Schöftland
Comic-Vernissage: Es mattert wieder im Matterjahr 2021

200 Jahre Bernhart Matter – Anlass für ein Musiktheater und eine Neuauflage zweier Matter-Comics mit Vernissage in Schöftland.

Peter Weingartner
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Markus Kirchhofer an der Vernissage.

Markus Kirchhofer an der Vernissage.

Peter Weingartner

Nach der Jahresversammlung der Vereinigung für Heimatkunde Suhrental präsentierte der Verlag Edition Moderne am Sonntag in Schöftland die Neuauflage von Markus Kirchhofers (Texte) und Reto Gloors (Zeichnungen) Comic «Matter», textlich überarbeitet, etwas aktualisiert, reduziert, in einem Band vereint. Der Anlass: Bernhart Matter, der Müheler Dieb, Ausbrecherkönig und Frauenheld, der den Robin-Hood-Mythos im Aargau verkörpert, feierte am 21. Februar 2021 seinen 200. Geburtstag.

Buchvernissage als Werbung für ein Spektakel

War das ein Glustigmacher! Nicht bloss fürs Lesen und Betrachten der «Graphic Novel», vor allem auch für das Musiktheater «Matter – Justizmord aus Notwehr?», das am 22. Oktober im Kurtheater Baden Premiere feiert. Der Jazzpianist und Komponist Christoph Baumann und die Sängerin Isa Wiss haben mit ihren Kostproben aus dem multimedialen Stück die Besuchenden der Buchvernissage gleich auf ihrer Seite. «De Matter isch en arme, liebe, fräche, tumme Siech», singt Wiss, eine wahre Laut-Artistin, im Stück «Sibesiech» und zeigt damit einige Facetten des Bernhart Matter, der im Mai 1854 geköpft wurde.

Markus Kirchhofer im Gespräch mit Grossrat Severin Lüscher.

Markus Kirchhofer im Gespräch mit Grossrat Severin Lüscher.

Peter Weingartner

Comic bringt Geschichte des 19. Jahrhunderts näher

Raoul Richner, der Stadtarchivar der Stadt Aarau, sieht den Comic als Türöffner zur vertieften Auseinandersetzung mit einem historischen Stoff: «Die Schwelle ist niedriger als bei einem historischen Buch.» Die im Comic geschilderten Zustände, soziale Probleme wie Hunger (Kartoffelfäule, Bevölkerungszuwachs), unsichere politische Situation (Sonderbundskrieg), Industrialisierung und Arbeitslosigkeit, Druck zur Auswanderung, lassen Brückenschläge zur Gegenwart zu.

Auch gibt der Stoff Anlass dazu, sich Gedanken zu Themen wie Gerechtigkeit, Todesstrafe und der Verhältnismässigkeit von Strafen überhaupt zu machen: Matter hat niemanden umgebracht. Musste an ihm ein Exempel statuiert werden? Auch, weil Matter immer wieder ausbrechen konnte, was in den Nachbarkantonen Anlass zum Lachen über den Aargau führte? Anderseits: Hatte dieses Urteil positiven Einfluss auf einen humaneren Strafvollzug?

Matters Frau ist «hässig, wäg de Wiiber»

Auch Bernhart Matters Frau Barbara kommt sowohl im Buch wie im Theater zu Wort. Im Lied «Hässig» macht sie keinen Hehl daraus, was sie, zeitweise, von ihm hält: «Plöffsack, Tubel!» Und hässig ist sie, wer mag es ihr verargen, «wäg de Wiiber». Das multimediale Spektakel, das nach Baden auch nach Aarau in die Reithalle kommt, sei ein schnelles Stück; «es fräst durch Matters Leben», sagt Baumann, beleuchtet Spots in seinem Leben, das Leben eines gehetzten Menschen mit zu viel Energie, ständig auf der Flucht. Wie beim Geköpft-Werden, beim Tod: ein Schnelldurchlauf. Fünf Musikerinnen und Musiker bestreiten das Stück; zwei davon (Herwig Ursin und Isa Wiss) haben als Schauspieler auch Sprechrollen. Matter selber tritt nicht auf.

Diskussion über den Zweck der Vereinigung

Die Vereinigung für Heimatkunde Suhrental hat die Herausgabe des neuen Buchs unterstützt. An der Jahresversammlung war am Ende auch der Vereinszweck ein Thema: Was soll unterstützt werden? Sind es ausschliesslich literarische oder historische Veröffentlichungen? Oder können auch Projekte wie das Sandsteinmuseum in Staffelbach oder eine zu restaurierende Hochstudscheune nicht nur auf moralische, sondern auch finanzielle Unterstützung hoffen?

Immerhin hat der Verein mit 430 Mitgliedern (25 waren an der Versammlung anwesend) ein Vermögen von mehr als 35 000 Franken. Und der Begriff Kultur ist breit gefächert. Was will der Verein? Eine Grundsatzfrage. Präsidentin Béatrice Meili leitete daraus eine Hausaufgabe ab: Die Mitglieder sollen sich darüber Gedanken machen, damit man an der nächsten Jahresversammlung über diese Frage diskutieren kann.

Der Comic «Matter» ist im Verlag Edition Moderne erschienen: https://www.editionmoderne.ch/buch/matter/