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In der Grenzstadt Waldshut blieb der Run von Schweizern noch aus. Die Verlockung, ennet der Grenze einzukaufen, ist nach dem Euro-Schock aber gestiegen. An der Grenze in der Region verläuft der Verkehr flüssig. In Konstanz dagegen stauts am Zoll.
Mit einem «Bonus-Aktions-Sonderkurs» von nur 1.15 Franken pro Euro warb der Möbelmarkt Dogern noch diese Woche um Schweizer Kunden. Damit lockte er gestern wohl kaum zusätzliche Kunden über die Grenze.
Schliesslich bewegte sich der offizielle Wechselkurs nach der Aufhebung der Untergrenze um einen Euro herum, fiel zeitweise sogar darunter – goldene Zeiten also für Einkaufstouristen, die sich in Deutschland mit Waren eindecken. In der an den Aargau grenzenden Stadt Waldshut blieb die grosse Schweizer Invasion am Freitag noch aus.
10.30 Uhr, Grenzübergang Koblenz, 24 Stunden nach dem Kurs-Schock: Der Verkehr läuft auf beiden Seiten des Zolls flüssig. Auch Parkplätze stehen in Waldshut noch im Überfluss zur Verfügung, zum Beispiel vor dem Supermarkt «Kaufland».
Zwar stehen hier tatsächlich mehrheitlich Autos mit Aargauer oder Zürcher Kennzeichen. Doch das sei schon lange nichts Neues mehr, sagt Kassenleiterin Beatrice Ollermann. Es sei bisher ein durchschnittlicher Freitagmorgen. «Am Samstag erwarten wir mehr Kunden. Deshalb haben wir das anwesende Personal etwas aufgestockt», meint sie. Das Geschäft hat sich den vielen Einkaufstouristen längst angepasst, «Ausfuhrschein?» ist eine Standardfrage an der Kasse.
Seit den frühen Morgenstunden herrscht rund um die Grenzübergänge ins benachbarte Ausland reges Verkehrsaufkommen. Zu Stau kommt es bisher nur vor dem Grenzübergang Kreuzlingen. Vor der Ausreise nach Deutschland stehen Verkehrsteilnehmende auf rund 2 Kilometer im Stau und müssen sich bis zu 20 Minuten gedulden, bevor sie deutschen Boden erreichen. Wegen des schwachen Eurokurses muss bei der Ausreise bis um zirka 14 Uhr mit hohem Verkehrsaufkommen gerechnet werden. Bei der Heimreise werden vor den Grenzübergängen in die Schweiz lange Staus und Wartezeiten erwartet.
Auf dem Parkplatz laden die Leute ihre Einkäufe in den Kofferraum. Ruth Ofner hat vor allem Haushaltswaren gekauft – Putzmittel, WC-Papier, hölzerne Schuhspanner. Sie kommt aus Hunzenschwil, fast 40 Kilometer entfernt. Dass sie heute hier ist, habe nichts mit dem tiefen Eurokurs zu tun. «Ich komme ein paar Mal pro Jahr her, für mich ist das einfach ein Ausflug.» Bei dieser Gelegenheit kaufe sie natürlich auch gleich ein paar Dinge, die in Deutschland günstiger sind. Heute hat sie 76 Euro im «Kaufland» ausgegeben.
Das ist vergleichsweise wenig. Ein Herr neben ihr lädt gleich kistenweise Getränke in seinen Audi. Etwa 250 Euro hat er ausgegeben. «Viel mehr geht nicht, sonst ist es nicht mehr mehrwertsteuerfrei». Denn vom deutschen Preis kann er die deutsche Mehrwertsteuer von 19 Prozent zurückfordern. Bleibt er zudem unter der Grenze von 300 Franken Warenwert, zahlt er bei der Einfuhr auch keine Schweizer Mehrwertsteuer.
Diese Masche ist seit langem bekannt. Neu ist aber der tiefere Eurokurs: Hätten seine Getränke vor ein paar Tagen noch rund 252 Franken exklusive Mehrwertsteuer gekostet, sind es heute noch 210 Franken. Wie die meisten hier kommt der Mann aber nicht erst seit heute nach Deutschland, um seine Getränke zu holen. Wie die meisten hier will er nicht namentlich genannt werden – es gehört sich schliesslich nicht, dass Schweizer Gewerbe im Stich zu lassen. Ob er deswegen kein schlechtes Gewissen habe? «Schon ein bisschen, aber spätestens jetzt ist der Preisunterschied riesig.»
Ansturm am Samstag?
Wie auf dem «Kaufland»-Parkplatz tummeln sich auch in der Altstadt viele Schweizer. An einem Werktag wie heute sind es vor allem Pensionäre, alle geben an, regelmässig einen Ausflug nach Deutschland zu machen. Die Kleiderläden sind so leer wie immer an einem Freitag, auch die Hauptgasse ist alles andere als verstopft. «Vielleicht kommt der Ansturm dann morgen», meint eine C&A-Verkäuferin. Samstag sei nämlich Schweizertag.
Dass die Kunden mit dem starken Franken mehr werden, davon ist Frank Sattler, stellvertretender Vorsitzender des Gewerbevereins Rheinfelden, überzeugt. «Das wird sich zu Buche schlagen», sagt er gegenüber dem «Südkurier». Anders als beispielsweise in Konstanz geht man in Waldshut aber nicht von einem Grossangriff aus. Am Zoll gibt sich der Beamte gelassen. Er habe heute keinen Unterschied festgestellt, zusätzliches Personal fürs Wochenende sei keines eingeteilt. «Es ist sogar jemand krank.»
Noch ist also keine Hektik zu spüren im beschaulichen Waldshut. Zu sehr haben sich alle schon gewöhnt – an den vielen Verkehr, an die Ausfuhrscheine, an die Schweizer.