Kölliken
Rettung eines Zeitzeugen: Die Hochstudscheune wird doch nicht zerstört

Das scheinbar Unmögliche ist geschafft: Die Hochstudscheune landet doch nicht in der Mulde. Sie wird ab dieser Woche zerlegt und soll wieder neu aufgebaut werden.

Katja Schlegel
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Hochstudscheune in Kölliken ist gerettet
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Es ist die letzte Scheune ihrer Art im Aargau.
Andrea-Carlo Polesello kämpft seit Monaten für die Scheune.
Weitere Bilder aus der Scheune.

Hochstudscheune in Kölliken ist gerettet

SEVERIN BIGLER

Es war ein Zittern und Bangen, ein Ringen um jede Minute. Doch jetzt ist es geschafft: Die Kölliker Hochstudscheune, die letzte ihrer Art, ist vorerst gerettet. Sie wird nicht abgerissen, sondern so abgebaut, dass ein Wiederaufbau möglich ist. Und das, obwohl es vor ein paar Tagen noch danach aussah, als wäre ihr Schicksal besiegelt.

Ein Rückblick: Seit Monaten kämpft die Initiativgruppe «Kölliker für die Rettung der Hochstudscheune» um den Erhalt des historisch wertvollen Baus.

Die Scheune, deren Kernbau auf das Jahr 1819 datiert wurde, ist deshalb so speziell, weil sie einzig der Lagerung diente und nicht wie Hochstudhäuser normalerweise Stallungen, Scheune und Wohnhaus unter einem Dach vereinte – eine Eigenart, wie sie laut Kantonsarchäologie bei keinem anderen Bau im Kanton bekannt ist, womöglich sogar in der ganzen Schweiz.

Das Problem: Die Scheune steht auf einer Parzelle, auf der Mehrfamilienhäuser gebaut werden sollen. Bereits im vergangenen Dezember hätten die Abbrucharbeiten beginnen sollen.

Ziel verfehlt und doch gewonnen

Doch so weit kam es nicht. Anfang Januar bot die Baufirma und Eigentümerin der Scheune Hand zur Rettung und erklärte sich dazu bereit, die Scheune sorgfältig zu zerlegen statt dem Erdboden gleich zu machen. Einzige Bedingung: Für den Zusatzaufwand müssen 100 000 Franken verfügbar sein.

Ein Ziel, das die Initiativgruppe trotz enormem Aufwand nicht gestemmt hat. Und doch meldet die Initiativgruppe jetzt einen Etappensieg: Ab dieser Woche wird die Scheune zerlegt. Ausserdem dürfen die Initianten die Teile der Scheune direkt auf der Parzelle zwischenlagern, bis der Wiederaufbau am neuen Ort beginnen kann (siehe Box). «Ein erster Schritt ist geschafft», sagt Andrea-Carlo Polesello von der Initiativgruppe.

Neuer Standort: Baugesuch wird vorbereitet

Der neue Standort für die Hochstudscheune ist gefunden: Sie soll künftig dem Kölliker Landwirt Daniel Lüscher als Heulager dienen. Aktuell läuft beim Kanton die Vorabklärung, ob ein Wiederaufbau in der Landwirtschaftszone möglich ist. «Sobald wir vom Kanton grünes Licht bekommen, wird das Baugesuch bei der Gemeinde eingereicht», sagt Andrea-Carlo Polesello von der Initiativgruppe. Mit dem bisher gesammelten Geld (aktuell knapp 35 000 Franken) wird der Wiederaufbau finanziert. Daniel Lüscher stellt Land und Fundament zur Verfügung.

Jetzt geht das Puzzle-Spiel los. Weil es sich bei Hochstudhäusern um Fahrnisbauten handelt, ist ein Abbau logisch zu bewerkstelligen. Um aber die Scheune originalgetreu zusammensetzen zu können, ist eine detaillierte Dokumentationsarbeit nötig.

So hat der Reinacher Holzbau-Fachmann Martin Hoffmann mithilfe von Andrea-Carlo Polesello in den letzten Tagen bereits rund 200 Einzelteile mit Buchstaben- und Zahlencodes versehen, die den exakten Platz des Teils beschreiben.

Nur wenn die Teile wieder an die genagleiche Position gelangen, kann die Rekonstruktion gelingen. Insgesamt besteht die Scheune aus mehreren hundert Teilen, vom Zwölf-Meter-Stamm bis hin zur handlichen Verstrebung, die die Arbeiter der Baufirma in den nächsten Wochen sorgfältig auseinanderbauen müssen. Angeleitet werden sie dabei von Fritz Gugelmann, Kenner von alten Holzbauten und Antikschreiner, sowie Martin Hoffmann.

Schäden sind nicht zu verhindern

Trotz aller Vorsicht: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Hochstudscheune bis auf den letzten Balken mit Originalteilen wiederaufgebaut werden kann, ist relativ gering. «Gewisse Schäden werden sich nicht verhindern lassen», sagt Polesello.

Denn auch wenn der Rückbau nun sorgfältig ausgeführt wird, so wird er doch maschinell passieren. «Ein Rückbau von Hand, Einzelteil für Einzelteil, ist aus Kosten- und Zeitgründen nun einfach nicht mehr möglich.» Die Devise laute nun: so viel Holz wie möglich erhalten. «Wir werden am Schluss sehen, wie viel originales Holz noch zur Verfügung steht», sagt Polesello. Was schadhaft ist, wird ersetzt.

Andrea-Carlo Polesello ist trotz allem erleichtert, den Teilerfolg feiern zu können. Ein Erfolg, der ohne Goodwill, ohne Spender, ohne Zuspruch und ohne unzählige freiwillig geleistete Arbeitsstunden nicht möglich gewesen wäre.

«Für all das bin ich sehr dankbar», sagt Polesello. Und es zeigt sich, dass er mit seiner Ansage im Herbst recht behalten hat: «Für unser Erbe, ein Stück unserer Dorfgeschichte zu kämpfen, ist jede Anstrengung wert.»