Für die Zuckerrübenpflanzer und den Stahlverarbeiter Merz ist das Ende des Güterverkehrs der Wynental-Suhrental-Bahn (WSB) ein Problem. Die Bauern verstehen den Entscheid überhaupt nicht und üben nun Kritik am ökologischen Unsinn.
Der Entscheid von AAR bus+bahn, den Güterverkehr einzustellen, hat für den Leimbacher Stahlverarbeiter MEC Servicecenter AG Konsequenzen. Ein WSB-Gleis führt direkt in eine Lagerhalle des Industriebetriebes und verbindet ihn mit seinen Lieferanten in ganz Europa. Das gesamte Material wird per Bahn angeliefert.
Inhaber Karl Merz versteht zwar den Entscheid von AAR bus+bahn aus kaufmännischer Sicht, sagt aber: «Ich vermisse eine Stellungnahme des Regierungsrates.» Dieser wird sich bald ausführlich äussern müssen. Grossrat Beat Leuenberger (SLB) hat letzte Woche eine Interpellation zum Ende des Güterverkehrs im Wynental eingereicht (Aargauer Zeitung vom 21.9.).
«Das ist ein ökologischer Unsinn»
Verkehren ab 2013 keine Güterwagen mehr, bedeutet das für die MEC Servicecenter AG eine Umstellung der Logistik. Während eine Zugkomposition bisher 300 bis 400 Tonnen Stahl auf einmal anliefern konnte, kommen die Stahleinheiten mit einem Stückgewicht von 20 Tonnen künftig einzeln mit Lastwagen. Statt einmal muss für die gleich grosse Lieferung bald 20 Mal das grosse Tor der Fabrik geöffnet werden. «Das hat Auswirkungen auf die Heizkosten und bedingt einen zusätzlichen Mitarbeiter fürs Abladen», erklärt Merz. Aus ökologischer Sicht sei das ein Unsinn, bedeute es doch für das Wynental rund 1000 Lastwagen mehr auf der Strasse pro Jahr, sagt Merz.
Kein Problem für Alu Menziken
Für die Alu Menziken hingegen hat die Einstellung des Güterverkehrs keine Auswirkungen. Wie CEO Roland Gloor erklärt, wurde bis vor kurzem für den Standort Reinach jährlich eine Million Tonnen Heizöl mit der Bahn transportiert. Durch den neuen Erdgas-Anschluss wurden diese Lieferungen hinfällig. Zurzeit werden noch 1000 Tonnen Material pro Jahr in die Giesserei nach Menziken gefahren. Da diese per Ende Jahr nach Reinach umzieht, wird auch das hinfällig. In Reinach verfüge man zwar über einen Gleisanschluss, der befindet sich aber am falschen Ort. Für die Alu Menziken ist per Ende Jahr also fertig mit Gütertransport per Bahn. «Für uns ist die Einstellung des Güterverkehrs kein Problem. So leid es mir fürs Ganze tut», sagt Alu-Menziken-CEO Roland Gloor.
Kaum Auswirkungen hat die Einstellung auch für die Fischer Rista AG und die Fischer Reinach AG. Sie haben ihre Güter nur noch in Ausnahmefällen mit der Bahn transportiert.
Statt vor Haustür über drei Hügel
«Sehr schlimm» ist das Ende des Güterverkehrs für die Zuckerrübenpflanzer im Wynental, sagt der Reinacher Landwirt Hannes Speck. Rund 8000 Tonnen Zuckerrüben müssen die Wynentaler Bauern jeden Herbst transportieren. «In Zukunft müssen wir die Rüben über drei Hügel mit Lastwagen nach Triengen karren und dort aufladen.» Einige Wochen später werden dann 2500 Tonnen Zuckerrübenschnitzel zurücktransportiert. Diese Zuckerrübenschnitzel sind ein Abfallprodukt der Zuckerproduktion und werden an die Tiere verfüttert.
Falsche Hoffnungen geweckt
Alles in allem müssen ab nächstem Jahr über 500 Lastwagen zwischen Triengen und dem Oberwynental verkehren, um die Zuckerrüben zu transportieren. Für Speck ist das unverständlich: «Alle reden davon, wie wichtig der Umweltschutz ist. Wenn es dann darauf ankommt, zählt wieder nur das Geld.»
Die Zuckerrübenpflanzer schmerzt die Einstellung des Güterverkehrs aber auch im Portemonnaie: Der Transport mit den Lastwagen ist teurer. Zwar bekommen die Landwirte eine Transportentschädigung von der Zuckerfabrik. Insgesamt bringe der Zuckerrübenanbau aber künftig trotzdem weniger Ertrag. Speck sagt, dass er davon ausgegangen sei, dass nach den grossen Investitionen in die Infrastruktur in Suhr noch mindestens 10 Jahre Güter mit der WSB transportiert werden können. Nun sei plötzlich fertig. «Es ist ein Wunder, dass man uns nicht noch gleich den Anbau der Zuckerrüben verbieten will», sagt Speck, der seit 40 Jahren Zuckerrüben anbaut im Wynental.