Bezirksgericht Zurzach
Ein Treuhänder wird schriftlich zum Unflat

Ein 73-Jähriger stand wegen übler Nachrede und unerlaubter Ausübung des Anwaltsberufs vor dem Richter.

Rosmarie Mehlin
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Das Bezirksgericht muss über einen Mann urteilen, der sich selbst als Anwalt ausgegeben haben soll. (Symbolbild)

Das Bezirksgericht muss über einen Mann urteilen, der sich selbst als Anwalt ausgegeben haben soll. (Symbolbild)

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Das ergraute Haar gelichtet, auf der Nase eine Brille und um die Taille ordentliche Fülle. Walti (Namen geändert) ist eine imposante Erscheinung. Auch mit seinen 73 Jährchen auf dem Buckel übt er seinen Beruf noch immer mit Leidenschaft aus. Als Treuhänder ist Walti weitgehend vertraut mit Recht und Gesetz. «Besonders häufig nehme ich für meine Klienten Anträge auf Rechtsöffnung an die Hand. Darin bin ich ein eigentlicher Profi.»

Als solcher vertritt er die Klienten bei Behörden und Gerichten. Gestern stand er in Zurzach vor Einzelrichter Cyrill Kramer. Genau genommen sass Walti – denn er war Beschuldigter. Der Staatsanwalt hatte ihn der üblen Nachrede sowie der unerlaubten Ausübung des Anwaltsberufes angeklagt und wollte den Treuhänder dafür mit einer bedingten Geldstrafe von 8100 Franken und 2000 Franken Busse bestraft sehen.

Im Januar letzten Jahres hatte Walti vor dem Bezirksgericht Baden einen Klienten in einer zivilrechtlichen Angelegenheit – es ging um eine Forderung – vertreten. Namens dieses Klienten hatte Walti bereits im Dezember zuvor eine Replik sowie im Januar eine weitere relevante Eingabe verfasst und bei Gericht eingereicht. Als der zuständige Richter feststellte, dass die berufsmässige Vertretung im Zivilverfahren in diesem Fall patentierten Anwälten vorbehalten ist, hatte er Walti angezeigt.

Als erfahrener Treuhänder, so Richter Kramer, müsse Walti doch gewusst haben, in welcher Form und inwieweit er – rechtlich gesehen – seinen Mandanten vor Gericht vertreten darf. «Seit 20 Jahren vertrete ich Klienten vor Gerichten und Behörden, und sei es auch nur in Sachen Schuldbetreibung- und Konkurs-Gesetz. Dabei bin ich regelmässig mit Vollmachten ausgestattet, aber in all den vielen Jahren bin ich nie als Anwalt oder so aufgetreten», versicherte Walti und fügte an, dass hier ein Missverständnis vorliegen müsse.

Mehr zu reden gab der Vorwurf der üblen Nachrede. Eine Firma für Hausverwaltungen sowie mit Susi eine direkt betroffene Mitarbeiterin hatten entsprechende Klage eingereicht. Im Zentrum standen die Protokolle von einer Eigentümer- und einer Miteigentümerversammlung, an denen Walti als Vertreter eines Kunden teilgenommen hatte. «Ich halte fest, dass das eine Protokoll nicht stimmt», sagte er vor Gericht dezidiert. Betreffend die gemeinsame Tiefgarage hätten alle Miteigentümer die Jahresrechnung zurückgestellt. Dies hätten, behauptet Walti, auch die Eigentümer von einem der drei betreffenden Häusern getan. Im Protokoll aber habe gestanden, auch sie hätten diese Jahresrechnung angenommen.

Ein in Rage geratener Walti hatte daraufhin der Hausverwaltung sowie Susi persönlich einen Brief geschickt, in welchem er sie «der Urkundenfälschung durch Falschprotokollierung» und der «anhaltenden Verbreitung von Unwahrheiten» bezichtigte. Eine Kopie des Schreibens hatte Walti zudem per E-Mail an sämtliche Stockwerkseigentümer des betreffenden Hauses geschickt. Ob er sich dafür mal bei Susi entschuldigt habe? «Nein», bekannte Walti kurz und bündig.

Ruf massiv beschädigt

Sein Verteidiger forderte in beiden Anklagepunkten Freispruch. Walti sei seit Jahrzehnten als Treuhänder tätig und noch nie verurteilt worden. Was seinen Auftritt am Bezirksgericht Baden betrifft, so habe er sich in einem Irrtum befunden und gewiss nicht mit Vorsatz gehandelt. Betreffend die üble Nachrede sei das Beweisverfahren dürftig und «wurden keine objektiven Zeugen befragt».

Susis Anwalt betonte, Waltis Beschuldigungen seien haltlos und unbegründet, denn die Eigentümer des betreffenden Hauses hätten die Jahresrechnung sehr wohl angenommen gehabt. Mit seinem Schreiben und den Mails habe er den Ruf seiner Mandantin massiv beschädigt, weshalb ihr eine Genugtuung von 500 Franken zustehe. Überdies habe Susi wegen dieser leidigen Angelegenheit einen Zusatzaufwand von mindesten 33 Arbeitsstunden gehabt, weshalb der Beschuldigte der Hausverwaltungs-Firma einen Schadenersatz von 2596 Franken zahlen müsse.

Das Urteil wird schriftlich zugestellt.