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Aargauer Abzockerarzt zahlte keine Steuern – und ihm droht die Wegweisung

Der 82-jährige Arzt aus dem Bezirk Zurzach, gegen den der Kanton ein Berufsverbot prüft, muss auch mit der Wegweisung rechnen.

Philipp Zimmermann
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Der Arzt praktiziert nach wie vor. (Symbolbild)

Der Arzt praktiziert nach wie vor. (Symbolbild)

pixabay

Dem 82-jährigen Skandalarzt aus dem Bezirk Zurzach, gegen den das Departement Gesundheit und Soziales (DGS) ein Aufsichtsverfahren führt, droht weiteres Ungemach. Wegen des Urteils des Bezirksgerichts von zwei Jahren Freiheitsstrafe bedingt muss der Mann, der über einen deutschen Pass verfügt, mit der Nichtverlängerung respektive dem Widerruf der Aufenthaltsbewilligung rechnen.

In seinem Fall dürfte das kantonale Amt für Migration und Integration (Mika) dies prüfen. "Aus Datenschutzgründen dürfen wir dazu keine Auskunft geben", antwortet Juristin Doris Richner, die dem Stab des Mika angehört. Sie bestätigt aber, dass das Mika "bei allen längerfristigen Haftstrafen eine Wegweisung aus der Schweiz prüft; ob ein Verfahren eröffnet wird, hängt dann vom Einzelfall ab." Längerfristig bedeutet gemäss der Praxis des Bundesgerichts über ein Jahr.

Konkret prüft das Mika jeweils, ob eine Wegweisung verhältnismässig ist. "Dabei wird das öffentliche Interesse an der Wegweisung dem privaten Interesse am Verbleib gegenübergestellt", führt Richner aus. Zu den privaten Interessen gehören Aufenthaltsdauer, Integration, wirtschaftliche Situation, Familie oder Zumutbarkeit der Rückkehr. "Wiegt das öffentliche Interesse an einer Wegweisung höher als das private Interesse an einem Verbleib, erfolgt eine Wegweisung." Wobei ein Straftäter mit Staatsangehörigkeit aus dem EU/EFTA-Raum eine «tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr» für die öffentliche Ordnung und die Sicherheit des Landes darstellen muss. Dabei gilt: Je schwerer die Straftat, desto weniger muss die Rückfallgefahr berücksichtigt werden.

Illegal Betäubungsmittel verkauft

Besagter Arzt wurde wegen qualifizierten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz von 2011 bis 2014 schuldig gesprochen. Das Urteil wurde im Mai rückwirkend auf März 2016 rechtskräftig. Er hatte einzelnen schwerstabhängigen Patienten illegal Betäubungsmittel zu einem überhöhten Preis verkauft

Wie AZ-Recherchen ergaben, stellte der Arzt auch massiv überhöhte Rechnungen aus. Nachdem er beim Krankenkassenverband Santésuisse aufgefallen war, stimmte er einem Vergleich zu und musste einen Betrag in nicht kommunizierter Höhe zurückzahlen. Das DGS eröffnete das Aufsichtsverfahren im Juli und prüft ein Berufsverbot gegen den Arzt, der seine Praxis im Bezirk Zurzach 2008 eröffnet hatte. Ende Jahr soll der Entscheid feststehen.

Für das Bezirksgericht war erwiesen, dass der Arzt allein durch illegalen Medikamentenverkauf einen Gewinn von mindestens 11'000 Franken gemacht hat. Pikant: Gemäss dem schriftlichen Urteil, das der AZ vorliegt, konnte er nicht allein von den Einkünften aus seiner Praxis leben. Denn seine Steuererkärung für das Jahr 2012 weist einen Gewinn von nur 242 Franken aus. Ein steuerbares Einkommen gab er deshalb nicht an. Vor Gericht sagte er, "er lebe auf Kosten seiner Frau".

Betreibungen von 45'000 Franken

Der Arzt bezieht eine monatliche Rente von 2300 Euro – er hatte zuvor über Jahrzehnte in Deutschland praktiziert. Gemäss Betreibungsregisterauszug vom 29. März 2016 bestanden offene Betreibungen in der Höhe von 45'000 Franken. Zudem wurde zu diesem Zeitpunkt eine Einkommenspfändung bei ihm vollzogen.

Das Gericht ging davon aus, dass der Arzt die Betäubungsmittel "aus rein egoistischen Gründen und aus Gier" verkauft habe, um sein Einkommen aufzubessern. Die Verkäufe von Dormicum und Rohypnol vermerkte er in seinen Unterlagen nicht. "Es ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte die Arzneimittel Dormicum und Rohypnol zu Lasten seiner Praxis eingekauft, hingegen die Erträge privat einkassiert hat, um sich selbst einen finanziellen Vorteil zu verschaffen", lässt sich im Urteil nachlesen.

Von 2011 bis 2014 hat er nachweisbar 22'550 Tabletten Dormicum (15 mg) und 720 Tabletten Rohypnol (1 mg) im Grosshandel bestellt. Einem drogenabhängigen Patienten verkaufte er 4500 Tabletten Dormicum und 60 Tabletten Rohypnol – deutlich mehr als für den Eigenbedarf. Ein zweiter Drogensüchtiger, der vor dem Prozess verstarb, hatte beim Arzt eine nicht mehr nachvollziehbare Menge gekauft. Bei einer Hausdurchsuchung in der Praxis wurden 2520 Tabletten Dormicum beschlagnahmt.

Der Arzt hatte angegeben, die Dormicum- und Rohypnol-Tabletten vollumfänglich nach Indien gespendet zu haben. Das Gericht ging dagegen von rund 8000 Tabletten Dormicum aus. Weil diese Ausfuhr von Betäubungsmitteln als Verstoss gegen das Heilmittelgesetz ebenfalls illegal ist, wurde er auch dafür verurteilt.