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Die Zurzibieter Gemeinde Rekingen fürchtet den "finanziellen Ruin" wegen anerkannter Flüchtlinge. Der Gemeinderat warnt Liegenschaftsbesitzer deshalb öffentlich davor, diesen Wohnungen zu vermieten. Das "Netzwerk Asyl Aargau" ist empört über diesen Aufruf.
Der Rekinger Gemeinderat kommt in der jüngsten Ausgabe des «Strichpunkt», dem offiziellen Publikationsorgan der Gemeinde, ohne Umschweife zum Thema: Unter dem Titel «Aufnahme Asylanten mit Status B» schreibt er:
«Der Gemeinderat Rekingen wurde von den Sozialen Diensten Bad Zurzach darauf aufmerksam gemacht, dass sieben ehemalige Bewohner der Asylantenunterkunft nun den Status B erhalten haben und sich in Rekingen fest niederlassen. Der humanitäre Gedanke hinter der Wohnungsvermietung ist lobenswert. Diese Personen leben aber von der materiellen Hilfe. Sobald die Gemeinde kostenpflichtig ist, bedeutet dies den finanziellen Ruin für Rekingen. Aus diesem Grund bitten wir die Eigentümer von Liegenschaften, künftig von Mietverträgen mit Asylanten Status B abzusehen.»
Mit anderen Worten: Die Gemeinde will verhindern, dass anerkannte Flüchtlinge sich in ihrem Dorf niederlassen. Aus Angst, sie würden – falls langfristig arbeitsloh – ihnen als Sozialhilfeempfänger finanziell zur Last fallen.
"Als Sozialfälle die Gemeinde existenziell bedrohen"
Seit 2009 verfügte der Kanton in Rekingen über Unterkünfte für Asylbewerber mit Platz für 83 Personen. Ende 2014 kam eine weitere Liegenschaft dazu, sodass heute insgesamt 143 Asylsuchende in Rekingen platziert werden können. Es gab und gibt bei den Bewohnern, auch bei den untergebrachten Ethnien, viele Wechsel. Konsequent sind in Rekingen aber ausschliesslich alleinstehende Männer platziert.
Einige von ihnen müssen als anerkannte Flüchtlinge nun die kantonale Unterkunft verlassen, haben aber grundsätzlich freie Wohnsitzwahl. «Sieben von ihnen wollen aber in Rekingen bleiben. Es sind alles Eritreer. Fünf von ihnen haben bereits eine neue Bleibe hier in Rekingen gefunden», bestätigt Gemeinderat Roman Knöpfel, zuständig für Asylwesen und Finanzen, gegenüber der az.
Asylbewerber verursachen einer Gemeinde nur marginale Kosten, etwa wenn sie auf der Verwaltung Erkundigungen einholen. Das gilt – während fünf Jahren – auch für anerkannte Flüchtlinge, denn so lange übernimmt der Kanton deren Sozialhilfe. «Die ganz grosse Frage ist, was danach passiert», warnt Knöpfel. Die Gemeinde Rekingen hat mit 125 Prozent den zweithöchsten Steuerfuss im Aargau. «Als Sozialfälle würden sie die Gemeinde existenziell bedrohen.»
Dem wolle Rekingen rechtzeitig vorbeugen. Der Aufruf im «Strichpunkt» sei diesbezüglich eine erste Massnahme, betont der Gemeinderat. «Vom humanitären Standpunkt aus ist es sicher lobenswert, wenn jemand einem Flüchtling spontan ein Zimmer oder eine Wohnung vermietet. Die Frage ist aber, ob sich der Vermieter bewusst ist, dass beispielsweise eine Kommunikation mit dem Mieter kaum möglich ist. Dann gibt es auch die anderen Vermieter, die sich ‹gäbig› bereichern wollen, weil der Kanton die Miete ja garantiert pünktlich bezahlt.»
Patrizia Bertschi, Präsidentin vom Verein Netzwerk Asyl Aargau, findet diesen Aufruf an die Bevölkerung «sehr bedenklich, unfair und voreilig». Allerdings, so Bertschi, stehe Rekingen damit längst nicht allein da. «Tatsache ist, dass diese zumeist jungen Männer von der Schweiz als Flüchtlinge anerkannt wurden und mit grösster Wahrscheinlichkeit den Rest ihres Lebens hierbleiben werden. Also müssen wir sie nach Kräften unterstützen, den rechten Weg in die finanzielle Selbstständigkeit zu finden.» Bertschi: Beispielsweise könnten Gewerbler in Rekingen Hand bieten, ihnen ein Arbeitspraktikum anbieten, aus dem vielleicht mehr resultiert. Bei der Arbeitsintegration ist auch der Kanton gefragt.
Gemeinderat Köpfel seinerseits betont, es sei nicht so, dass Rekingen auf gar keinen Fall wolle, dass die Flüchtlinge in der Gemeinde wohnhaft bleiben. «Unsere Strategie ist, ihnen vor Augen zu führen, dass der Ort in puncto Arbeitsangebot nicht wahnsinnig attraktiv und lukrativ ist, um längerfristig hierzubleiben.» Um dies zu erreichen, werde Rekingen die Angebote des Kantons zur Integration der Flüchtlinge extensiv nutzen.
Vor zwei Jahren sorgte die Gemeinde Riniken im Bezirk Brugg mit einem ähnlichen Aufruf wie jetzt Rekingen für Schlagzeilen. Riniken ermunterte Hausbesitzer, keine Wohnungen an Zuzüger zu vermieten, die am früheren Wohnort bereits Sozialhilfe bezogen haben. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe Skos kritisierte dieses Vorgehen als «verfassungswidrige Aktion». Der Kanton sah dagegen keinen Anlass, einzugreifen.
Zur Integration von anerkannten Flüchtlingen sagt Balz Bruder, Sprecher des Departements Gesundheit und Soziales beim Kanton: «Die betroffenen Personen haben Rechte, die ihnen zustehen, aber auch Pflichten, die sie zu erfüllen haben, damit die Integration erfolgreich ist und letztlich dafür sorgt, dass die Personen in jeder Hinsicht auf eigenen Beinen stehen.» Gemeinderat Knöpfel meint dazu: «Wenn wir das schaffen, wird Rekingen die Gewinnerin sein.»