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Die neue Gemeinde Zurzach sucht Kandidaten für den Gemeinderat. Auf der Liste stehen bisher praktisch nur Männer. Was läuft falsch? Eine Spurensuche.
In vielen Schweizer Städten herrschte vergangenes Wochenende Hochbetrieb. Bern, Basel, Zürich befanden sich fest in Frauenhänden. Tausende gingen zum Jahrestag des Frauenstreiks vom 14. Juni 2019 auf die Strasse und machten auf ihre Forderungen nach Gleichstellung, Gleichberechtigung und Mitbestimmung erneut lautstark aufmerksam.
Während in den Chefetagen von Unternehmen nach wie vor ein krasses Missverhältnis besteht, ist der Frauenanteil bei den eidgenössischen Wahlen im Herbst deutlich angestiegen. Er erhöhte sich von 32 auf 42 Prozent im Nationalrat, im Ständerat von 15 auf 26 Prozent.
Umso grösser ist die Ernüchterung gerade in weiten Teilen im Zurzibiet: Am letzten Freitag wurde die erste Liste mit den Kandidaturen für den künftigen Gemeinderat der neuen Gemeinde Zurzach bekannt gegeben, die am 1. Januar 2022 in Kraft tritt. Unter den zehn offiziellen Bewerbungen aus den acht Fusionsgemeinden, die für einen der sieben Sitze im Gemeinderat antreten, befindet sich mit Esther Käser nur eine Frau. «Das ist tatsächlich ernüchternd», sagt die 56-jährige Gemeinderätin aus Rekingen.
Das sind die bisher bekannten Kandidierenden:
Deutlicher wird die Kommunikationsverantwortliche Susanne Holthuizen vom Verein «Zurzibieter Frauen», der sich für die Förderung von Frauen in Unternehmen und Behörden im Bezirk einsetzt. «Es kann nicht sein, dass man das Feld einfach den Männern überlässt.»
Eine abschliessende Erklärung, weshalb das Interesse für ein Amt im künftigen Gremium derart gering ist, hat Holthuizen nicht. Es sei nun aber zwingend, dass etwas unternommen werde, damit die Frauen angemessen vertreten seien. «Wir bieten hierzu gerne Hand, in Form von Coachings.»
Holthuizen hätte es zudem begrüsst, wenn die Umsetzungskommission, die für die Organisation des Zusammenschlussvertrags zuständig ist, das Gespräch mit den «Zurzibieter Frauen» gesucht hätte, um dem Thema mehr Beachtung zu schenken.
Reto S. Fuchs, Präsident der Umsetzungskommission, erklärt, dass man innerhalb der einzelnen Gemeinden mehrere Aufrufe gemacht habe, auch mit dem Wunsch nach einem guten Geschlechtermix. Es sei aber nicht Aufgabe der Kommission, aktiv Wahlpolitik zu betreiben.
Zu den angesprochenen Personen gehörte auch Irene Keller, Gemeinderätin in Böbikon. Sie habe sich eine Kandidatur zwar überlegt, sagt sie. Gerade, weil sie sich eine höhere Frauenbeteiligung wünsche. Ausschlaggebend für den Verzicht sei schliesslich der Zeitaufwand gewesen, und dass sich in ihrer Gemeinde zwei fähige, erfahrene Männer für das Amt zur Verfügung stellen würden. Mit ihrer Haltung zementiert Keller ein gängiges Rollenbild. «Wären Frauen nur halb so überzeugt von sich wie viele Männer, wäre das Problem der Untervertretung auf einen Schlag beseitigt», sagt Susanne Holthuizen, die einst im Gemeinderat in Lengnau politisierte. Es liege daher auch an den Frauen selbst, den Mut aufzubringen.
Esther Käser pflichtet dem bei. Es habe sie einige Überwin- dung gekostet, sich aufzustellen. Letztlich habe sie zugesagt, weil sie überzeugt sei, dass sich der Blickwinkel von Frauen gegenüber jenen von Männern in mancher Hinsicht unterscheide. «Wir fangen mit der neuen Gemeinde auf einer grünen Wiese an. Dazu würde ich gerne den Dünger liefern, damit die junge Pflanze ‹Zurzach› gedeihen kann», so Käser.
Mit ihrer Kandidatur hofft sie, die eine oder andere Frau für ein Engagement in der Gemeinde Zurzach zu bestärken. Die Bewerbungsfrist läuft bis zum 13. August. «Bis dahin gibt es noch einiges zu tun», sagt Susanne Holthuizen. Der erste Wahlgang findet am 27.September statt.