In Kaiserstuhl wurde die Premiere von Yasmina Rezas Theaterstück «Kunst» mit grosser Begeisterung aufgenommen. Es zeigt humorvoll die Demontage der Freundschaft dreier Männer über ein weisses Bild.
Am Anfang steht das Bild eines zeitgenössischen, in der «upper class» total angesagten Malers – zirka 160 mal 120 cm gross und weiss. Serge – Arzt, geschieden, drei Kinder – hat es für 50000 Franken erworben und schwelgt vor Stolz und Begeisterung in höheren Sphären. Die Reaktion seines besten Freundes Marc jedoch holt ihn schlagartig auf den Boden zurück und lässt die langjährige Freundschaft aus den Fugen geraten.
Nicht nur, dass Aeronautik-Ingenieur Marc die weissen Linien auf dem weissen Bild, die laut Serge die ganze Genialität des Künstlers spiegeln, nicht erkennt. Marc bricht in schallendes Gelächter aus und nennt das Oeuvre «eine Scheisse», was Serge schlagartig zur – im wahrsten Sinne – Weissglut treibt.
Da hilft auch nicht, dass Yvan, der dritte im Freundschafts-Bund beteuert, im Weiss leicht gräuliche Linien zu sehen und von einer magischen Anziehungskraft des Bildes spricht. Als nicht sehr erfolgreicher Aussendienst-Mitarbeiter wird Yvan von den beiden Akademikern nicht sehr ernst genommen.
Das Thema Kunst gerät beim Trio sehr schnell in den Hintergrund und wird von knackigen Schlagabtauschen über persönliche Animositäten, negative Erinnerungen und aufgestaute Frustrationen abgelöst, in denen vor allem die beiden Akademiker Serge und Marc sich nichts schuldig bleiben.
Deren Selbstgefälligkeit, Uneinsichtigkeit und Rechthabereien münden schliesslich in blanke Wut, in fiesen Blossstellungen und in gezielte Gemeinheiten. Die um Frieden bemühten Interventionen von Yvan werden währenddessen schroff abgetan.
Mit «Kunst» hat die französische Schriftstellerin Yasmina Reza – anders als der Titel vermuten lässt – ein packendes Theaterstück um die Demontage einer Männerfreundschaft geschrieben. Sprachlich grandios und dramaturgisch äusserst raffiniert aufgebaut, zeichnet Reza die Charaktere der drei Männer messerscharf und mit subtilem Tiefgang.
Doch es fehlt dem Stück auch nicht an leiser Ironie und etwas lauterem Humor. Für helle Lacher im Publikum sorgt vor allem Nico Jacomet als Bräutigam Yvan, der mit den temporeichen Schilderungen von vertrackten Familienverhältnissen und Hochzeitsvorbereitungen ein schauspielerisches Kabinettstück bietet.
Da hat Stefan Schönholzer als provokativer Zyniker Marc einen etwas schwereren Stand. Er meistert die Aufgabe mit Bravour: Souverän und mit einer gehörigen Portion Arroganz, bietet sein Marc dem Freund Serge die Stirn, um nur richtig auszurasten als jener das Fass mit besonders fiesen Gemeinheiten zum Überlaufen bringt. Nicht ganz zu überzeugen vermag Mathias Ott als Serge. Mit seiner übermässigen, teils stereotypen Gestik und wenig prägnanten Diktion wirkt er in der Rolle weniger glaubhaft.
Einmal mehr hat Hausregisseur Peter Niklaus Steiner es brillant verstanden, der schwierig zu bespielenden Kaiserbühne ein interessantes Gesicht zu geben und mit seiner einfallsreichen Regie dem mitreissenden Stück, trotz der eingeschränkten Möglichkeiten des Kellers, gerecht zu werden.
Einem Stück, das 1994 in Paris uraufgeführt, bereits ein Jahr später auf Deutsch und inzwischen in 40 Sprachen übersetzt wurde und bis heute auf Bühnen weltweit ein Dauerbrenner. In Kaiserstuhl wird «Kunst» nach der lang anhaltend und begeistert applaudierten Premiere bis zum 31. Dezember weitere 18 Male gespielt.