Überschwemmungen
Warum zwang der Kanton die widerspenstigen Uerkner nicht zum Hochwasserschutz?

In Uerkheim hat die Stimmbevölkerung in jüngster Zeit zwei Mal gegen Hochwasserschutz-Massnahmen gestimmt. Der Kanton Aargau hätte die Macht, selbst aktiv zu werden – will sich aber nicht mit dem Volk anlegen.

Flurina Dünki
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Uerkheim am Abend nach der Überschwemmung vom 8. Juli 2017.
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Überschwemmung in Uerkheim
Überschwemmung in Uerkheim 1
Überschwemmung in Uerkheim
Überschwemmung in Uerkheim
Überschwemmung in Uerkheim
Überschwemmung in Uerkheim
 Diese Bilder zeigen eindrücklich, wie Uerkheim beim Unwetter vom 8. Juli 2017 überschwemmt wurde. 
Überschwemmung in Uerkheim

Uerkheim am Abend nach der Überschwemmung vom 8. Juli 2017.

Facebook/Christoph Suter

Auf dem Bild unten sehen wir zwei Dinge:

Erstens, wie die Uerke am Samstagabend bei der Messstation Holziken in kürzester Zeit angeschwollen ist. Vom normalen Durchfluss von 0,5 Kubikmetern pro Sekunde auf 44,6 Kubikmeter pro Sekunde – also um fast das Neunzigfache. Die höchste Gefahrenstufe (rote Linie) wird bei 18 Kubikmetern erreicht.

Zweitens, wie die Uerke eine Wiese überflutet und dort eine Sandbank abgelagert hat. Das Wasser stand so hoch, dass im unteren Bereich der Bauprofile Schwemmgut hängengeblieben ist. Wäre dieses Haus bereits gestanden, wäre sein Keller überflutet gewesen.

Unwetter Hochwasser Uerke An der Hinterhubelstrasse hat die Uerke zwei Autogaragen weggespühlt und ein Auto an die Wand des Einfamilienhauses der Familie von Andreas und Elisabeth Moser-Bolliger gedrückt
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Uerkheim am Montag nach dem Unwetter Hochwasser Aufn dem Rasen dieses Mehrfamilienhauses hat die Uerke ein Kiesbett hinterlassen
Uerkheim am Montag nach dem Unwetter Hochwasser Am Zaun oberhalb des Gemeindehauses wurde allerlei Schwemmgut angeschwemmt
Uerkheim am Montag nach dem Unwetter Hochwasser Morgens um 7.15 Uhr beginnt es wieder zu regnen. Hier der am Samstagabend entstandene See unterhalb des Gemeindehauses
Uerkheim am Montag nach dem Unwetter Hochwasser Am Zaun beim Gemeindehaus sieht mann, wie hoch das Wasser gekommen ist
Uerkheim am Montag nach dem Unwetter Hochwasser Der angeschwemmt Sand und das Schwemmgut an den Profilen zeigt, dass auch der Keller dieses Neubaus überflutet worden wäre
Uerkheim am Montag nach dem Unwetter Hochwasser Das Schwemmgut zeigt, dass das Geländer des Baches (Uerke) überspühlt worden ist
Uerkheim am Montag nach dem Unwetter Hochwasser Angst vor einem neuen Hochwasser. Der Uerkenlauf ist notdürftig abgesichert worden (Hier im Unterdorf)
Uerkheim am Montag nach dem Unwetter Hochwasser Blick auf und in die 13 Autos, die vom Hochwasser zerstört worden sind. Sie stehen auf einem Parkplatz unterhalb der Kirche
Uerkheim am Montag nach dem Unwetter Hochwasser Blick auf und in die 13 Autos, die vom Hochwasser zerstört worden sind. Sie stehen auf einem Parkplatz unterhalb der Kirche
Uerkheim am Montag nach dem Unwetter Hochwasser Am Zaun oberhalb des Gemeindehauses wurde allerlei Schwemmgut angeschwemmt
Uerkheim am Montag nach dem Unwetter Hochwasser Die Uerke am Montag: ein friedliches Bächli

Unwetter Hochwasser Uerke An der Hinterhubelstrasse hat die Uerke zwei Autogaragen weggespühlt und ein Auto an die Wand des Einfamilienhauses der Familie von Andreas und Elisabeth Moser-Bolliger gedrückt

Urs Helbling

Zweimal gegen Sanierung

Die Uerke ist seit je ein Problembach. Im letzten Jahrhundert gab es in Kölliken öfters grosse Überschwemmungen – bis der Bach in damals vorbildlicher Weise korrigiert worden ist. Weiter oben, in Uerkheim und Bottenwil, ist das dagegen nicht so passiert. Schlimmer noch: Die Uerkner haben sich gleich zwei Mal gegen Hochwasserschutzmassnahmen ausgesprochen. Ein erstes Mal kurz nach dem Hochwasser vom Oktober 2012, das, wie jetzt am Wochenende, ebenfalls auf ein heftiges Gewitter im Raum Bottenwil/Wiliberg zurückzuführen war. Ein zweites Mal lehnte Uerkheim die Bachsanierung im Herbst 2015 ab.

Angesichts der Ereignisse vom Wochenende müssen im Dorf die Sanierungsgegner ein schales Gefühl haben. Dies umso mehr, als die Gemeinde vergleichsweise günstig zum Schutz gegen die Wassernot gekommen wäre. Bund und Kanton hätten 74 Prozent der Gesamtkosten (zuerst 2,4 Mio. Fr., dann 5,8 Mio Fr.) übernommen.

Kanton vermeidet Machtwort

Warum haben Bund oder Kanton die widerspenstigen Uerkner nicht zu Massnahmen gezwungen? Der Kanton hätte ein Machtwort sprechen können: «Das Baugesetz gibt dem Kanton die gesetzliche Grundlage, Sanierungsmassnahmen an Gewässern durchzuführen, auch dann, wenn Gemeinden das in Urnenabstimmungen oder an Gemeindeversammlungen abgelehnt haben», sagt Martin Tschannen von der kantonalen Abteilung Wasserbau. «Dies wird aber kaum gemacht. Denn es wäre nicht einfach, gegen den Willen der Bevölkerung Projekte zu realisieren. Es ist immer einfacher, die Einwohner im Boot zu haben.»

«Auswirkungen geringer»

Was sagt Tschannen zu den Ereignissen vom Wochenende? «Wir haben erst provisorische Daten zu den Abflussmengen, aber es ist wahrscheinlich richtig, dass die Sanierung, über die in Uerkheim 2015 abgestimmt worden ist, nicht gereicht hätte, um am Wochenende alle Schäden abzuwenden. Die Auswirkungen wären aber dank der Sanierung geringer gewesen.»

Wie geht es jetzt aus Sicht des kantonalen Wasserbaus weiter? Tschannen erklärt: «Erste Priorität ist es jetzt, die Gerinne wieder so weit frei von Material zu bekommen, dass sie beim nächsten Gewitter das Wasser wieder abführen können.» Zweite Priorität habe die Analyse der Ereignisse vom Wochenende, um zu verstehen, was genau passiert sei. «Erst mit diesen Erkenntnissen können wir die weiteren Schritte einleiten», sagt Tschannen.