Ob Beznau 1 seinen Betrieb schon in Kürze wieder aufnehmen kann, ist unklar. Das Ensi rechnet frühestens im ersten Quartal 2016 damit. Alex Spichale

Alex Spichale

Notfall herrscht bei der Fernwärme im Unteren Aaretal schon seit über einem Monat. Was 30 Jahre lang zu befürchten war, aber nie eingetroffen ist, gehört plötzlich zum Refuna-Alltag: Das 140 Kilometer lange Netz muss mit Heizöl statt mit Abwärme betrieben werden, weil die Kernkraftwerke Beznau 1 und 2 erstmals gleichzeitig vom Netz sind.

«Für eine saubere Luft und weg vom Öl», lauteten die Argumente der Promotoren beim Aufbau in den elf Gemeinden. Jetzt hat sich der Fernwärme-Vorteil doppelt in Luft aufgelöst, Refuna hat quasi ihre Unschuld verloren: Das gute Umwelt-Argument ist weg, die Preise sind vergleichbar mit einer eigenen Ölheizung.

Energiewende nur ein Luftballon

Die Refuna-Betreiber rechnen fest damit, dass Beznau 1 den Betrieb nach der überlangen Revision und den Zusatzabklärungen schon im Oktober aufnehmen wird. Das unterstreicht VR-Präsident Kurt Müller: «Die Axpo hat Hunderte von Millionen Franken in die Erneuerung investiert, es liegt in ihrem ureigensten Interesse, mehr als 8000 Stunden jährlich Strom und Wärme produzieren zu können», sagt er.

«Die Reserve für Refuna war immer ölbasiert, das war uns allen bewusst», betont Daniel Zimmermann, Ex-VR-Präsident und Wärmebezüger aus Klingnau. Auch er ist fest überzeugt, Beznau 1 komme bald wieder ans Netz.

Nötig für das neue Anfahren von Beznau 1 ist grünes Licht von der Sicherheitsbehörde Ensi. Gemäss eines Interviews rechnet der stellvertretende Direktor Georg Schwarz «in einer Stellungnahme frühestens im ersten Quartal 2016».

Da und dort hat die Ankündigung Unmut ausgelöst, die Bezüger müssten nach einer Schonfrist im September die Mehrkosten für das Heizöl in den Reservekraftwerken ab Oktober selber berappen.

Pro Kilowattstunde zahlten Refuna-Kunden bisher 5,6 Rappen, im Vergleich zu 11,5 Rappen im Durchschnitt der letzten zwölf Jahre mit einer Ölheizung. Nach einem relativ teuren Start in den ersten Jahren sei die Fernwärme seit 15 Jahren günstig.

Für das Winterhalbjahr ab Oktober 2015 bis Ende März 2016 gebe es eine Mischrechnung, aus der Ölwärme und der baldmöglichst erwarteten Beznauer Abfallwärme. Wegen der grossen Menge könne die Refuna AG die Kosten nicht selber tragen.

Die Umstellung habe aber einwandfrei funktioniert. «So gut, dass niemand etwas davon gemerkt hat», sagt Müller. 30 Jahre lang habe man mit den Reservewerken quasi eine Versicherungsprämie bezahlt, jetzt sei der Ernstfall gekommen und die Vorsorge bewähre sich. Die Zahl der Reklamationen habe sich in Grenzen gehalten. «Es gab gegen 20 Reaktionen, einige sind bei mir direkt per Mail oder Brief eingetroffen», betont Müller.

Was kommt nach Beznau?

So oder so wird die Beznau-Wärmequelle in 10 bis 15 Jahren versiegen. «Wir machen danach weiter», das habe der Refuna-Verwaltungsrat schon vor drei Jahren beschlossen. Jetzt sei man aktiv daran, auf diesen Zeitpunkt Ersatz-Wärmequellen zur Verfügung zu stellen. Vom Tisch sind das abgelehnte Holzkraftwerk Würenlingen, das von der Axpo geplante Beznau 3 und wohl auch ein grosses Gaskraftwerk.

Alternative und erneuerbare Energien sieht Müller mit Biomasse (Holz) und Geothermie – aber konkrete Projekte seien kurzfristig kaum realisierbar. Man brauche sie erst in der Zukunft, denn Refuna wolle möglichst lange von der günstigen Beznau-Wärme profitieren. Dank einer technisch umgebauten Verbindung mit der Fernwärme Siggenthal fliesst erstmals Wärme aus den Öfen der KVA Turgi ins Refuna-Netz. Dadurch lässt sich der Einsatz von Heizöl reduzieren.

480 Millionen Liter Heizöl eingespart

Die regionale Fernwärme unteres Aaretal (Refuna) wird im Normalfall mit Abwärme der Atomkraftwerke Beznau betrieben. Die 2600 Kunden in den elf Gemeinden beziehen jährlich 170 000 Megawattstunden (MWh) Wärme für Heizung und Warmwasser. In den 30 Jahren des Bestehens sind 480 Millionen Liter Heizöl ersetzt worden. Dadurch konnte eine Million Tonnen CO2 eingespart werden.

Beim Bezug der Wärme aus Beznau werden jährlich 17 Millionen Liter Heizöl substituiert und damit 850 Lastwagenfahrten eingespart. Für die gleiche Energie würden 34 000 Tonnen Holzpellets und 1700 Lastwagen benötigt oder 240 000 Kubikmeter Holzschnitzel und 6000 Lastwagen für den Transport.

Die maximale Leistung von Refuna liegt bei 80 Megawatt, die bisherige Rekord-Auskopplung erreichte 72 Megawatt. Die normale Leistung im Winter beträgt 55 bis 60 Megawatt.

Weil viele Heizungen noch nicht (voll) laufen, reichen derzeit 14 Megawatt aus einem der vier Reserve-Heizwerke. Sie werden alternierend zugeschaltet, damit alle für den Winterbetrieb fit sind. 2,5 Megawatt liefern erstmals die Öfen der KVA Turgi via die Fernwärme Siggenthal. Das ist höchst willkommen, weil Refuna damit weniger Öl verbrennen muss. An den kältesten Wintertagen wird Siggenthal die Energie jedoch selber benötigen.

Der tägliche Ölverbrauch der Refuna liegt derzeit bei 25 000 Liter Heizöl. Falls Beznau 1 nicht vorher ans Netz geht, ist für mittlere Wintertage mit der vierfachen Menge zu rechnen. Also mit rund 100 000 Liter Heizöl pro Tag. (Lü.)