Lengnau
Kündigungswelle in Tagesstrukturen – nicht alle gingen freiwillig

Drei von sieben Lengnauer Mitarbeiterinnen müssen die «Taste» nach Unstimmigkeiten verlassen. Rückendeckung erhalten sie aus dem Dorf.

Stefanie Garcia Lainez
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In Lengnau hängt der Haussegen bei den Tagesstrukturen schief. (Symbolbild)

In Lengnau hängt der Haussegen bei den Tagesstrukturen schief. (Symbolbild)

Sandra Ardizzone

In den Surbtaler Tagesstrukturen «Taste» hängt der Haussegen schief: Zwei Mitarbeiterinnen und die Standortleiterin wurden per Ende Jahr entlassen, drei weitere hatten im Sommer ihre Kündigungen eingereicht. In einem siebenköpfigen Team betreuten die Frauen teilweise seit Jahren die Kinder in Lengnau vor und nach der Schule. Im Dorf heisst es: Den Kündigungen gingen Unstimmigkeiten zwischen den Lengnauer Mitarbeiterinnen und dem Vorstand voraus. Der Verein Taste führt in beiden Dörfern Lengnau und Endingen die Tagesstrukturen. Dem Vorstand wird vorgeworfen, kein Vertrauen in die Mitarbeiterinnen zu haben, Regeln aufs Auge zu drücken, die in Lengnau kaum umsetzbar seien, und auf Änderungsvorschläge oder Kritik nicht einzugehen. Rückendeckung erhalten die Mitarbeiterinnen von Eltern und der Schule.

Doch von vorne: Über mehrere Jahre hinweg betreuten die Mitarbeiterinnen in Lengnau zusammen den Mittagstisch. Seit August 2016 sind die Tagesstrukturen in Lengnau dem Verein Taste angegliedert, vertraglich geregelt zwischen der Gemeinde und dem Verein. Die Mitarbeiterinnen wurden übernommen. Seither kommt es immer wieder zu Reibereien, insbesondere, da die gleichen Regeln für beide Standorte gelten, obwohl deren Voraussetzungen ganz unterschiedlich sind.

Während in Endingen die Tagesstrukturen im früheren Kindergarten unter einem Dach mehrere Räume sowie draussen einen eingezäunten Spielplatz zur Verfügung haben, sind die Räume in Lengnau auf zwei Schulgebäude verteilt. In einem Raum wird gegessen, im anderen machen die älteren Kinder ihre Hausaufgaben, während die jüngeren direkt neben an spielen. Den Pausenplatz teilen sich die Tagesstrukturen mit der Schule und Eltern, die mit ihren Kindern den Spielplatz besuchen.

«Strichli»-Liste oder Trillerpfeife?

Der grösste Streitpunkt ist die Verabschiedung der Kinder nach dem Mittagstisch, die von verschiedenen als Beispiel genannt wird für das Verhältnis zwischen den Lengnauer Mitarbeiterinnen und dem Endinger Vorstand. Im Vordergrund steht die Kontrolle der Kinder, die sich nach dem Essen unter die bis zu 150 Schüler auf dem Pausenplatz mischen.

Die Mitarbeiterinnen gingen mit einer Liste von Kind zu Kind, verabschiedeten sie offiziell und strichen Name für Name auf der Liste durch. Der Vorstand verlangte aber, dass die Kinder sich alle an einem Treffpunkt bei der Betreuerin auf dem Pausenplatz verabschieden sollen. Die Betreuerin signalisiert mit einer Trillerpfeife oder Ähnlichem, wann der Zeitpunkt dazu gekommen ist. Doch die Kinder hören diese Pfeife offenbar kaum. Denn sie spielen meist schon bereits mit ihren Gspändli, die sich vor Unterrichtsbeginn auch auf dem verwinkelten Pausenplatz einfinden – entweder auf dem Fussballplatz, auf der anderen Seite auf der grossen Rutschbahn oder vorne beim Eingang zum alten Schulhaus.

«Es scheint, als können die Mitarbeiterinnen es dem Vorstand nicht recht machen», sagen Aussenstehende, die nicht namentlich erwähnt werden möchten. Dabei würden die Mitarbeiterinnen die Kontrolle der Kinder umsetzen, aber der vorhandenen Infrastruktur entsprechend. Auch dürften die Mitarbeiterinnen bei Fehlverhalten der Kinder nicht selbst das Gespräch mit den Eltern suchen, sondern müssten alles in einem Rapport festhalten. So erhielten die Eltern einen Anruf Hauptleitung aus Endingen – obwohl sie weder die Eltern noch die Kinder kenne.

Offenbar hielten die Mitarbeiterinnen diese Situation nicht mehr aus und gelangten im Sommer an den Lengnauer Gemeinderat. Es kam zu einer Mediation, welche die Wogen hätte glätten sollen. Doch der Vorstand sprach danach drei Kündigungen aus. Die Eltern wurden zwar darüber informiert, dass die drei Frauen die Tagesstrukturen verlassen würden, von Kündigung war indes keine Rede.

Schule wandte sich mit einem Brief an Gemeinderat

Dagegen regte sich Widerstand im Dorf. Mit einem Brief wandten sich die betroffenen Mitarbeiterinnen, aber auch die Schule Lengnau und ein ehemaliges Vorstandsmitglied an den Gemeinderat und den Vorstand und zeigten sich bestürzt über die Vorgänge. Bei einigen Eltern machte sich Unmut breit, dass sie nicht richtig über die Abgänge und auch nicht über die neuen Mitarbeiterinnen informiert wurden.

Sowohl der Gemeinderat als auch der Vorstand bestätigten «Unstimmigkeiten in der Kommunikation» sowie verschiedene Auffassungen über die Vereinsstrukturen und die Vereinsführung. «Der Aufbau der Tagesstrukturen in Lengnau und das in den letzten Jahren massive Wachstum hat sowohl Vorstand wie auch Hauptleitung und Betreuungsteam vor grosse Herausforderungen gestellt», schreibt der Vorstand in einer Stellungnahme. Zu den einzelnen Vorwürfen möchte er keine Stellung nehmen. «Auf anonyme Rückmeldungen werden wir weder jetzt noch künftig eingehen.» Der Vorstand hält fest, er sei immer bereit, auf konstruktive Kritik und Anregungen einzugehen und wenn immer möglich, Abläufe und Regeln an die aktuelle Situation und Gegebenheiten anzupassen. «Für den Vorstand haben das Wohl der Kinder und die damit verbundene Aufsichtspflicht oberste Priorität.»

Ammann Franz Bertschi bedauert die Kündigung der drei verdienstvollen Mitarbeiterinnen. Die verbleibenden Mitarbeiterinnen hätten jedoch bestätigt, dass die Qualität der Leistungen in Ordnung seien und sie weiterhin für Taste tätig sein würden. «Der Gemeinderat wird an den bisherigen Leistungsvereinbarungen festhalten, die an der Gemeindeversammlung 2015 genehmigt wurde.» Bertschi räumt aber ein: «Bei den Abläufen und der Kommunikation müssen Verbesserungen erzielt werden.» Und auch der Vorstand schreibt, dass nun gemeinsam ein Qualitätsmanagement ausgearbeitet werde.