Zwischen 1845 und 1847 wurde die Lengnauer Synagoge gebaut. Nun hat das Wahrzeichen seine Farbe zurück – das Antlitz ist historisch belegt.
Noch schaben die Arbeiter die letzten Farbreste vom Mauerwerk. Seit aber das Gerüst entfernt wurde, entzückt das neue Farbkleid der Lengnauer Synagoge Einheimische wie Besuchende ebenso. Staunend geht der Blick hoch an die Fassade, goldig glitzern in der Mittagssonne die Schriftzeichen oberhalb der Eingangspforte und der Gebetstafeln.
Die Aussenhülle ist in einem beigen Ton gehalten, die Pfeiler sind weiss akzentuiert. Genauso verhält es sich mit den Fenstereinrahmungen und Rosetten. Das aufgefrischte Wahrzeichen mit dem freigelegten Kalksteinsockel und der dezenten Farbgebung versprüht nun eine Eleganz, die fast ein bisschen an die mediterrane Baukultur erinnert.
Der denkmalgeschützte Sakralbau aus dem Jahr 1847 wurde nach rund siebenmonatiger Aussenrenovation vor kurzem enthüllt. Die vorige Sanierung fand im Jahr 1983 statt. Warum man sich damals für den himbeerroten und vanillegelben Anstrich entschieden hat, ist aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbar:
Historisch belegt ist hingegen das neue Antlitz: Anhand verschiedener Aufnahmen aus dem Staatsarchiv sowie eines Erinnerungsbildes des Lengnauer Dorfplatzes um 1950 der Malerin Alis Guggenheim wurde die neue Farbgebung ermittelt:
«Die Zeit vergeht, nur hier stand sie sicher über 30 Jahre still», sagt Franz Bertschi, Stiftungsrat der Stiftung für die Gemeindegüter von Neu-Lengnau bei der Bauabnahme.
Dann verkündete der ehemalige Ammann feierlich, dass nun nebst der augenscheinlichen Veränderung und dank grosszügiger Spende selbst das Uhrwerk wiederhergestellt werden konnte.
Die besondere Herausforderung habe aber hauptsächlich darin bestanden, mit dem zur Verfügung stehenden Budget von 360 000 Franken die Synagogensanierung in dem Umfang durchführen zu können. Vor allem die zum Teil beträchtlichen Risse in der Aussenmauer gaben Anlass zu Besorgnis.
«Mit Netzen wurden die Sanierstellen abgedeckt, verputzt und danach mit atmungsaktiver Farbe versehen», führt der Basler Architekt Christian Lang aus, «das sollte für die nächsten zwei bis drei Generationen halten.» Sein Büro hat sich auf die Renovation historischer Bauten spezialisiert mit der Vision, sie nicht nur nachhaltig, sondern auch mit zeitlosem und sinnlichem Weitblick auszustatten.
Seine Ausführungen zeigen auf, wie komplex sich dieser Renovationsprozess gestaltet hat und wie behutsam vorgegangen werden musste: von diversen Farb- und Materialentnahmen des Fassadenputzes, über Aufnahmen und Analysen des Bauzustandes bis zur Rückverfolgung des verwendeten Steinguts. Für die Sanierung eines solchen Bauwerks nationaler Bedeutung ist dabei breit abgestütztes kulturhistorisches Wissen unentbehrlich.
Bis Ende Juni werden noch die letzten Stellen im Sockelbereich freigelegt und der Melliker Muschelkalk vorsichtig sandgestrahlt, bevor die Sanierungsarbeiten vollends abgeschlossen sind.
Das neue Gewand des bedeutsamen Kulturerbes strahlt schon jetzt weit übers Surbtal hinaus. Wer einmal auch das Innere des Bethauses entdecken möchte, kann dies auf einer Führung des jüdischen Kulturwegs erleben oder hat Gelegenheit bis Anfang September, sonntags von 14 bis 17 Uhr, einen Augenschein zu nehmen.