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Aargau
Wyna/Suhre
Der letzten Hochstudscheune im Kanton Aargau droht der Abriss. Die Baufirma, die sie durch Mehrfamilienhäuser ersetzen will, ist nun aber bereit, sie zu retten – wenn sie dafür eine Entschädigung von 100'000 Franken erhält.
Die Initiativgruppe «Kölliker für die Rettung der Hochstudscheune» will Berge versetzen. Seit Monaten kämpft sie dafür, dass die letzte Scheune ihrer Art vor dem Abbruch gerettet wird. Eine Petition war zwar erfolgreich; gut 200 Personen haben das Ansinnen der Initianten unterstützt und sich für die Rettung ausgesprochen. Ausserdem haben sich verschiedene Experten von der Kantonsarchäologie über die Denkmalpflege bis hin zu Fachmännern für Holzbau für die Rettung eingesetzt.
Doch der Wille allein zählt nicht – und die Zeit zerrinnt den Initianten zwischen den Fingern. Ende Februar sollen die Abbrucharbeiten beginnen. Auf der Parzelle entstehen Mehrfamilienhäuser. Es wird eine Rettung in letzter Minute – wenn überhaupt.
Doch jetzt scheint das Unmögliche ein bisschen möglicher: Die Baufirma, der die Parzelle gehört, bietet Hand zur Rettung der Hochstudscheune. «Die Firma ist bereit, die Scheune sorgfältig zu zerlegen und einzulagern, bis wir einen Standort für den Wiederaufbau gefunden haben», sagt Andrea-Carlo Polesello, einer der Köpfe hinter der Initiativgruppe (u.a. mit Strafrechtsprofessor und oberstem Schweizer Heimatschützer Martin Killias). Unter einer Bedingung: «Wir müssen bis Mitte Februar mindestens 100'000 Franken zusammenbringen, um die Firma für den Zusatzaufwand zu entschädigen.»
Gegenüber der az gibt sich die Baufirma zurückhaltend; sie möchte nicht namentlich genannt werden. Sie bestätigt aber die Vereinbarung mit der Initiativgruppe. «Wenn es gelingt alte Bausubstanz und Baukultur zu erhalten und wieder aufzubauen, ist das unterstützungswürdig», richtet der Geschäftsführer aus. Und weiter: «Tatsächlich scheitert es meistens am Geld.»
Damit trifft er den Nagel auf den Kopf. «100'000 Franken sind viel Geld», sagt Polesello. Trotzdem will er nichts unversucht lassen. «Wenn wir jetzt sämtliche Hebel ziehen, könnte es gelingen.» Deshalb hat er in den letzten Tagen des alten Jahres einen Verein gegründet, den «Heimatverein Historisches Erbe Kölliken», sowie ein Spendenkonto eingerichtet. Auch versucht er, mittels Crowdfunding auf lokalhelden.ch das Geld zusammenzubringen.
Polesello bezeichnet das Angebot der Baufirma als «Lichtblick». In der Zwischenzeit hat sich auch ein Kölliker Landwirt gemeldet, der sich vorstellen könnte, die Scheune auf seinem Land aufzubauen und als Stall und Tierfutterlager zu nutzen. «Ausserdem sähe er mit der Küferwerkstatt einen öffentlich zugänglichen Museumsteil und er würde gerne eine kleine Scheunenbeiz betreiben», so Polesello. Wenig Chance dürfte das Ansinnen der Initiativgruppe haben, die Hochstudscheune neben das Dorfmuseum auf das Land direkt vor der Coop-Filiale zu stellen. «Coop möchte, dass der Zugang zum Laden von der Strasse aus sichtbar bleibt.» Jedoch seien die Verantwortlichen von Coop interessiert daran, den Standort beispielsweise durch den Betrieb eines Scheunen-Cafés attraktiv zu machen. Andere Lösungen für einen Wiederaufbau in der Nachbarschaft zum Dorfmuseum würden jetzt abgeklärt.
Doch was jetzt zählt, sind die 100'000 Franken. Ohne das Geld ist die Hochstudscheune verlorene Geschichte. «Alles andere ist jetzt zweitrangig», sagt Polesello. Über die mindestens 600'000 Franken, die es für einen Wiederaufbau bräuchte, will er später nachdenken. «Wenn die Scheune nur schon eingelagert wäre, wäre der wichtigste Schritt zur Rettung getan.»
Weitere Infos zum Projekt zur Rettung der Scheune sowie zur Spendemöglichkeit auf www.hochstudscheune.com
Die Kölliker Hochstudscheune an der Scheidgasse 24 ist die allerletzte ihrer Art im Kanton Aargau – vermutlich sogar die letzte im gesamten Verbreitungsgebiet der Hochstudbauten, das sich einst quer durch die Schweiz zog. Das Spezielle: Normalerweise vereinen Hochstudhäuser Wohnhaus, Stallungen und Scheune unter einem Dach. Dass ein Hochstudbau einzig zum Zweck der Lagerung gebaut wurde, ist aussergewöhnlich. Der Kernbau der Kölliker Hochstudscheune datiert von 1819. Später wurde die strohgedeckte Scheune mehrfach umgebaut. So wurden im 20. Jahrhundert unter anderem eine Mosterei und eine Küferei in der Scheune untergebracht. Die selbst gebauten Maschinen in der Küferei sind bis dato erhalten geblieben und zum Teil noch immer funktionstüchtig. Laut Cecilie Gut, die den Bau für die Kantonsarchäologie untersucht hat, würde mit dem Abbruch der Scheune nicht nur Dorfgeschichte verschwinden, sondern auch Beweis- und Forschungsmaterial. «Die Scheune ist ein letzter Zeuge dafür, wie Landwirtschaft um 1800 funktioniert hat. Ohne sie bleiben auf immer und ewig Forschungslücken offen.»