Tegerfelden
Die Deponie Buchselhalde spaltet das Dorf – das sind die sechs wichtigsten Fragen und Antworten

Tegerfelden streitet über die geplante Erweiterung der Deponie. Nun formieren sich die Lager und versuchen die Bevölkerung für die Abstimmung am 24. November von ihren Argumenten zu überzeugen.

Stefanie Garcia Lainez
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Zwischen Surb (versteckt durch Bäume) und der abfallenden Böschung ist die Deponie Buchselhalde geplant.

Zwischen Surb (versteckt durch Bäume) und der abfallenden Böschung ist die Deponie Buchselhalde geplant.

Sandra Ardizzone

Kaum ein Thema scheidet die Geister in Tegerfelden momentan derart wie die geplante Erweiterung der Deponie Buchselhalde. Im Juni genehmigten die Tegerfeldner an der Sommergmeind knapp die nötige Nutzungsplanänderung mit 98 gegen 95 Stimmen. Dagegen wurde erfolgreich das Referendum ergriffen.

Am 24. November kommt es nun zur Entscheidung an der Urne. Seit knapp einer Woche informieren Gemeinde, Gegner und Befürworter in einer Holzhütte vor der Gemeindeverwaltung über das Vorhaben. Der Abstimmungskampf ist mit Websites, Flyern, Plakaten und in den sozialen Medien lanciert.

Darum geht es bei der Erweiterung der Deponie

Das Döttinger Unternehmen Birchmeier Kies + Deponie AG plant, zwischen Döttingen und Tegerfelden rund 900'000 Kubikmeter unverschmutzten Bauaushub abzulagern. Dort besitzt das Unternehmen bereits die ehemalige Kiesgrube Buchselhalde, die mittlerweile gefüllt ist.

Zwischen dieser Kiesgrube und der Surb soll auf einer Länge von rund 700 Metern Bauaushub abgelagert werden. Die höchste Stelle wird rund drei Meter höher als die Hauptstrasse nach Döttingen sein, etwa 90 Meter von der Strasse entfernt. 2017 stimmte der Grosse Rat der Aufnahme der Deponie Buchselhalde in den Richtplan zu.

Nun müsste Tegerfelden der Nutzungsplanänderung an der Urne ein weiteres Mal zustimmen. Ja sagte im Juni die Döttinger Sommergmeind, auf deren Gemeindegebiet mit 1500 Quadratmetern ein vergleichsweise kleiner Teil der geplanten Deponie liegt, die ausdrücklich für regionale Bauunternehmen vorgesehen ist. In Tegerfelden soll die bestehende Fläche um 90'000 Quadratmeter oder über 12 Fussballfelder auf 131'000 Quadratmeter erweitert werden.

Ist eine Erweiterung der Deponie nötig?

Das Komitee Deponie Buchselhalde Nein findet, der Bedarf sei nicht gegeben. Die Gegner zitieren dazu auf ihrer Website aus einem Bericht von 2018, den das kantonale Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) in Auftrag gab: «Die Region Zurzach weist bis 2028 grosse Leervolumen auf, die immer deutlich über dem kantonalen Schnitt liegen. Aus heutiger Sicht zeichnet sich kein Engpass ab.»

Heinz Deppeler vom Komitee sagt: «In Böttstein gibt es eine grosse Deponie, die noch lange ausreicht.» Er weist auch auf das geplante Kiesabbaugebiet Hard/Härdli in Klingnau, das wieder aufgefüllt werden müsse. «Wir sollten nicht auf Vorrat eine Deponie erstellen und massive Auswirkungen auf die Umwelt riskieren.»

Peter Wiedemeier, Präsident der IG Pro Buchselhalde, hingegen ist der Meinung, dass man über die nächsten neun Jahre hinaus denken müsse. «Hinzu kommt, dass die Zahlen dieser erwähnten Statistik sich laufend verändern.» Er führt dazu das Beispiel der geplanten Deponie in Fisibach auf, deren Deponie-Typ sich kürzlich geändert hat und somit kein Aushubmaterial mehr entgegennimmt, was auch auf die geplante Deponie in Mellikon zutreffe.

Was bedeutet die Deponie für Tier und Natur?

«Wir wollen die Natur erhalten, so wie sie ist, und keine künstliche Natur schaffen», lautet die Aussage der Gegner. Heinz Deppeler vom Nein-Komitee ist überzeugt, dass mit der geplanten Deponie das Naherholungsgebiet der Bächlimatte und der Schwobewis zerstört, werde.

«Der schöne Wanderweg würde durch eine Schlucht führen, hätte massiv weniger Sonnenlicht und der Blick auf den Rebberg würde wegfallen.» Durch die Verlegung des Wegs näher an die Surb würden zudem die Tiere durch Wanderer und Hunde gestört.

Zur geplanten Renaturierung sagt Deppeler, Gemeindeangestellter und Bio-Landwirt: «Im Gegensatz zu Rietheim war hier keine Auenlandschaft, die Natur und der Bachverlauf sind noch unberührt, die Enten können in Ruhe brüten.»

Auch das kantonale Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU), das die Deponie befürwortet, schreibt im Vorprüfbericht: «Mit der Auffüllung wird die Landschaft in diesem Bereich stark verändert.» Der Deponiekörper werde das Surbtal an dieser Stelle einengen und die Sichtachse in Längsrichtung beeinträchtigen. Das BVU schreibt aber auch: «Der Landschaft wird im Bereich des Planungsperimeters keine kantonale Bedeutung zugemessen.»

Ähnlich wie der Kanton sieht es die Naturschutzorganisation Pro Natura Aargau. Geschäftsführer Johannes Jenny zeigt zwar Verständnis für die Gegner und spricht ebenfalls von einem starken Eingriff.

Er sagt aber auch: «Es wird weniger Kies abgebaut als früher, während mehr Aushub anfällt. Das muss irgendwo hin – da eignet sich die Erweiterung einer bestehenden Deponie wie in Tegerfelden am besten.» Jenny ergänzt: «Für die Natur wäre die Deponie ein Gewinn. Es würde am Schluss mehr Fläche für die Natur entstehen und zahlreiche bedrohte Arten erhielten hervorragende Ersatzlebensräume.»

Er führt das Beispiel der Kreuzkröte an, die auf künstliche Lebensräume angewiesen ist, weil heute die natürliche Flussdynamik fehle. Er ist überzeugt, dass das veränderte Naherholungsgebiet Qualität haben werde.

Dieser Ansicht ist auch Peter Wiedemeier vom Pro-Komitee, der Schulleiter in Würenlingen ist. Neben der Natur profitiere ausserdem die Bevölkerung. «Es ist klar, dass sich das Naherholungsgebiet verändert, aber mit einigen Vorteilen.» Denn heute sei die Surb nicht zugänglich, da Privatgrund mit Gebüschen dazwischen liegt.

In Zukunft soll der Weg näher am Bach entlang führen und die geplante Magerwiese der Öffentlichkeit zugänglich sein. Dadurch vergrössert sich auch der Abstand der Landwirtschaft zur Surb, wodurch weniger Nitrat und Pestizid ins Gewässer gelange. «Und für die Landwirtschaft entsteht nachher eine leicht grössere, zusammenhängende und deutlich besser besonnte Fläche.»

Beeinflusst die Deponie das Klima?

Die Gegner befürchten starke klimatische Veränderungen. «Die Deponie könnte einen Luftstau verursachen mit Nässe und Kälte oder wie ein Ofenrohr für Hitze und Trockenheit sorgen», sagt Heinz Deppeler. Die Befürworter verweisen auf die beiden Studien, welche die Birchmeier Kies + Deponie AG in Auftrag gab.

Eine erste Studie zeigte 2016, dass die Erweiterung kaum Auswirkungen auf das Klima im Dorf und in den Weinbergen habe. Eine vertiefte, vor kurzem veröffentlichte, Studie bestätigte dies.
Heinz Deppeler vom Nein-Komitee weist daraufhin: «Die Experten sagen nicht explizit, dass es keine Veränderung gibt, sondern ‹minime›. Offenbar wissen auch sie es nicht genau.»

Er ergänzt: «Man kann doch heute nicht messen, was passiert, wenn das Tal zu ist, ohne es zu simulieren. Und schon gar nicht über einen Zeitraum von sechs Wochen.» Peter Wiedemeier vom Pro-Komitee entgegnet: «Abgesehen davon, dass wir Menschen unsere Umwelt laufend verändern – unabhängige, renommierte Experten haben nachvollziehbare Ergebnisse geliefert. Darauf müssen wir vertrauen können.»

Bringt die Erweiterung mehr Verkehr?

Durch die Deponie werde während Jahren viel Schwerverkehr aus allen Richtungen verursacht, befürchten die Gegner. Heinz Deppeler: «Die Firma Birchmeier AG hat in Bad Zurzach und Rheintal sicher auch Baustellen. Der Lastwagentransport zur Deponie bedeutet Lärm, Gestank und Staub.»

Die Befürworter weisen daraufhin, dass der durch die Deponie verursachte Verkehr am Gesamtverkehr gering sei. Zudem würde sich die heutige Situation nicht ändern, lediglich um acht bis zehn Jahre verlängern.

Käme die Deponie nicht zustande, würden viel mehr Lastwagen durch das ganze Dorf in Richtung Deutschland fahren, wo der Aushub und somit auch die Wertschöpfung landen und 1,5 Millionen Lastwagen-Kilometer mehr verursachen würden. «Kurze Verkehrswege sind eines unserer Hauptanliegen», sagt Peter Wiedemeier, der selbst in der Nähe der geplanten Deponie wohnt und somit direkt betroffen wäre.

Was bedeutet die Erweiterung finanziell?

Die Befürworter listen eine Reihe finanzieller Vorteile für Tegerfelden auf: eine einmalige Entschädigung in die Gemeindekasse von rund 900'000 Franken (1 Franken pro Kubikmeter), die Erneuerung der Kanalisation für 400'000 Franken, Renaturierung des Surbraums mit einem neuen Naherholungsgebiet direkt an der Surb (Gegenwert 300'000 Franken).

Gegner Deppeler hält dagegen, dass Renaturierung und die Erneuerung der Kanalisation ohne Deponie nicht nötig seien. «Die Schäden in der Leitung kann man stellenweise reparieren, was weniger als 100'000 Franken kostet.» Und er ergänzt: «Hätten wir nicht mehr davon, wenn wir auf die Deponie verzichten, anstatt zu riskieren, Steuerzahler durch die Deponie zu verlieren?»