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Das Konzept zum jüdisch-christlichen Vermittlungsprojekt «Doppeltür» wurde erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
„Wenn ich Besucherinnen und Besucher den Kulturweg Endingen-Lengnau präsentiere und frage, was ihnen zum Thema Juden in den Sinn kommt, ist es der Holocaust, viel Geld und Geschäftstriebigkeit. Danach ist Ende“, meint Roy Oppenheim, Hauptinitiant des Vermittlungsprojekts „Doppeltür“.
13,5 Millionen Juden gibt es heute weltweit, das macht 0,2% der Weltbevölkerung aus. Davon etwa 17‘000 in der Schweiz.
17 PRozent aller Nobelpreisträger haben jüdische Wurzeln. Oppenheim, der seit 46 Jahren in Lengnau lebt, kämpft mit grossem Engagement um die Anerkennung eines seit Menschengedenken immer wieder vertriebenen Volkes. Lehnt sich auf gegen Verdrängung und Ignoranz.
„Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschliesst, wird blind für die Gegenwart und Zukunft.“ Das Zitat des deutschen Politikers Richard von Weizsäckers liegt zuoberst auf seinen Folien, mit denen er der Bevölkerung das erste Mal das jüdisch-christliche Vermittlungsprojekt „Doppeltür“ präsentiert.
Ein auf ca. 16 Millionen Franken budgetiertes Vorhaben, das mit interaktivem Besucherzentrum, wechselnden Ausstellungen, Workshops, Führungen und Publikumsanlässen eine weltweit einzigartige Geschichte aufzeigt, die sich in den kleinen Kommunen Endingen und Lengnau abspielte (einzelne Module siehe Box).
Modul 1: Besucherzentrum Doppeltür mit inszeniertem Auftakt
Modul 2: Szenische und personale Führungen und Veranstaltungen
Modul 3: Workshops und Führungen für Schulen
Modul 4: Hörerlebnis «jüdischer Gottesdienst» in der Synagoge
Modul 5: Das Surbtaler Jiddisch in Wort-Installationen
Modul 6: Hörspielrundgänge zu den originalen Schauplätzen
Modul 7: Spielerische Erlebnistouren für Familien
Modul 8: Bilderweg zur Geschichte ausgewanderter jüdischer Familien
Modul 9: Inszenierter Alltag in einem jüdisch-christlichen Dorf
„Der Publikumstrakt der Vogelwarte Sempach hat 15 Millionen Franken gekostet. Ein neues Verständnis für die menschliche Vergangenheit sollte uns ebenso viel wert sein“, findet Oppenheim.
Der grösste Kostenpunkt ist das besagte, auf 12,5 Millionen Franken zu stehen kommende Besucherzentrum, dessen Standort auch in Baden oder Bad Zurzach denkbar wäre. „Wir planen kein langweiliges Museum mit Vitrinen, sondern eine berührende multimediale Erlebniswelt“, so Oppenheim.
Die alte Eidgenossenschaft schob Juden ab 1776 fast 100 Jahre in die kleinen Dörfer im Surbtal ab – es waren die einzigen Orte in der Schweiz, wo sie sich niederlassen durften.
Um 1840 lebten 500 von ihnen in dem gerade mal 800 Christen ausmachenden Örtchen Lengnau, rund 1000 im etwa gleichviele Einwohner zählenden Endingen.
„Man hätte sie ausgrenzen können auf abgelegenen Plätze in Camps“, schildert Oppenheim und man denkt bei seinen Worten an Szenen von der jetzigen Flüchtlingswelle aus Syrien nach Europa. Doch im Aargau fand man eine Lösung für ein friedliches Nebeneinander.
Die bestehenden Häuser wurden geteilt, es entstanden zwei Eingänge, einer für Juden und einer für Christen - die sogenannten „Doppeltüren“.
„Es gibt kaum einen Ort weltweit, wo unterschiedliche Religionen und Kulturen ein derartiges Zusammenleben geschafft haben“, bekundet Thomas Pauli, Leiter der Abteilung Kultur Kanton Aargau, der zusammen mit den beiden Gemeindevorstehern Franz Bertschi (Lengnau) und Lukas Keller (Endingen) sowie sämtlichen jüdischen Organisationen und dem Dorfmuseum Lengnau von Anfang an hinter dem Projekt stand.
Für die Umsetzung der zahlreichen Ideen zu einem realisierbaren Konzept zeigt sich das Badener Büro im Raum verantwortlich, Projektleiter ist seit 2016 Lukas Keller. Der nächste Schritt ist nun die Gründung des Vereins Doppeltür, 2017 soll die gleichnamige Stiftung zur Finanzmittelbeschaffung ins Leben gerufen werden. Erklärtes Ziel ist es, die verschiedenen Module von 2017 bis 2020 schrittweise umzusetzen.
Der Grossteil der Bevölkerung zeigte sich überzeugt von der Konzeptpräsentation in der Aula Rietwise.
Anna Ehrismann, Lengnauer Bürgerin: „Das Projekt ist wichtig. Die Tochter einer Kollegin studiert in Zürich. Sie nehmen sich die jüdische Geschichte vor. Anhand der Beispiele von Lengnau und Endingen.“