Das Demenzhaus baut aus. Einzelzimmer gibts aber keine. Thomas Zeller, Zentrumsleiter, und Philipp Meier, Leiter des Demenzhauses, erklären weshalb. Und sprechen über die unheilbare Krankheit und wie man heute damit umgeht.
Das heutige Demenzpflegeheim ist als untere Mühle bekannt. Ein Mühlstein aus dem Jahre 1864 in der Cafeteria des Heims erinnert an das einstige Gewerbe. 141 Jahre später, 2005, wurde hier eine geschützte Wohngemeinschaft für Demenzkranke mit 20 Betten eröffnet. Nur zehn Jahre später ist das Heim bereits zu klein und das Regionale Alterszentrum Schöftland plant einen Neubau (siehe untere Box).
Die Regionale Alterszentrum Schöftland AG, mitgetragen von acht Gemeinden aus dem Rueder- und oberen Suhrental, plant einen Erweiterungsbau des Demenzpflegeheims. Bis 11. Februar sind die Baumeisterarbeiten öffentlich ausgeschrieben. Laut Zentrumsleiter Thomas Zeller soll im Mai der Spatenstich für den Neubau stattfinden, im Herbst 2016 ist die Fertigstellung geplant.
Für den Erweiterungsbau wird ein Stück Land südlich vom jetzigen Demenzhaus überbaut. Das Land gehört bereits der AG. Das neue Haus wird durch einen geschlossenen Gang mit der bestehenden Station verbunden. Es umfasst drei Stockwerke: In den oberen zwei Etagen sind je sieben Zimmer mit 13 Betten vorgesehen. Dazu kommen zwei Aufenthaltsräume, Nischen sowie Rundläufe für die Bewohner.
Im Erdgeschoss ist eine Tagesstätte für bis zu zehn Personen geplant: Demenzkranke, die noch zu Hause wohnen, werden tageweise, zwischen 9 und 17 Uhr, betreut. In der Tagesstätte wird es auch mehrere Betten geben, sodass die Betroffenen übernachten oder einige Ferientage verbringen können. Die Betreuung in der Tagesstätte erfolgt durch Mitarbeiter, die im Demenzpflegeheim arbeiten. So könne man Synergien von Fachleuten nutzen, sagt Thomas Zeller.
Das Regionale Alterszentrum bietet bereits eine Tagesstätte für Demenzkranke an, diese befindet sich in einem ehemaligen Einfamilienhaus beim Alters- und Pflegeheim. Diese Tagesstätte könnte zu einer Kindertagesstätte für Angestellte umgenutzt werden, hofft Zeller. Bei einem Anstellungsgespräch sei das oft eine zentrale Frage. Auch hier könnten Synergien genutzt werden, indem die Kinder aus der Zentrumsküche verpflegt würden.
Das neue Demenzpflegeheim kostet rund 8 Millionen Franken. Um die Kosten für einen Architekturwettbewerb zu sparen, hat die AG Klaus Reihlen vom Architekturbüro Bhend Reihlen aus Oftringen zu 50 Prozent für das Projekt angestellt. (bA)
Thomas Zeller: Nein, im Gegenteil: Wir sind auf Integration bedacht. Demenzkranke sind ein Teil unserer Gesellschaft, sie sollen am Leben teilnehmen. Bewusst gehen wir mit ihnen im Dorf einkaufen, damit sie den normalen Alltag erleben. Betroffene sollen in einer naturnahen Umgebung wie hier leben, die sie an ihre Jugend erinnert und in der sie in Würde ihren letzten Lebensabschnitt verbringen können.
Philipp Meier: Ein Verlust des rationalen Denkens. Dadurch haben Demenzpatienten Mühe, sich verbal auszudrücken. Ihre Kommunikation verschiebt sich auf ihre Gefühlsebene.
Philipp Meier: Durch Beobachten und Wahrnehmen. Hat ein Demenzkranker Kopfweh, kann man dies seinem Gesichtsausdruck ansehen oder er kann gereizt reagieren. Es ist wichtig, Stimmungen des Betroffenen einzufangen und auf seine Reaktionen einzugehen. Das Interpretieren braucht Zeit und Kreativität. Die Menschen verwechseln Wörter, vermischen ihre eigene Wahrnehmung mit «unserer» Realität und beschreiben Situationen falsch.
Philipp Meier: (lacht) Demenzkranke sind in ihrem Verhalten ähnlich wie Kinder. Da kommt es zu vielen lustigen Begebenheiten: Komik lässt sich im Heim nicht steuern.
Thomas Zeller: An der Weihnachtsfeier beobachtete ich einen Bewohner. Auf dem Tisch stand ein Glas mit einer elektrischen Kerze darin. Er versuchte, daraus zu trinken. Bei einer solchen Situation muss man einfach lachen. Wichtig ist, dass man Demenzpatienten ernst nimmt und nicht über sie, sondern mit ihnen darüber lacht.
Philipp Meier: Natürlich. Sie sind sehr «gspürig», weil materielle Dinge für sie zusehends unwichtiger werden. Wie bei blinden Menschen entwickeln sie eine tiefe Sensibilität. Demenzkranke reagieren empfindlich auf Stress. So gestaltet sich auch unser Tagesprogramm immer individuell und wird auf das Befinden unserer Bewohner abgestützt. Es ist uns wichtig, den Bewohnern nur so viele Medikamente wie unbedingt nötig zu verabreichen und dafür ihre Persönlichkeit zu erleben, wie sie ist. Wir zwingen sie zu nichts: Wollen sie tagsüber und nicht nachts schlafen, so sollen sie dies tun dürfen.
Thomas Zeller: Demenzkranke sind gesellig und gerne zusammen. Im Neubau haben wir Zimmer mit maximal drei Betten. Im jetzigen Demenzhaus gibt es ein Mehrbettzimmer für vier bis sechs Bewohnerinnen. Diese offene Wohnform nennt sich «Oase» und funktioniert gut. Die Bewohner sollen dadurch möglichst viel vom Alltagsgeschehen mitbekommen, auch wenn sie teils durch ihre Bettlägerigkeit nicht mehr aktiv daran teilenehmen können.
Thomas Zeller: Der klassische Fall ist, dass Angehörige Demenzkranke ein bis mehrere Male pro Woche in die Tagesstätte bringen. Das kann über Jahre hinweg gut gehen, weil so Angehörige entlastet werden und sich etwas erholen können. Die Pflege Demenzkranker ist enorm kräfteraubend, da braucht jedermann Pausen. Wann der richtige Zeitpunkt für eine Überweisung ist, müssen die Beteiligten selbst herausfinden. Sie sollten jedoch lieber früher als später mit uns in Kontakt treten, bevor die Angehörigen vor Erschöpfung nicht mehr anders können.
Thomas Zeller (56) ist seit drei Jahren Zentrumsleiter und CEO der Regionalen Alterszentrum Schöftland AG. Sie feiert nächstes Jahr ihr 50-Jahr-Jubiläum.
Philipp Meier (35) leitet seit letztem Jahr die Geschützte Wohngemeinschaft an der Holzikerstrasse in Schöftland. Er wird von rund 35 Fachleuten unterstützt. Die Bewohner werden vom Team der Alterszentrumsküche versorgt.
Thomas Zeller: Der Partner, der einen Demenzkranken über lange Zeit hinweg gepflegt hat, wird meist von einem schlechten Gewissen geplagt, weil er ihn jetzt ins Heim geben muss. Er spürt, dass die Situation unumkehrbar ist und es für den Partner keine Heilung mehr gibt.
Philipp Meier: Der Betroffene versteht die Trennung nicht, weil er die Situation ja nicht mehr nachvollziehen kann. Ein Mensch, der nach einem Schlaganfall in unser Pflegezentrum kommt, kann den Wechsel mit seinem Verstand erfassen und ihn eher akzeptieren. Bei Demenzkranken ist das nicht mehr der Fall, daher sind Trennungen für beide Partner emotional. Bei jedem Bewohner wirkt sich dies anders aus, weil er seine eigene Herkunft und Biografie mitbringt.
Philipp Meier: Durchschnittlich 2,6 Jahre. Frauen leben tendenziell eher länger als Männer. Durch den Abbau des Hirns werden Körper und Organe der Betroffenen geschwächt. Oftmals ernähren sich Menschen mit einer Demenz auch nicht mehr so gesund. Sie essen lieber Süsses als Salziges. Für uns ist dies eine Gratwanderung, doch geben wir ihnen lieber ein Dessert mehr, als dass wir sie zwingen, Gemüse zu essen. Unser Ziel ist es, den Bewohnern Inseln positiver Ereignisse zu schaffen und ihnen ihr verbleibendes Leben mit Freuden zu versüssen.
Thomas Zeller: Wir beschäftigen «Perlen», die nebst ihrer guten Ausbildung voll mit ihren Herzen arbeiten. Unsere Mitarbeiter sollen sich auf Beziehungen mit unseren Bewohnern einlassen können. Im Gegenzug bekommen sie viel von ihnen zurück. Eine Institution wie wir es sind, muss aber auch Sorge zu ihren Leuten tragen, damit sie nicht ausbrennen.
Philipp Meier: Zwischen Kader und Mitarbeitern braucht es eine gute Zusammenarbeit und einen guten Austausch. Die Pflege Demenzkranker ist aufwendig, weil wir in ständiger Beziehung mit ihnen stehen. Wir lernen viel über sie. Dies kann zur persönlichen Betroffenheit führen. Dafür muss es Raum geben, um sich austauschen zu können.