Felix Vögele
Das ist der Mann, der Fisibach in den Kanton Zürich verschieben will

Felix Vögele fordert mit dem Antrag auf einen Kantonswechsel die Politik heraus. Er ist kein Wutbürger, sondern Gemeindeschreiber.

Andreas Fretz
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Felix Vögele an seinem Arbeitsplatz in Freienwil. Zuvor war er 32 Jahre lang Gemeindeschreiber in seinem Wohnort Fisibach.

Felix Vögele an seinem Arbeitsplatz in Freienwil. Zuvor war er 32 Jahre lang Gemeindeschreiber in seinem Wohnort Fisibach.

Andreas Fretz

Wenn «Blick», «20 Minuten» und süddeutsche Zeitungen über eine Gemeinde wie Fisibach berichten, wenn sogar die «NZZ» dem 458-Seelen-Örtchen eine ganze Seite widmet, muss sich Aussergewöhnliches ereignet haben. «Ade, Aargau – hallo, Zürich» titelte die alte Dame am Mittwoch, nachdem die az über die kantonswechselwilligen Stimmbürger berichtet hatte.

Die Zurzibieter Gemeinde an der Kantonsgrenze könnte gar bald die Vereinigte Bundesversammlung in Bern beschäftigen. Grund sind die Ereignisse der ausserordentlichen Gemeindeversammlung vor Wochenfrist. Statt Ja zur vertieften Prüfung einer Grossfusion mit neun weiteren Gemeinden, sagten Fisibachs Stimmbürger Ja zu einem Antrag aus ihrer Mitte.

Ein Votant stellte einen Überweisungsantrag an den Gemeinderat: Dieser möge einen Wechsel des Dorfes vom Kanton Aargau zum Kanton Zürich prüfen. 52 der 88 Gmeind-Teilnehmer teilten diese Meinung. Sogar drei Gemeinderäte streckten ihre Hand in die Höhe – zwei von ihnen sind aus dem Kanton Zürich zugezogen.

Der Mann, der mit seinem Vorstoss Politik und Medien seit einer Woche auf Trab hält, heisst Felix Vögele. «Die Idee ist mir spontan während der Versammlung gekommen», sagt er. Vögele ist kein Wutbürger, kein Zugezogener aus dem Kanton Zürich und keiner, der nicht wusste, was er da tut. Vögele ist Ur-Zurzibieter, aufgewachsen in Leibstadt, besorgter Bürger Fisibachs und Gemeindeschreiber. Seit 1974 wohnt er in der Ortschaft, 32 Jahre lang war er ihr Gemeindeschreiber. Heute übt er den Beruf in Freienwil aus. In fünf Wochen geht der 66-Jährige in Pension.

«Ich fühlte mich bevormundet»

Mit einem «Nein im Bauch» sei er zur Versammlung über die vertiefte Prüfung der Fusion gegangen, sagt Vögele. Unter anderem habe ihn der Leitartikel der Lokalzeitung, der zu einem Ja aufrief, verärgert. «Ich fühlte mich bevormundet», sagt Vögele.

Die Diskussion an der Gmeind änderte aber seine Meinung. Vögele tat kund, dass er bereit sei, ein Ja abzugeben, und empfahl das auch allen anderen Fisibachern. Dennoch sagten diese in der geheimen Abstimmung mit 58 zu 30 Stimmen Nein zur vertieften Prüfung.

Dieses Transparent war vor der Abstimmung in Fisibach zu sehen.

Dieses Transparent war vor der Abstimmung in Fisibach zu sehen.

ZVG

Arbeiten und Einkaufen in Zürich

Dann kam, was es in den 214 Jahren seit der Gründung des Aargaus noch nie gegeben hat: der Vorstoss, den Kanton zu wechseln. «Wir haben Nein zur Fusion gesagt, aber die Gemeinde kann nicht untätig bleiben», sagt Vögele.

Die Angst, sich am Rand des Kantons nicht nur geografisch, sondern auch politisch zu isolieren, nahm überhand. Bei einem Ja hätte er nichts unternommen, sagt Vögele. Er findet den Kanton Zürich nicht kategorisch besser als den Aargau. Es geht ihm in erster Linie um das Wohl der Gemeinde. Hauptsache Fisibach first.

«Die Idee ist mir spontan während der Versammlung gekommen.»

Felix Vögele, Einwohner von Fisibach und Gemeindeschreiber in Freienwil

Dennoch: Viele fühlen sich Zürich näher als etwa dem Bezirkshauptort Bad Zurzach. In den letzten zehn Jahren ist Fisibach um 25 Prozent gewachsen, zahlreiche Neuzuzüger kommen aus dem Nachbarskanton. Man geht dort zur Arbeit, in den Ausgang, zum Einkaufen. Die Kinder gehen in Weiach ZH zur Schule. Die vom Konkurs bedrohte örtliche Ziegelei wurde von Investoren aus Zürich gerettet. «Die 52 Ja-Stimmen haben mich trotzdem überrascht», sagt Vögele.

Die Stimmung nach der Gmeind sei aufgewühlt gewesen, die Schulterklopfer zahlreich. «Viele fanden meinen Auftritt mutig», sagt er. Nur einer habe ihn offen kritisiert. Dass ein Kantonswechsel ein grösseres Prozedere sei, habe er gewusst. Die Details waren aber auch ihm nicht bekannt. Neben der betroffenen Bevölkerung müssten auch die beiden Kantone und die Bundesversammlung zustimmen.

Vögele erwartet nun vom Gemeinderat, dass er Nägel mit Köpfen macht. Ammann Marcel Baldinger hat bereits die Behörden der Nachbargemeinden Weiach und Bachs kontaktiert. Regierungsrat Urs Hofmann will das weitere Vorgehen mit Baldinger besprechen. «Die Gemeinde muss sich mit dem Thema auseinandersetzen und eine Entscheidung für die Zukunft fällen», sagt Vögele, «der Prozess ist mir dabei wichtiger als das Resultat.» Ob die Fisibacher am Ende tatsächlich Ja zu einem Kantonswechsel sagen würden, wagt auch er nicht vorauszusagen.