Zurzibiet
Euro-Absturz löst in der Grenzregion Sorgen aus

Gewerbe, Gastronomie und Tourismus im Zurzibiet sind in Sorge wegen des tiefen Euro-Kurses. Doch sie geben sich kämpferisch.

Nadja Rohner
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Rund 20 Prozent der Bäder-, Kur- und Hotelgäste in Bad Zurzach kommen aus dem süddeutschen Raum.

Rund 20 Prozent der Bäder-, Kur- und Hotelgäste in Bad Zurzach kommen aus dem süddeutschen Raum.

zvg

Kaum hatte die Nationalbank die Aufhebung des Mindestkurses verkündet, ging der Run auf den Euro bei den Banken los – auch im Zurzibiet als Grenzregion. «Am Donnerstagabend waren wir praktisch ‹ausverkauft›», sagt Daniel Schläpfer von der Raiffeisenbank Böttstein.

Dies sei nur ein kurzfristiger Effekt – Sorgen bereiten hingegen die langfristigen Auswirkungen auf Firmen mit hohem Exportanteil in den Euro-Raum sowie auf das Zurzibieter Gewerbe. «Sowohl die Restaurants als auch die Ladenbesitzer werden meiner Meinung nach empfindliche Einbussen hinnehmen müssen.»

Tourismus: Neue Strategie gesucht

«Dieser Entscheid ist für den Tourismus im Zurzibiet dramatisch, auch wenn er irgendwann zu erwarten war», sagt Peter Schläpfer, Geschäftsführer der Bad Zurzach Tourismus AG.

Einerseits werde so das Euro-Gebiet für Touristen aus der Schweiz attraktiver. Andererseits falle ein Besuch im Zurzibiet und den Bade- und Kureinrichtungen für Ausländer jetzt wesentlich teurer aus.

Rund 20 Prozent der Tages- und Hotelgäste in Bad Zurzach kommen aus Deutschland. «Innerhalb der Schweiz sind wir im Preisvergleich absolut top», so Schläpfer.

«Mit der süddeutschen Konkurrenz mitzuhalten und für deutsche Gäste attraktiv zu sein, war aber schon mit dem 1.20-Mindestkurs nicht einfach. Jetzt wird dies noch deutlich schwieriger.» Schläpfer erwartet deshalb langfristig Auswirkungen auf die Strategien der Tourismus-Einrichtungen.

Dennoch, Schnellschüsse wolle man keine machen: «Wir warten noch zwei, drei Tage ab, wie sich der Kurs entwickelt. Dann prüfen wir, mit welchen Massnahmen und Aktionen wir einem Besucherschwund entgegenwirken könnten. Ein Vorteil für Bad Zurzach ist sicher das breite Angebot mit touristischen und gesundheitlichen Schwerpunkten.»

Fakt ist: Geht es dem Tourismus schlechter, leidet das ganze Zurzibiet mit. Dies zeigt eine Wertschöpfungsstudie, welche die Bad Zurzach Tourismus AG vor rund einem Jahr hatte durchführen lassen. Darin wurde untersucht, welche Wirkung die Gäste der wichtigsten einheimischen Tourismusinstitutionen – zum Beispiel des Thermalbads – haben. Die Gesamtwirkung des Bäder- und Gesundheitstourismus belief sich 2012 auf rund 139,5 Millionen Franken.

Der Tourismus ist aber eine Querschnittbranche: Von drei generierten Franken bleibt nur einer im Tourismus, der Rest fliesst in andere Bereiche, zum Beispiel in den Detailhandel. Gemäss der Studie machen die Wirkungen der untersuchten Zurzacher Institutionen 4,6 Prozent des ganzen Zurzibieter Bruttoinlandprodukts aus. Die Institutionen sorgen für 6,2 Prozent der regionalen Beschäftigung. Fast 30 Prozent der Beschäftigten in Bad Zurzach sind in der Tourismus- oder Gesundheitsbranche tätig.

Gewerbe: Mehr Einkaufstourismus?

Auch die Gewerbetreibenden wurden vom Nationalbankentscheid überrumpelt. «Ich denke, wir haben am Donnerstag einen historischen Tag erlebt», sagt René Utiger, Präsident des Gewerbevereins Aaretal Kirchspiel. Dass die Aufhebung des Mindestkurses irgendwann kommen werde, sei eigentlich klar gewesen – «Ich habe im Rahmen der Neujahrsansprache des Gewerbevereins Aaretal-Kirchspiel vor einer Woche erwähnt, dass wir uns auf bewegte Zeiten einstellen müssen und unter anderem eine allfällige Aufhebung des Mindestkurses erwähnt. Dass dies so schnell und plötzlich geschieht, davon bin ich aber niemals ausgegangen.»

Utiger vermutet, dass die Auswirkungen bei Industrie und Tourismus weit grösser sein werden, als beim lokalen Gewerbe. «KMU haben den Vorteil, dass sie sich relativ schnell an neue Gegebenheiten anpassen können. Wir im Zurzibiet sind es uns zudem schon länger gewohnt, mit Einkaufstouristen zu leben, daran ändert sich grundsätzlich nichts. Sollte sich der Eurokurs auf einem tiefen Niveau einpendeln, gehe ich davon aus, dass mittelfristig in der ganzen Schweiz die Preise – aber auch die Löhne – deutlich sinken werden.»

Die Mitglieder des Gewerbevereins Surbtal kamen gestern zufällig zu einem lange angekündigten «Winterplausch» zusammen. «Natürlich war der Entscheid der Nationalbank das grosse Gesprächsthema», sagt Präsident Paul Hediger. Man habe zwar auch damit gerechnet, dass der Mindestkurs irgendwann aufgehoben werden würde, dennoch sei man «schon ein bisschen geschockt»: «Die meisten unserer Mitglieder sind zwar nicht exportorientiert», hält der Inhaber eines Gartencenters in Lengnau fest. «Aber was uns Probleme machen könnte, ist eine Zunahme des Einkaufstourismus. Deshalb haben wir Respekt vor dieser neuen Situation.»

Gastro: Qualität wichtiger als Preis

Vom fallenden Eurokurs betroffen ist auch die Gastronomie. «Die Zurzibieter Gastronomen müssen sich schon jahrelang der Herausforderung stellen, an der Grenze zu Deutschland zu überleben», hält Michael Hauenstein fest. Der Wirt der «Sonne» in Leuggern ist auch im Vorstand von Gastro Aargau und weiss: «Die Schere bei den Personalkosten und beim Einkauf gegenüber den deutschen Gastrokollegen wird nun noch grösser.»

Unbestritten könne man preislich mit der deutschen Konkurrenz nicht mithalten. Hauenstein setzt aber punkto deutscher Qualität ein Fragezeichen. «Ich bin oft beruflich in Deutschland und habe mehrheitlich festgestellt: Eine gute Produkte-Qualität und eine ausgebildete Servicefachkraft haben auch in Deutschland ihren Preis.»

Auch gewisse Schweizer Mitbewerber versuchten, über den Preis ihr Restaurant zu füllen, sagt Hauenstein. «Meiner Meinung nach überlebt ein Gastronom aber nur, wenn dem Gast ein tadelloses Preis-Leistungspaket serviert wird. Der Konsument von heute schätzt eine frische, saisonale Küche sowie eine ausgebildete Fachkraft im Service und ist bereit, für dieses Angebot den Schweizer Preis zu bezahlen.»

Hauenstein weist auch auf mögliche Konsequenzen für die Ausbildung von künftigen Fachkräften in Küche und Service hin: Müssen Gastrobetriebe schliessen, fallen Lehrstellen weg. «Ich glaube nicht, dass unsere Lernenden künftig in Waldshut oder in Höchenschwand in die Lehre gehen möchten.»